Dino Toppmöller: Der Spielerflüsterer

08.09.2024

Eintracht-Trainer Dino Toppmöller blickt auf ein turbulentes Jahr zurück, hat sich geöffnet und kommt insgesamt deutlich gereifter daher

Als der Dino noch klein war, zwölf gerade mal, da begleitete er seinen großen Vater Klaus zu seinem ersten Spiel als Cheftrainer in der Bundesliga an den Gladbacher Bökelberg, 6. August 1993, Freitagabend, Flutlichtspiel. Dino Toppmöller machte große Augen, sie glänzten vor Freude und Aufregung. Und dann dieses Spiel, diese Leistung der vom Papa angeleiteten Eintracht, federleicht und doch wuchtig, filigran und doch pfeilschnell. Mit 4:0 fegten die Frankfurter über die Elf vom Niederrhein hinweg, Jan Furtok, Uwe Bein, Ralf Weber, Tony Yeboah machten kurzen Prozess, und später sollte noch der Startrekord aufgestellt (20:2 Punkte) und der Rekordmeister aus München verbal gedemütigt werden („Bye Bye Bayern“). Und der kleine Dino mittendrin, vergötterte die Eintracht-Stars, durfte sogar mit ihnen im großen Garten im kleinen Heimatort Rivenich an der Mosel kicken. Seither ist Dino Toppmöller Eintracht-Fan.

An das Spiel am Bökelberg hat er noch heute lebendige Erinnerungen, wie er erst kürzlich im ZDF-Sportstudio erzählte. „ Tony Yeboah, Uwe Bein, Maurizio Gaudino hautnah zu erleben, das war ein absolutes Highlight.“

Später, als Fußballprofi, hat er dann sogar für die Eintracht gespielt, der Stürmer war keine prägende Figur, aber er hatte seinen Anteil am Aufstieg, keinen kleinen, am vorletzten Spieltag schoss er die Eintracht mit einem Doppelpack zum Sieg in Oberhausen und auf Rang drei, beim verrückten 6:3-Finale gegen den SSV Reutlingen war er ebenfalls dabei. Das war 2003.

Heute ist Dino Toppmöller 43 Jahre alt und seit mehr als einem Jahr Cheftrainer seines Herzensvereins. Dass er ein spezielles Verhältnis zum Klub pflegt, ist nicht nur so dahergesagt. „Mein Vater war hier Trainer, es war seine erste Station als Bundesligatrainer. Ich, als Teenager, war im Stadion. Das sind Dinge, die dich prägen, es ist einfach ein besonderer Verein für mich“, sagte er mal im Podcast „Eintracht vom Main“. „Das ist auch keine Floskel, das ist tief in mir drin. Ich bin unheimlich stolz, Trainer von Eintracht Frankfurt sein zu dürfen. Diese besondere Verbindung – das kann mir kein anderer Verein geben.“ Und sie führte dazu, dass er im Sommer eine acht Millionen Euro schwere Offerte des Saudi-Klubs Al-Ittihad ablehnte. Geld ist für ihn nicht alles. Fußball schon.

Dino Toppmöller ist ein bescheidener, kluger, reflektierter Mann, der sich gegen Widerstände durchaus aufzulehnen weiß. Denn sein erstes Jahr in Frankfurt war kein einfaches für ihn. Er ist in große Fußstapfen getreten, solche, die der Europapokalsiegertrainer Oliver Glasner hinterlassen hat, der höchste Akzeptanz genoss und sich maximaler Beliebtheit bei den Fans erfreute. Und da kam dann dieser Nobody, der mal gute Arbeit als Chef in Luxemburg bei einem Verein mit dem putzigen Namen F91 Düdelingen leistete, sonst aber nur als zweiter Mann werkelte, in Leipzig und bei den Bayern unter Julian Nagelsmann.

Mit offenen Armen ist Dino Toppmöller nicht empfangen worden, und es gab nicht wenige, die zweifelten, ob er das Format mitbringen würde, einen solch wuchtigen Verein in vorderster Linie zu vertreten. „Wir sind ein Klub mit großer Aufmerksamkeit und hoher Emotionalität“, sagte Markus Krösche kürzlich lächelnd. Das musste der Sportvorstand selbst erst einmal spüren und quasi erlernen. Und so erging es Dino Toppmöller ebenfalls. „Es ist ein Entwicklungsschritt, in diese Rolle hineinzuwachsen. Auch für Dino“, sagt Krösche. „Das hat er geschafft.“ Der Sportboss war es auch, der seinem Coach nach Saisonende keinen Freifahrtschein ausstellte und ein Bekenntnis zu ihm vermied. Aus gutem Grund. Die Saison war trotz Platz sechs zu ruckelig, was schlicht an der Interpretation des Spiels lag.

Die Eintracht spielte langatmig, dröge, uninspiriert, fast nur quer und zurück. Sie war drauf und dran, ihre DNA zu verspielen und ihre eigene Identität zu verraten. Denn in Frankfurt war in den letzten Jahren nicht immer, aber oft genug Vollgasfußball angesagt. Und dann das. Der Stil riss keinen von den Sitzen, führte zu fast schon regelmäßigen Pfiffen im Stadion und ließ sogar Vorstandssprecher Axel Hellmann öffentlich fordern, dass gerade bei Heimspielen doch bitte schön die Post abzugehen habe.

Für Toppmöller keine leichte Situation, denn auch ihm missfiel der Fußball, „Troublemaker“ sollten seine Jungs ja sein. Das Gegenteil war der Fall. Gleichwohl: Als Cheftrainer verantwortet er das, was auf dem Feld geschieht. Toppmöller, ein Taktikfreak, machte nicht alles richtig, verfranzte sich im Klein-Klein, war zu technokratisch unterwegs, sezierte hier, analysierte dort, setzte hier eine Videoschulung an und dort noch ein Gespräch. Er verkomplizierte den Fußball, wechselte zu oft Personal und System.

Der Fußballlehrer aber hat die Lehren gezogen, denn er ist lernwillig, fleißig ohne Ende, akribisch, er überdenkt Sachverhalte und Situationen, will sich weiterbilden und verbessern, ist wissbegierig, hört zu, nimmt Ratschläge an. Er war es, der einen erfahrenen Co-Trainer mit ins Boot holen wollte, der auch sein Team anpassen, optimieren wollte. Auch seine öffentlichen Auftritte sind jetzt klarer, routinierter, der Gegner wird nicht dauernd überhöht, im Sportstudio machte er vor einem Millionenpublikum eine gute Figur – nicht nur wegen seiner vier Treffer an der Torwand. Er ist reifer geworden. Doch verändert hat er sich im Kampf um mehr Anerkennung nicht, in Hintergrundgespräche bleibt er verbindlich und zugänglich. Hat er Vertrauen gefasst, öffnet er sich. Dass er in Frankfurt so wenig Kredit hat, ist schon ein wenig seltsam. Geklagt hat er darob nie, Kritik steckte er mannhaft ein.

Die Grundidee seines Fußballs ist richtig, und sie geht auf seinen Vater Klaus zurück, der sich aus der Öffentlichkeit komplett zurückgezogen hat, auch nicht ins Stadion kommt. Nicht selten aber sitzt er bei seinem Sohn im Haus im nahen Niederrad und schaut sich das Spiel mit der Familie im Fernsehen an. „Wie mein Vater mit seinen Mannschaften Fußball gespielt hat, das hat mich sehr geprägt und ist sehr nahe an meiner Idee“, betont Dino Toppmöller, nämlich: „Dass man das Spiel dominiert, den Gegner laufen lässt und selbst den Ball hat. Da ist er ein absolutes Vorbild für mich.“

Dino Toppmöller hat, wie Sportchef Krösche sagt, „seinen Weg gefunden“. Der Trainer selbst wünscht sich sehr viel mehr Spektakel und eine andere Energie. Die Partie gegen Hoffenheim mit drei Zaubertoren war da ein guter Anfang.

Toppmöller hält Dinge nun einfacher, ohne aber seinen Ansatz zu verwässern, er gibt den Spielern Freiheiten, kann aber auch hart durchgreifen wie bei Eric Dina Ebimbe, der lustlos trainierte und mit dem Kopf nicht bei der Sache war. Prompt flog er aus dem Kader, muss sich erst wieder beweisen. Der Coach wird ihm eine faire Chance geben, denn er ist gerecht, nicht nachtragend.

Toppmöller ist kein harter Hund, er ist einer, der Spieler versteht, sie besser machen will, sie fördert, ihnen Vertrauen schenkt, auch und gerade den jungen Talenten. Da ist er mutig. Er ist polyglott, was ihm zugute kommt, mit den vielen Franzosen parliert er in deren Muttersprache, das ist hilfreich, „du bekommst einen ganz anderen Zugang zu dem Menschen“. Bei den Bayern pflegte er deshalb eine besondere Beziehung zu Verteidiger Benjamin Pavard, ohnehin war er sehr beliebt an der Säbener Straße. Auch Wunderkind Jamal Musiala fragt heute noch nach Ratschlägen, beide haben eine tiefe Verbindung.

„Eine hohe Sozialkompetenz ist wichtig“, sagt Toppmöller, der Spielerflüsterer. „Jedem Menschen geht es um Aufmerksamkeit und Anerkennung – ich versuche, das jedem zu geben. Ich glaube, die Jungs merken, dass ich es ehrlich meine mit ihnen.“

Wirbel um Hugo Larsson Mächtiger Wirbel um Eintracht-Spieler Hugo Larsson. Das 20 Jahre alte Mittelfeldjuwel ist von der schwedischen Nationalmannschaft abgereist, nachdem er am Donnerstag beim er beim 3:1-Sieg gegen Aserbaidschan nicht zum Einsatz kam. Der schwedische Verband begründet die vorzeitige Rückkehr nach Frankfurt mit einer leichten Verletzung. Allerdings: Es gibt auch eine ganz andere Version. Denn schwedische Medien berichten, dass ein Streit mit dem schwedischen Nationaltrainer Jon Dahl Tomasson der Hintergrund sei. Der hatte öffentlich gefordert, dass Larsson mehr vertikale Pässe spielen soll. Beim Spieler kam das nicht gut an – genauso wenig wie seine Bankrolle gegen Aserbaidschan. Laut der schwedischen Zeitung „Aftonbladet“ hat sich Larsson gewehrt: „Ich habe ihm gesagt, dass ich es gerne gehabt hätte, wenn es unter uns oder innerhalb der Mannschaft geblieben wäre. Manches sollte in der Familie bleiben, und das war nicht der Fall.“ Larsson wird am Dienstag zum Training in Frankfurt erwartet. FR