Während der seltsamen Corona-Zeit ist Mahmoud Dahoud, den alle Welt nur Mo ruft, erfinderisch geworden. Abstand halten war ja in der Pandemie die Devise, und sogar die Bundesliga legte eine Zwangspause ein. Also baute sich der aktuelle Neuzugang der Frankfurter Eintracht mit Hilfe seines Onkels seinen eigenen Fußballplatz auf die Terrasse seines Apartments im vierten Stock. Kunstrasen, dreimal zehn Meter, umrundet von einer Bande, überspannt von einem Netz. Sollte ja kein Ball vom Dach auf die Straße fallen. Und dort hat Mo Dahoud, der Käfigkicker, zu seiner Dortmunder Zeit viele Stunden verbracht, denn: „Du musst das Gefühl für den Ball behalten.“ Und Gefühl im Fuß, ja, das hat Mo Dahoud.
Der 28-Jährige ist ein freundlicher Mann, der öffentlich sehr leise auftritt, auf dem Platz aber umso lauter agiert. „Hallo, freut mich, Euch kennenzulernen“, sagte er am Donnerstag zur Mittagszeit zur Begrüßung an die Journalisten gewandt. Das sind nette Umgangsformen, die in der Branche nicht alltäglich sind. Ein Sprücheklopfer ist der Deutsch-Syrer nicht, er lässt seine Füße sprechen. Die Überlieferung besagt, dass er verrückte Dinge mit der Kugel anstellen kann. „Ich kann ein paar Tricks, die nicht so viele Leute können“, sagte er mal im BVB-Magazin und fügte bescheiden an: „Aber andere können Sachen, die ich wiederum nicht kann.“ Zuletzt durfte er kaum noch zeigen, was in ihm steckt, die letzten Jahre liefen nicht gut. Von Borussia Dortmund wechselte er zu Brighton Hove & Albion nach England, wo er wenig spielte, neun Partien nur. Weiter ging’s nach Stuttgart, für den VfB lief er in der letzten Rückrunde auf Leihbasis auf. Bei ihm persönlich ging wenig zusammen, 15 Einsätze, aber nur einmal in der Startelf. Er blickt ohne Groll zurück. „Die waren im Flow, haben alles gewonnen. Da war es schwer für mich. Never change a winning team.“ Schnee von gestern.
Dass in Brighton jetzt in Fabia Hürzeler ein deutscher Trainer gelandet ist, konnte ihn auch nicht von einem Verbleib auf der Insel überzeugen. „Als das Angebot der Eintracht kam, habe ich nicht lange nachgedacht. Ich wollte zurück in die Bundesliga nach Deutschland.“
Kicken auf dem Parkplatz
Dort, wo er seine beste und schönste Zeit hatte, gerade bei Borussia Mönchengladbach. Am Niederrhein ging sein Stern auf, Lucien Favre förderte den Rohdiamanten, der damalige Manager Max Eberl nannte ihn einen „typischen Straßenfußballer“. So ist er auch aufgewachsen, er kickte damals überall, auf Wiesen, in Parks, „auf dem Aldi-Parkplatz“, wie er lachend erzählt.
Und Grenzen schien es für den Vollblutkicker keine zu geben. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus war es, der ihm damals, ausgerechnet nach einem 5:1-Kantersieg gegen Eintracht Frankfurt, eine Weltkarriere voraussagte. Da war der Edeltechniker gerade 19.
Es sollte anders kommen.
Bei Borussia Dortmund lief es allenfalls durchwachsen, zum Schluss gar nicht mehr. Was bleibt aus der Episode ist zumindest sein Spitzname Moritz. Den hat ihm Scherzbold Maris Wolf verpasst, einst auch in Frankfurt.
Dahouds Laufbahn war mächtig ins Stocken geraten – und sie ist bis heute nicht mehr wirklich in Schwung gekommen. Wieso, weshalb, warum? Er weiß es nicht. „So läuft es eben im Fußball: Mal geht es hoch, mal runter. Man kann es nicht planen.“
Mahmoud, der Gepriesene
Dahoud, Kaffeelieber und Hobby-Barista, will es nun noch einmal wissen. Er hat auf viel Geld verzichtet, der Premier-League-Klub sogar auf eine Ablöse. Die Eintracht schlug zu. Weil es das Profil im Kader noch nicht gibt. Sportvorstand Markus Krösche nennt ihn einen „tiefen Spielmacher“.
Mahmoud, was aus dem Arabischen übersetzt „der Gepriesene“ heißt, scheint jedenfalls eisern gewillt, seine vielleicht letzte Chance in der Bundesliga zu ergreifen. Im Training geht er voran, gibt viele Kommandos, zeigt sich. „Ich will Führungsspieler sein, Verantwortung übernehmen, den jungen Spielern helfen“, sagt er. Mit seinen Kollegen im Mittelfeld will er „gut harmonieren und Spaß auf dem Platz haben“, Mario Götze kennt er noch aus Dortmunder Zeiten.
Die Eintracht hat er als Traditionsverein mit großer Fanbasis wahrgenommen. „Sie haben immer international gespielt zuletzt, die Mannschaft ist sehr gut.“ Gerade die Stürmer Hugo Ekitiké und Omar Marmoush. „Das sind Spieler mit sehr großem Talent, es macht Spaß, ihnen zuzuschauen und jetzt mit ihnen zusammenzuspielen.“
Mo Dahoud hat auch die Nationalmannschaft, für die er während der Corona-Zeit zwei Länderspiele machte, nicht abgehakt. Ein Wechsel in die syrische Auswahl kommt für ihn nicht infrage. Dahoud fühlt sich als Deutscher, die Familie floh aus dem Kriegsgebiet, als der kleine Mo noch ein Baby war, sieben Monate jung.„Ich bin hier aufgewachsen, das ist meine Heimat. Ich würde gerne noch mal angreifen in der deutschen Nationalmannschaft.“