Eintracht Frankfurt gewinnt in Wolfsburg: „Geile Mentalität“

15.09.2024

Die Frankfurter überzeugen nicht immer in der Autostadt, feiern am Ende aber dennoch einen verdienten Sieg – weil sie als Einheit funktionieren.

Nach dem bretthart erkämpften, aber sehr wohl verdienten 2:1-Sieg am Mittellandkanal lobten Verantwortliche, Trainer und Spieler allesamt die Widerstandskraft der Frankfurter Berufsfußballer. Nur drei Beispiele, in aller Kürze: 1.) „Die Jungs haben sich dagegengestemmt“, befand Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche. 2.) „Die Verteidigungsmentalität war sehr gut“, beschied Chefcoach Dino Toppmöller. 3.) „Wir haben als Mannschaft alles reingehauen und fast alles wegverteidigt“, stellte Abwehrboss Robin Koch fest.

All das ist richtig, und es gibt ein Sinnbild für diesen auffälligen Eintracht-Spirit: Aurele Amenda, den Neuzugang aus Bern, der kein gutes Entrée hatte in Frankfurt. Erst verletzt, dann im letzten Testspiel schwer gepatzt und fortan auf der Bank zu Hause. Und dann wird der baumlange Verteidiger, 1,97 Meter hoch, kurz vor Schluss der Partie beim VfL Wolfsburg ins kalte Wasser geworfen – und schwimmt sich direkt frei.

Mit Wagemut und Geschick wirft er sich hier in einen Schuss, blockt dort einen Ball, köpft ihn dann mal wieder aus dem Strafraum. Drei-, vier-, fünfmal rettet der 21-Jährige in höchster Not, auch gegen Kevin Behrens‘ Versuch aus Nahdistanz, fünf Meter vor dem Tor, die Kugel hätte sonst sicher den Weg ins Netz gefunden (87.). Aurele Amenda ist, obwohl er gerade mal zehn Minuten spielte, schon so etwas wie ein kleiner Matchwinner. Nicht so groß wie Doppelpacker Omar Marmoush, aber immerhin.

Natürlich wurde er danach nach allen Regeln der Kunst abgefeiert, da hat sich einer aufgeopfert fürs Team. Sollte selbstverständlich sein, ist es aber nicht immer. „Er hat ein paarmal gerettet, er ist nah dran an der Mannschaft“, sagte Sportchef Krösche betont nüchtern. „Er hat gezeigt, dass er eine Hilfe sein kann.“

Amendas beeindruckender Kurzauftritt zeigt gleich zweierlei: In der Mannschaft stimmt es absolut, jeder ist bereit, für den anderen in die Bresche zu springen. Und die Spieler, die reingekommen sind ins Spiel, nahmen direkt die Witterung des hektischen Treibens auf, waren gleich auf Betriebstemperatur. Selbst die Auswechslung von Torwart Kevin Trapp zur Halbzeit fiel nicht ins Gewicht. Auch weil Ersatzmann Kaua Santos bei seinem Bundesligadebüt eine gute Figur machte (siehe Bericht auf der folgenden Seite). Das Aufgebot ist dichter geworden, die Qualität gestiegen. „Es ist wichtig, einen guten, breiten Kader zu haben“, sagte Ansgar Knauff, der selbst eingewechselt wurde. Nicht alles klappte beim Flügelmann, aber auch er warf alles rein, was er zu geben hatte. Viele sind sich einig, dass die Eintracht eine Partie wie jene am Samstagnachmittag in der Autostadt vor einem Jahr nicht gewonnen hätte. Damals verlor sie an selber Stelle mit 0:2, Mario Götze meckerte sich vom Feld – und alles schien gar nicht so rosig zu sein. War es auch nicht.

Auch jetzt ist nicht alles gut, auch die Leistung war es gerade in den ersten 20, 25 Minuten überhaupt nicht. Da war die Eintracht zu passiv, nur 35 Prozent Ballbesitz waren die Folge.

Also gab Toppmöller das Zeichen, von einer Dreierkette auf einen Viererriegel zu switchen, und schon wurde es besser. Auch wichtig, dass leichte Veränderungen und taktische Kniffe während eines Spiels einen Effekt auf die Leistung haben. Defizite schnell erkennen und darauf reagieren – das ist eine Gabe und die Aufgabe des Trainers. Und gleichzeitig muss die Mannschaft so geschult und aufnahmefähig sein, um es direkt umzusetzen. Als ein Meister dieses Fachs gilt immer noch der jetzige Bundestrainer Julian Nagelsmann. „Durch die kleine Anpassung kamen wir besser rein ins Spiel“, bedeutete der bärenstarke Verteidiger Robin Koch.

Und die Hessen gingen nach ihrem ersten vielversprechenden Angriff in Führung, es war einmal mehr, wie schon gegen Hoffenheim, eine wunderbare Kombination, die im 1:0 mündete (30.). Hugo Larsson spielte den Ball mit dem Knie (!) steil in den Lauf des nur schwer zu verteidigenden Stürmers Hugo Ekitiké, der in der Mitte Omar Marmoush entdeckte, der gegen seinen Ex-Klub clever abschloss zur Führung. Den provozierenden Jubel vor der Wolfsburger Fankurve hätte er sich sparen können. Sah auch sein Trainer so: „Das fand ich nicht gut.“ Kollege Knauff findet dennoch: „Omar hat es Weltklasse gemacht.“ Und, kleiner Funfact am Rande der Bande: Hugo Larsson kann Bälle ja doch nach vorne spielen, das hatte ihm sein Nationaltrainer in Schweden abgesprochen. „Ich habe einige vertikale Pässe von Hugo gesehen“, sagte Manager Krösche. „Diese Diskussion ist Nonsens.“

Und die Eintracht ließ sich auch vom Ausgleich der Wolfsburger durch Ridle Baku (76.) nicht aus der Bahn werfen, obwohl sie da schon längst den Deckel hätte draufmachen können aufs Spiel. „Da kann man schon mal wackeln oder umfallen, aber genau das haben wir nicht gemacht“, sagte Toppmöller. Auch dies ist ein Teil der Entwicklung. Neben gutem Fußball sei auch Widerstandsfähigkeit enorm wichtig. „Diesen Schritt haben wir in der Saison schon gemacht“, sagte Toppmöller. „Wir haben eine geile Mentalität.“ Die mündete im 2:1-Siegtreffer durch einen verwandelten Strafstoß von Marmoush (82.), der an alter Wirkungsstätte kaum zu halten war. Dass VfL-Trainer Ralph Hasenhüttl im Anschluss eine Diskussion über das leidige Thema Handspiel lostrat („Schwer nachvollziehbar, ist Lotteriespiel“), verwundert schon. In der Summe vieler strittigen Handspielentscheidungen war die gegen Cedric Zesiger eine relativ klare.

Für Robin Koch war der Erfolg „enorm wichtig für die Entwicklung der Mannschaft, denn es war nicht unser bestes Spiel.“ Man sagt ja oft, dass es eine Spitzenmannschaft auszeichnet, auch die eher wenigen guten Spiele zu gewinnen. „Das gibt uns extrem viel“, findet Koch. Und Sportvorstand Krösche hakt die erwachsene Leistung zufrieden ab: „Es ist wichtig, dass wir auch solche Spiele gegen physisch unangenehme Gegner gewinnen. Du kannst nicht immer nur Rastelli-Fußball spielen.“ Manchmal reicht es, wenn man einen hat.