Schon vor der neuerlichen Niederlage im Brauseimperium zu Leipzig, die für die Frankfurter Eintracht zwar schmerzhaft war, aber sich nicht so gnadenlos mies anfühlte wie die im Pokal vor nicht mal zwei Wochen, hat Dino Toppmöller ein paar ganz interessante Kernsätze von sich gegeben; Sätze, die im Gesamtkontext vielleicht ein wenig untergingen, aber die derzeitige Situation des hessischen Bundesligisten gut verdeutlichen. „Wir haben immer betont, dass wir auf dem Weg sind, uns zu einer richtig, richtig guten Mannschaft zu entwickeln“, sagte der Eintracht-Trainer und nahm das Wort Spitzenmannschaft offenbar bewusst nicht in den Mund.
Dafür schob er ein dickes Aber nach: „Aber wenn man die Spiele nimmt, die wir verloren haben, da sieht man, dass immer ein bisschen was gefehlt hat, um den letzten Schritt gegen diese Gegner zu gehen.“ Mit diesen Gegnern meinte Toppmöller jene Topteams, die die wilde, junge Eintracht niederhalten konnten, also Dortmund, Leverkusen, Leipzig und Lyon. Und seit Sonntagabend noch mal Leipzig.
Womöglich, dozierte Toppmöller vorher, fehle ein „Stück Erfahrung auf diesem Level“, vielleicht auch noch mehr, so tief wollte der 44-Jährige in die Analyse nicht einsteigen. Aber für ihn gehören solche Spiele und solche Niederlagen eben dazu. „Das ist ein Lern- und ein Entwicklungsprozess.“
Am Sonntag dann durfte sich der Trainer bestätigt fühlen, auch wenn er es anders lieber gehabt hätte. Doch diese abermalige Schlappe in Leipzig, dieses Mal mit 1:2, beschreibt den Status quo der Eintracht ganz gut. Es war nicht so, dass die Frankfurter chancenlos gewesen wären, mit etwas Fortune wäre auch ein Remis drin gewesen, „das hätten wir uns verdient“, fand Coach Toppmöller, der eine „tolle Mentalität“ und eine „richtig gute Leistung“ gesehen haben wollte. Ergo: „Wir fahren ganz anders aus dem Stadion raus als im Pokal, erhobenen Hauptes“.
Tatsächlich: Bis auf eine vogelwilde Phase nach dem 0:1-Rückstand hielten die Hessen gut mit und die Partie ausgeglichen, waren trotzdem auf herausragende Taten ihres Schlussmannes Kevin Trapp angewiesen, der sein Team in diesen Minuten im Spiel hielt.
Am Ende aber stand es dennoch mit leeren Händen da. Wie schon im Pokal in Leipzig und wie in Lyon. Und zwischendrin gab es nur ein 2:2 zu Hause gegen Augsburg. Ein Punkt aus vier Begegnungen, drei Niederlagen. Das ist nicht das, was sie sich vorgestellt haben im Stadtwald – zumal nach der schönen Erfolgsserie zuvor. Die Frankfurter Überflieger sind erst einmal wieder gelandet und in eine mittlere Schaffenskrise gerutscht. Der Eintracht geht die Puste aus kurz vor Weihnachten, sie schleppt sich der Ziellinie entgegen.
Das wollte Trainer Toppmöller, zumindest was die Körperlichkeit und Fitness angeht, so nicht stehenlassen: „Man hat eindrucksvoll gesehen, dass das nicht der Fall ist. Trotz der enormen Belastung.“ Aber klar sollte dennoch sein, dass die vielen Spiele (samt Reisestrapazen) ihre Spuren hinterlassen haben und auch die intensive Spielweise. Das schlaucht, auch und gerade mental. Das liegt in der Natur der Sache. Zumal die Mannschaft sehr jung ist und viele Spieler erstmals auf diesem Niveau und in diesem Rhythmus spielen. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt.
Die Gegentore in Leipzig waren auch auf Konzentrationsmängel zurückzuführen. Beim ersten hob erst Robin Koch das Abseits auf, ehe Nathaniel Brown völlig die Orientierung verlor. Beim 1:2 verlor Ansgar Knauff den Leipziger Torschützen Lois Openda völlig aus den Augen. Und dann wird es eben schwer. „Wir mussten wieder einem Rückstand hinterherlaufen. Das kostet viele Körner, besonders nach den letzten Wochen“, betonte Kapitän Trapp.
Es sind Kleinigkeiten, die die Adlerträger aus dem Tritt und den Flow zum Erliegen gebracht haben. Da ist der Flow an sich, der so oft zitiert und bemüht wurde, bis wahrscheinlich auch die Spieler gedacht haben: coole Sache, wird schon so weitergehen. Doch einfach so weitergeht nichts, gerade im Fußballsport auf diesem Niveau. Zu viel Lob muss nicht unbedingt leistungsfördernd sein.
Und im Zuge des versiegenden Flows kommt hinzu, dass vieles, was vorher rund lief und flutschte, jetzt eben hakt und ächzt. Alles ist mühsam und schwergängig geworden, das Selbstverständliche und Leichte blitzt nur noch in einzelnen Phasen auf, etwa beim herausragend herausgespielten Ausgleichstreffer von Brown samt genialer Vorarbeit von Can Uzun.
Eine Partie wie jene gegen Augsburg hätte die Eintracht vor vier Wochen wohl locker auf ihre Seite gezogen, und sehr wahrscheinlich wäre auch der famose Freistoß von Omar Marmoush am Sonntag in Leipzig nicht an die Latte, sondern ins Tor geflogen. Das ist natürlich ein Stück weit müßig, weil nicht beweisbar und auch irgendwie metaphysisch. Aber so läuft es im Sport oft genug.
Gegen diesen Trend muss die Eintracht ankämpfen, sie hat in diesem Jahr noch eine Chance, sich ein Erfolgserlebnis zu holen, zum Ausklang im Nachbarschaftsduell gegen den erstarkten FSV Mainz 05 (Samstag 15.30 Uhr/Sky). Das wird eine knifflige Angelegenheit, aber ein Sieg wäre nicht nur fürs Punktekonto und die Festigung eines Spitzenplatzes wichtig, sondern auch für das generelle Gefühl in den kurzen Weihnachtsferien. Der Mainz-Partie kommt für die Gesamtwetterlage einige Bedeutung bei.
Zum Glück für die Eintracht zählen die Rheinhessen trotz sehr ansprechender Leistungen noch nicht zu den Spitzenteams der Liga, denn gegen diese haben die Frankfurter doch Schwierigkeiten, was bestimmt kein Zufall ist. Um gegen die Topmannschaften beständig zu punkten, braucht es Cleverness und Abgezocktheit in bestimmten Situationen, auch ein besseres Ausspielen der vielversprechenden Ansätze, da geht es, wie etwa bei Knauff, um die nötige Ruhe und eine sauberere Technik.
Der Trainer glaubt an das Potenzial der Mannschaft und baut auf Lerneffekte. „Wir wissen, dass wir viele Dinge gut können, aber auch, was wir noch besser machen müssen.“ Eine Partie wie jene in Leipzig, sagte er, sei „sehr wichtig für unsere Entwicklung“. Denn die Chance auf die Champions League ist in dieser Saison vorhanden – einen baldigen Turnaround vorausgesetzt.