Eintracht und die Leiden der Instinktfußballer

18.09.2024

Eintracht-Profi Mario Götze kommt auswärts noch nicht so in Fahrt wie gewünscht – Can Uzun bisher gar nicht.

Die erste Trainingseinheit der Woche ließ Mario Götze vorsichtshalber sausen. Die Adduktoren zwicken, da ist es besser, kein Risiko einzugehen. Wegen leichter Leistenbeschwerden musste der 32-jährige Eintracht-Profi schon am Samstag beim 2:1-Erfolg in Wolfsburg zur Pause ausgewechselt werden. Gleichwohl: Auch seine Leistung war nicht so, dass er zwingend hätte auf dem Feld bleiben müssen.

Ob das nun an ihm lag oder an der doch sehr undankbaren Position im rechten Mittelfeld, sei mal dahingestellt. Fakt ist: In der Anfangsphase der Partie fand der Ex-Nationalspieler gar nicht statt, er wirkte verloren, ohne Bindung. Gefühlt hatte er nach zehn Minuten die Kugel noch nicht einmal berührt. Nach 45 Minuten zählten die Statistiker 14 Ballkontakte, das ist, nun ja, nicht besonders viel. Und gerade ein Spieler seiner Klasse sollte deutlich mehr ins Spiel eingebunden sein, sonst kann er seine Stärken gar nicht einsetzen. Erst im zweiten Abschnitt des ersten Durchgangs kam Götze besser ins Spiel – genau wie die gesamte Mannschaft. Eine taktische Umstellung von Trainer Dino Toppmöller nach 20 Minuten brachte die Wende. Für Götze war dennoch Schluss.

Offensichtlich ist, dass Coach Toppmöller für den Instinktfußballer – zumindest in den Auswärtspartien – noch nicht die richtige Position gefunden hat. Götze schuftet zwar unermüdlich und schließt viele Lücken, „er ist ein spielintelligenter Spieler“, wie Spordirektor Timmo Hardung lobt, einer, der auf dem Feld Dinge erkennt, die nicht alle sehen. Daher sei sein Einfluss auch in höchstem Maße bedeutend. „Er ist ein total wichtiger Spieler in unserem System.“ Und doch: Der Offensivmann ist ja eigentlich kein Löcherstopfer und Abräumer, der defensiv glänzen soll; er sollte mit seinen kreativen Fähigkeiten den Unterschied in der Offensive machen, die beiden Topstürmer Hugo Ekitiké und Omar Marmoush einsetzen. Doch bisher ist er – außer im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim – viel zu weit weg von den gefährlichen Räumen, kann seine außergewöhnliche Gabe nur selten einbringen.

Vielleicht mal auf der Zehn?

Vielleicht wäre es sinnvoll, Mario Götze zentral offensiv aufzubieten, auf der Zehnerposition, oder zumindest auf einer Halbposition, die ihn nicht so sehr an den Flügel bindet. So oder so: Der Routinier stellt sich stets in den Dienst der Mannschaft, arbeitet viel nach hinten, führt Zweikämpfe und läuft sehr viel. Vom Ball ist er sowieso nur unheimlich schwer zu trennen – wenn er ihn denn mal hat. Das alles weiß Dino Toppmöller zu schätzen, hebt es häufiger lobend hervor. Er müsste aber für Mario Götze eine Rolle finden, die ihn zu einer Schlüsselfigur werden lässt. Gar nicht so leicht.

Für Götze kam in Wolfsburg übrigens Fares Chaibi ins Spiel – und nicht etwa Can Uzun, der dieses Profil auch ausfüllt. Das hat seine Gründe. Uzun, noch so ein Instinktfußballer, ist zwar als Zweitliga-Senkrechtstarter nach Frankfurt gekommen, war bisher aber gar kein Faktor. Im Pokal in Braunschweig durfte er vier Minuten mittun, in Dortmund 14, gegen Hoffenheim elf und in Wolfsburg blieb er ganz draußen. Der türkische Nationalspieler, der auch in den beiden jüngsten Länderspielen keine Minute spielte, hat sich das sehr wahrscheinlich anders vorgestellt.

Was auffällt, und weshalb die Spielzeit bisher äußerst begrenzt ausfällt: Der 18-Jährige hat noch erhebliche Defizite in der Rückwärtsbewegung, sein Verhalten im Anlaufen und Nachsetzen ist ganz gewiss nicht so, wie es auf diesem Level sein müsste. Und einen Spieler, der sich nicht zu 100 Prozent an die taktischen Vorgaben hält oder sie, aus welchen Gründen auch immer, (noch) nicht umsetzen kann, kann sich eine funktionierende Einheit auf diesem Niveau nicht erlauben.

Die Verantwortlichen würden das öffentlich so nicht formulieren, sie schützen den Spieler aus nachvollziehbaren Gründen. Und sehr wahrscheinlich ist es eben auch einfach so, dass ein begnadeter Offensivspieler, der sich in seinem gesamten Fußballerleben bisher auf sein Talent verlassen konnte, weil das ausreichte und ihn zu einem besseren Spieler machte als viele andere, einfach ein bisschen Zeit braucht, um sich anzupassen und das abzuliefern, was gefordert ist.

Erste Liga ist was anderes

„Wir sind Mitte September, wir sind im Plan“, führt denn auch Sportdirektor Hardung aus und wirbt um Verständnis. „Er hat viel Potenzial. Aber er kommt aus der zweiten Liga. Ich weiß nicht, wie viele Spieler aus der zweiten Liga sofort bei einem Bundesligisten unseres Kalibers in der Startformation stehen und Woche für Woche die Bundesliga auseinanderschrauben.“

Auf jeden Fall aber sehe man, dass „er diese Möglichkeit in sich trägt“. An der Sportführung und dem Trainerteam liege es nun, ihm „Ruhe und Geduld zu geben“. Uzun selbst aber solle „ungeduldig bleiben, er muss mehr wollen, er muss Ehrgeiz haben und aufs Feld wollen – sonst bin ich kein Leistungsfußballer.“ Was nicht passieren dürfe: „Dass er anfängt, zu hadern.“ Davon sei er aber weit entfernt. „Er hat Selbstvertrauen, und das wird er auch auf die Platte bringen. Er wird sich dahin entwickeln.“

Viele Spieler haben in der Tat eine ganze Weile gebraucht, ehe sie zündeten, und von den Fähigkeiten des Deutsch-Türken ist Trainer Toppmöller überzeugt: „Er hat eine unfassbar hohe Qualität im Abschluss. Wenn er eine Chance hat, macht er sie normalerweise auch rein. Wir werden noch viel Freude an ihm haben.“ Die Frage ist nur, wann.