Als die beiden Nachbarn aus Frankfurt und Mainz letztmalig aufeinandertrafen, im Januar dieses Jahres, war es der einstige WM-Held von Rio, der den Unterschied machte in diesem Duell, das an Eintönigkeit, Langweile und Tristesse nur schwerlich zu überbieten war. Mario Götze, hart an der Abseitsgrenze, köpfte den flippernden Ball im Nachfassen hinein ins Mainzer Netz, 1:0 tief in der zweiten Hälfte, der goldene Treffer. Es war ein lupenreines Murmeltor, reingewürgt, irgendwie. Und es war sinnbildlich für dieses Fußballspiel, das hart an der Grenze zur Unerträglichkeit wandelte.
Was glücklicherweise in der Analyse auch jeder freimütig einräumte. „Wir sind der glückliche Sieger, das war ein Zufallstor, irgendwie bezeichnend“, sagte Trainer Dino Toppmöller, schob aber trotzig nach: „Wir nehmen die drei Punkte mit. Wir müssen uns für diesen Sieg nicht entschuldigen.“, Für eine nachhaltig bessere Stimmung sorgte aber der Erfolg nicht, die Atmosphäre im Stadtwald blieb in der verhunzten Rückrunde frostig.
Heute, fast ein Jahr später, hat sich einiges gedreht. Nicht nur bei der Eintracht, die zwar nicht ihre beste Phase hat, aber von Rang drei grüßt. Sondern auch in Mainz. Die Rheinhessen lagen damals schwer angeknockt am Boden, der ratlose Trainer Jan Siewert konnte kein Feuer entfachen, zwölf Punkte hatten sie nach 19 Partien, nur einen mehr als Darmstadt 98 ganz am Ende des Tableaus. Die Mainzer schienen dem Abstieg geweiht. Doch dann holten sie diesen etwas anderen Trainer, Bo Henriksen, den Einpeitscher mit den geballten Fäusten. Und der Langhaar-Däne schaffte nicht nur die Rettung, sondern führte die Nullfünfer jetzt sachte und stetig nach oben, vier der letzten fünf Spiele haben sie gewonnen, letzte Woche die Bayern zermürbt, und wenn sie auch in Frankfurt dreifach punkten, wären sie bis auf zwei Zähler an die Eintracht herangerückt.
Das schien vor einigen Wochen noch undenkbar, vor einigen Wochen war aber auch die Stimmung rund ums Waldstadion eine ganz andere, da ging alles von alleine, es flutschte, alles klappte, alles lief, wahrscheinlich hätte Coach Toppmöller auch Zeugwart Franco Lionti aufstellen können, die gute Seele hätte bestimmt auch irgendwann mal das Siegtor geschossen. Die Eintracht galt gar einige Zeit als Bayern-Jäger, manch einer tuschelte von der Meisterschaft. Intern blieben die Macher aber kritisch, warnten vor allzu großer Sorglosigkeit und generellem Übermut. Mit einigem Recht.
Inzwischen hat sich die Leichtigkeit des Seins verflüchtigt, drei der letzten vier Spiele hat die Eintracht verloren. Alles ist schwer und anstrengend geworden. „Körperliche Müdigkeit ist kein Thema bei uns“, sagt Sportdirektor Timmo Hardung. „Es ist eher die mentale Komponente.“ Die macht sich in allen Mannschaftsteilen bemerkbar, hinten häufen sich die Aussetzer und vorne ist das Unberechenbare und das Zügellose ein bisschen verschütt gegangen.
Auffällig auch, dass die beiden Topstürmer Omar Marmoush und Hugo Ekitiké nicht mehr gemeinsam an ihr absolutes Toplimit kommen. Bei der 0:3-Schlappe im Pokal in Leipzig, dem Beginn des Abwärtsstrudels, standen beide neben den Schuhen, gegen Augsburg spielte Ekitiké gut (und traf zur Führung), da erwischte aber Omar Marmoush einen schwarzen Tag. In Lyon wurde der Ägypter geschont, knipste aber als Joker, und jetzt in Leipzig zeigte sich zwar Topscorer Marmoush stark verbessert, doch Kollege Ekitiké hätte man da schon fast als Totalausfall abstempeln können. Immerhin kommt Can Uzun besser ins Rollen, bereitete zweimal hintereinander Tore vor, sehr sehenswert. „Alle profitieren voneinander“, sagt Trainer Toppmöller. „Wenn alle auf einem Toplevel sind, ist es schwieriger, die Jungs zu verteidigen.“ Es bleibt dabei: Die Eintracht ist auf ihre Stürmer in Bestform angewiesen. Zumal die Konkurrenz nicht schläft, sich intensiv damit beschäftigt, die Angriffe der Eintracht zu entschlüsseln und Strategien zu entwerfen, um ihre Wirkung einzudämmen. Die Stürmer werden nicht selten gedoppelt, der Platz verdichtet, um die Tiefenläufe zu verhindern. Und auch ein hartes, körperbetontes Einsteigen ist vermehrt zu beobachten, beide werden gezogen und geklammert, oft genug wird das nicht geahndet. „Omar ist gefühlt 25-mal gefoult worden“, klagte Toppmöller nach der 1:2-Niederlage in Leipzig.
Für die Eintracht steht also ein bisschen was auf dem Spiel am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen die Mainzer, die in einer halben Stunde über die A60 rübergefahren sind nach Frankfurt. Es geht darum, das bisher so herausragend gute Halbjahr zu krönen – und mit einem guten Gefühl in die Pause zu gehen. „Das würde uns allen gut tun“, befindet Hardung. Wird nicht leicht gegen die Nullfünfer, die mit breiter Brust und dem gegenteiligen Lauf in das Rhein-Main-Duell gehen.
Für die Eintracht wird es nicht um einen Schönheitspreis gehen, sondern darum, mit größtem Willen und der absoluten Bereitschaft dieses Spiel zu ziehen – egal, wie. „Wir wollen unbedingt zeigen, dass wir uns entwickeln und lernen können“, sagt Hardung, der eine knifflige Aufgabe erwartet. „Es wird kein perfektes Spiel werden, aber wir wollen über uns hinauswachsen und über die Grenze drübergehen.“ Wird vermutlich auch nötig sein.