Im Tunnel zum alten Ich

13.10.2024

Eintracht-Spielerin Sophia Kleinherne will sich in Zukunft weniger Druck machen.

Sophia Kleinherne liebt diese Bühne: das „sympathische“ Stadion am Brentanobad, das die Frankfurter Fans meist sehr gut füllen, wenn die Eintracht-Fußballerinnen dort auflaufen. An diesem Montag (18 Uhr) soll die Kulisse den Hessinnen unter Flutlicht dabei helfen, an die jüngsten Bundesligaerfolge gegen Wolfsburg und in Essen anzuknüpfen und auch den SC Freiburg zu dominieren. Mit einem Sieg gegen die Breisgauerinnen, die mit zehn Punkten aus fünf Spielen stark in die Spielzeit gestartet sind, würden die Gastgeberinnen nach der Niederlage des FC Bayern München in Wolfsburg sogar an die Tabellenspitze springen.

Dass der neue Bundestrainer Christian Wück diesmal auf der Tribüne sitzen soll, davon will Kleinherne sich nicht ablenken lassen. Die 24-Jährige konzentriert sich zu 100 Prozent auf den „Prozess“, in dem sie sich eigenen Aussagen nach befindet. „Ich will wieder zu der Spielerin werden, die ich mal war“, sagt die Abwehrspezialistin.

Nicht mal auf Abruf

2019 hatte das Talent aus dem nordrhein-westfälischen Telgte in der Nationalmannschaft debütiert, stand bei einem mit 2:1 gewonnenen Freundschaftsspiel gegen England vor mehr als 70 000 Zuschauenden im legendären Wembley-Stadion die ganze Zeit über auf dem Platz. 2022 feierte Kleinherne bei der Europameisterschaft auf der Insel ihren ersten Treffer für die A-Auswahl und die Silbermedaille mit dem Team. Bei der Weltmeisterschaft 2023 in Australien blieb sie aber ohne Einsatz, und für die Olympischen Spiele in Paris wurde sie nicht mal auf Abruf nominiert.

Rückschläge wie diese, aber auch das frühe Aus der Eintracht in der Champions-League-Qualifikation in diesem Jahr hinterlassen Spuren. „Da passiert viel im Kopf“, sagt Kleinherne. Sobald es nicht mehr nur aufwärts und geradeaus geht, fange man an zu grübeln. Die Unbeschwertheit früherer Tage ist verloren gegangen, „ich muss zu mir selbst zurückfinden“, zur früheren Einstellung und Mentalität, „zu meinem Selbstverständnis, Fußball zu spielen“.

Auch in dieser Saison habe sie „durchwachsene Leistungen“ gezeigt, sich in den vergangenen beiden Partien aber stabilisiert, analysiert die kritische Kickerin. „Mein Ziel ist es, konstant zu sein“, die Häufigkeit der Fehler zu reduzieren, die eigenen Stärken besser auf den Platz zu bringen. Dass die Eintracht-Stammkraft während der Vorbereitung, als ein Großteil ihrer Teamkolleginnen in Frankreich weilte, noch mehr Verantwortung als sonst übernahm, habe ihr gut getan. „Alle Leistungssportler müssen solche schwierigen Phasen durchmachen“, sagt Kleinherne. Aber sie befinde sich „auf einem guten Weg zurück“.

Ihre Chancen, wieder für die Nationalmannschaft auflaufen zu dürfen, stehen nach dem Rücktritt von Marina Hegering und dem Kreuzbandriss von Bibiane Schulze Solano bestens. Zudem ist Kleinherne mit ihrer als gesetzt geltenden Eintracht-Kollegin Sara Doorsoun eingespielt. Sie könnte also schon zum Länderspiel am 25. Oktober gegen England und damit auch ins Wembley-Stadion zurückkehren. Doch die Sportlerin selbst will nicht nachrücken, weil andere nicht mehr da oder verletzt sind. Sie will überzeugen und sich so die Berufung verdienen.

Familie gibt Halt

In den schweren Zeiten gaben vor allem Familie und Freunde Halt. „Ich mache mir oft zu viel Druck in solchen Situationen, weil ich es so sehr möchte“, sagt Kleinherne. Dem Umfeld gelinge es dann, sie aus dem Tief herauszuholen, ihr andere Denkweisen zu vermitteln.

Für Ablenkung sorgt auch das Studium: Von Sportmanagement ist sie kürzlich zu Sportwissenschaften gewechselt. Im Fernstudium war diese Orientierung zu Training und Praxis lange nicht möglich. Nun paukt Kleinherne manches Mal im Café zusammen mit den drei Teamkolleginnen, die in die gleiche Richtung gehen: Anna Aehling, Carlotta Wamser und Lisanne Gräwe.

Mit den Erkenntnissen das Profidasein außerhalb des Platzes zu optimieren, das erscheint ihr nicht notwendig. Sie investiere schon so viel. „Ich muss einfach bei mir bleiben“, sagt Kleinherne, „und nicht nach rechts oder links schauen.“ Auch dann nicht, wenn sie irgendwo aus den Augenwinkeln den Bundestrainer sieht.