K.o. für die Eintracht in einer Minute

25.08.2024

Eintracht Frankfurt verkauft sich zum Auftakt bei Borussia Dortmund teuer, muss aber eine Niederlage hinnehmen, weil Fares Chaibi einen Hochkaräter vergibt. Die Analyse.

Zuweilen sind es die trockenen Botschaften, die ein Fußballspiel auf einen kleinen Nenner zusammenschnurren lassen. Eintracht-Verteidiger Robin Koch versuchte sich nach der 0:2 (0:0)-Niederlage zum Bundesligaauftakt in Dortmund erst gar nicht als tiefgehender Erklärer, sondern beschrieb sehr einfach, weshalb die eine Mannschaft das Spiel gewonnen und die andere es verloren hat, obwohl die Kräfteverhältnisse nicht so eindeutig waren und das Ganze auch andersherum hätte ausgehen können. Theoretisch halt. Also sprach der deutsche Nationalspieler: „Wenn du ihn vorne nicht machst, bekommst du ihn hinten rein.“ Nachschub: „So ist das eben. So ist Fußball.“

Robin Koch meinte natürlich zwei Szenen aus der 71. und 72. Minute, die der Frankfurter Cheftrainer Dino Toppmöller mit Fug und Recht als „Schlüsselsituationen“ bezeichnete. Erst diese: Der eingewechselte Eintracht-Verteidiger Niels Nkounkou hatte beim Stand von 0:0 eine scharfe Flanke vors Dortmunder Tor gebracht, Fares Chaibi sich in der Mitte wegschleichen können – nur um die Kugel dann aus drei, vier Metern am leeren Tor vorbei zu schießen. Okay, der Ball war nicht ganz so leicht zu verwerten, wie es zunächst aussah. „Kein Vorwurf an Fares“, sagte denn auch Mitspieler Mario Götze. „Den musst du technisch sehr sauber treffen, da er etwas hoch springt.“

Aber, auch das gehört zur Wahrheit: Auf diesem Niveau und gegen einen solchen Gegner muss eine solche Chance eben vollendet werden, um etwas mitzunehmen. Sonst geht der Schuss nach hinten los. Es war auch eine typische Szene für Fares Chaibi, dem oft genug die letzte Entschlossenheit fehlt. Denn in diese Flanke hätte er sich einfach mit irgendeinem Körperteil reinwerfen können, der Ball wäre mit ziemlicher Sicherheit im BVB-Gehäuse eingeschlagen. „Wenn wir das Tor machen, gewinnen wir das Spiel“, bemerkte Mario Götze, der im Eintracht-Spiel in den Halbräumen irgendwie verloren geht. Doch der Konjunktiv schießt nun mal keine Tore.

Und so nahm das Unheil, Szene zwei, seinen Lauf. Exakt im Gegenzug tanzte der famose Dortmunder Einwechselspieler Jamie Gittens den ansonsten guten Rasmus Kristensen aus und vollendete mit einem Sonntagsschuss zum 1:0 – auch weil Ellyes Skhiri entgegen allen Absprachen und fußballerischen Gesetzen nicht die Innenbahn zumachte, sondern einfach zusah, wie Gittens „ein Traumtor“ erzielen konnte, wie Toppmöller neidlos anerkannte. Der Anfang vom Ende für die Eintracht.

„Diese eine Minute hat das Spiel entschieden“, resümierte Sportvorstand Markus Krösche treffend. „So viele Chancen bekommst du in Dortmund nicht. Es geht um Kleinigkeiten in diesen Spielen.“ Und die ließen das Pendel zugunsten des BVB ausschlagen.

Genau das ist der Unterschied zwischen einer Mannschaft, die um die Champions-League-Plätze und vielleicht sogar um die deutsche Meisterschaft mitspielen wird und einem Team, das sich genau in der Range dahinter befindet. Genauso wie die Eintracht ihre individuelle Überlegenheit im Pokalspiel in Braunschweig gewinnbringend zum 4:1-Sieg einsetzte, machte es nun der BVB. So läuft das, schöne Grüße an Robin Koch, eben im Fußball. Nicht immer, aber oft genug.

Das alles bedeutet jedoch nicht, dass die Eintracht im Fußballtempel zu Dortmund enttäuscht hätte, ganz im Gegenteil. Gerade die erste halbe Stunde spielte sie hervorragend, hinten stand sie stabil und aufmerksam, und nach vorne setzte sie immer wieder Nadelstiche – zumeist über den trickreichen Stürmer Hugo Ekitiké. Das sah richtig erwachsen aus, klug, auch nach einer klaren Idee und einer Handschrift von Trainer Toppmöller. Die Folge: 6:0 Ecken nach einer halben Stunde. Allerdings verpufften alle, wie fast immer, ertragslos im Nichts.

Allerdings haben die Frankfurter auch ein Manko aus der alten mit in die neue Saison genommen: die fehlende Cleverness, die Kaltschnäuzigkeit. Oft genug treffen die Spieler in vielversprechenden Situationen die falschen Entscheidungen. „Der letzte Punch hat uns gefehlt“, monierte Toppmöller. Kein neues Thema.

Der Fußballlehrer durfte mit seinem Ensemble aber insgesamt zufrieden sein. Das Resultat sei „sehr, sehr bitter“, weil seine Mannschaft, zumindest im ersten Abschnitt, ein „sehr, sehr gutes“ Spiel gemacht habe, die Niederlage fühle sich „nicht ganz so verdient an“. Unverdient war der Dortmunder Sieg aber trotzdem nicht. Gerade aufgrund der zweiten Hälfte, in der die Eintracht zu passiv wurde und sich zu sehr einschnüren ließ. „Letztlich hatten wir zu wenig Ballbesitz, um hier zu gewinnen“, urteilte der Ex-Dortmunder Götze. Korrekt.

Seinem Trainer war es indes ein dringendes Bedürfnis, die Sinne zu schärfen und sich von der ansprechenden Leistung nicht einlullen zu lassen. „Ich will nicht, dass wir uns auf die Schulter klopfen und sagen: ,Es war ja ganz gut.‘“ Man wolle sehr wohl den Finger in die Wunde legen. „Denn wir spielen Fußball, um Spiele zu gewinnen.“ Nächste Chance: am Samstag zu Hause gegen die TSG Hoffenheim.

Einer wird dann nicht mehr dabei sein: Faride Alidou, ohnehin auf dem Abstellgleis geparkt, schließt sich zunächst für ein Jahr auf Leihbasis dem Serie-A-Klub Hellas Verona an. Anschließend besitzen die Italiener eine Kaufoption in Höhe von vier Millionen Euro. Das wäre für die Eintracht nahe am idealen Geschäft. Dem Offensivspieler wird gehobenes Bundesliganiveau nicht zugetraut.

Und auch bei Eric Dina Ebimbe könnte es zu einer Veränderung kommen. Der Franzosen, obzwar hoch veranlagt, hat es in Dortmund nicht in den Kader geschafft. „Es geht um Trainingsleistung“, erklärte Sportchef Krösche profan. Die soll ausgesprochen mies gewesen sein. Toppmöller ist nicht mehr gewillt, den extravaganten und zu einer gewissen Lässigkeit in der Berufsauffassung neigenden Spieler gewähren zu lassen. Er greift durch. Bis Freitag könnte Ebimbe den Klub noch verlassen. Die Eintracht würde ihm – bei einer entsprechenden Entschädigungssumme - keine Steine in den Weg legen.