Vielleicht war es dieser eine erste verblüffend lange Spurt an der Außenlinie, der hängen geblieben ist, an allen Gegenspielern vorbei und nochmal den Ball vorgelegt und nochmal vorbeigekommen, übers halbe Feld. Ein Raunen rauschte da von der Gegentribüne unüberhörbar durchs Stadion, schwoll mehr und mehr an, bis es sich zu einem langanhaltenden Beifall fügte. Und viele, auch professionelle Beobachter, schauten da ungläubig ein bisschen genauer auf den Aufstellungsbogen: Wer war das doch gleich, Rückennummer 34, Rastazöpfchen, rechter Verteidiger? Seine Name: Pharell Nnamdi Collins.
Nagelsmann hat ihn im Blick
Es lässt sich ziemlich genau bestimmen, wann dieser Nnamdi Collins, 20 Jahre erst jung, den Sprung ins Rampenlicht schaffte, 30. Oktober 2024, Pokalspiel gegen Borussia Mönchengladbach. Eintracht Frankfurt hatte nach einem Handspiel und anschließendem Platzverweis von Arthur Theate nur noch zehn Mann auf dem Platz, als Trainer Dino Toppmöller den jungen Collins mutig in diese Partie beorderte.
Eine Variante, die durchaus risikobehaftet war, denn der Mann mit nigerianischen Wurzeln hatte bislang auf die Erfahrung von exakt zwei kurzen Bundesligaeinsätzen in der Saison zuvor zurückblicken können und auf eine Minute am zweiten Spieltag. Aber dieser Jungspund hielt seine Seite sicher, marschierte selbstbewusst nach vorne, streute noch ein paar ähnliche Sprints ein, bereitete gar den Siegtreffer vor, machte ein richtig gutes, weil erwachsenes Spiel – und ist seitdem eine feste Größe im Frankfurter Ensemble. In den nächsten Partien in Bundesliga und Europapokal stand der Teenager in der Startformation, natürlich hat er auch davon profitiert, dass Platzhirsch Rasmus Kristensen verletzungshalber ausgefallen war. Aber diese Chance hatte Collins erst einmal eindrucksvoll beim Schopfe gepackt.
Dieser Tage nun hat ihm Eintracht Frankfurt einen neuen Vertrag vorlegt, er hat unterzeichnet. Das neue Arbeitspapier, finanziell aufgebessert, ist nun bis 2030 (statt 2028) datiert. Man weiß in Frankfurt, was man an dem aufstrebenden Defensiven hat. Er sei „ein sehr gutes Beispiel dafür, wie zuverlässig es uns mittlerweile als Verein gelingt, jungen Talenten einen klaren Entwicklungsplan aufzuzeigen und diesen in die Tat umzusetzen“, lobte Sportdirektor Timmo Hardung, sich, den Klub und den Jungprofi ein bisschen. Diese erstaunliche Entwicklung hat man auch bei Collins altem Klub registriert, allerdings eher mit einem weinenden Auge: Bei Borussia Dortmund ist der gebürtige Düsseldorfer ausgebildet worden, er spielte sieben Jahre für den BVB, wechselte aber zur Saison 2023/24 (für eine Million Euro) nach Frankfurt – der besseren Perspektiven wegen. Jetzt trauert man ihm beim BVB angesichts eigener Defensivprobleme ein wenig nach. Zumal sein sportlicher Reifeprozess noch nicht abgeschlossen ist. In ihm, sagt Hardung, „schlummert weiteres Potenzial“.
Und Collins ist gewillt zu lernen, er hat sich peu a peu verbessert, hat seine Leistung auf diesem hohen Niveau stabilisiert. Im ersten Jahr bei der Eintracht kam er, bis auf zweimal, über Einsätze in der Regionalligamannschaft nicht hinaus. Zeitweise liebäugelte er da sogar mit einem Wechsel (nach Nürnberg). Erst seit dieser Sommervorbereitung 2024 zählt er fest zum Aufgebot von Trainer Toppmöller. Insgesamt kommt Collins, den der Coach schon mal als „kleine Maschine“ adelt, in der laufenden Spielzeit wettbewerbsübergreifend auf elf Partien, davon sieben in der Startelf. Im November, wenige Tage nach seinem prima Spiel gegen Gladbach, wurde Collins außerdem erstmals in die deutsche U21-Nationalmannschaft berufen, zweimal stand er da in der Startelf. Und jetzt, so pfeifen es die Spatzen von allen möglichen Dächern, soll sein Name längst im Notizbüchlein von DFB-Trainer Julian Nagelsmann stehen. Denn glücklicherweise waren bei seinem bockstarken Auftritt gegen Gladbach auch hochrangige Späher des DFB im Frankfurter Stadien und haben wohlwollend registriert, was Collins auf dem Rasen zeigte.
Van Dijk als Vorbild
Aber natürlich wachsen auch beim Jungprofi, der den Liverpooler Verteidiger Virgil van Dijk als großes Vorbild bezeichnet, die Bäume nicht in den Himmel. Zuletzt hatte Nnamdi Collins schon seine Grenzen aufgezeigt bekommen, etwa von Antonio Nusa im Pokalspiel gegen RB Leipzig (0:3) oder auch vom ein Jahr jüngeren belgischen Auswahlspieler Malick Fofana in der Partie bei Olympique Lyon (2:3). Da geriet der Hochtalentierte zuweilen ganz schön ins Schwimmen.
Aber auch so etwas gehört dazu, es wird Rückschläge geben. Aber Nnamdi Collins wird das wegstecken. Er ist ja ohnehin keiner, wie er selbst sagt, der sich sonderlich viele Gedanken macht. Er wolle einfach nur Spaß haben. So sei er zuletzt stets in die Spiele gegangen, Angst vor großen Namen kennt er nicht. Nicht die verkehrteste Einstellung.