Offenbach – Er ist in nahezu jedem Training dabei, bei jedem Spiel sitzt er auf der Bank. Sein Wort hat Gewicht in der Mannschaft. Klar, er ist ja auch der Kapitän des Fußball-Regionalligisten Kickers Offenbach. Ein Gütesiegel, das einen großen Makel hat: Denn Maximilian Rossmann ist ein Kapitän ohne sportlichen Einfluss, zwangsweise ohne jede Einsatzminute. Der 29-Jährige ringt seit jenem verhängnisvollen 26. August 2023 um die Fortsetzung seiner Karriere. Der Innenverteidiger war elf Minuten vor Schluss beim 2:1-Erfolg bei 1899 Hoffenheim II nach einem Luftduell so unglücklich aufgekommen, dass er sich dabei die Achillessehne riss. Eine Horrorverletzung für Fußballer, härter als ein Kreuzbandriss, weil es eben eine Sehne und kein Band ist, die heilen muss, schreibt op-online.de .
OFC-Kapitän Maximilian Rossmann kämpft um Rückkehr auf den Platz
„Ich dachte damals: Jetzt hat es mich halt mal erwischt“, erinnert sich der gebürtige Halberstädter, der einst bei Eintracht Braunschweig, später beim VfL Wolfsburg das Fußball spielen lernte und auf seinen Stationen bei Alemannia Aachen, FSV Mainz 05 II, Sportfreunde Lotte, Heracles Almelo (1. Liga Holland) und Viktoria Köln lange Zeit von schweren Verletzungen verschont geblieben war. 14 Monate später aber ist aus dem Optimismus „maximale Ernüchterung“ geworden.
Nach der Operation und der erfolgreich abgeschlossenen Reha in Köln hatte Rossmann im Sommer auf den Platz zurückkehren wollen. Das aber funktionierte nicht. Ein Erguss im Fuß verhindert das bis heute. „Von Laufschuh zu Fußballschuh war ein riesiger Schritt“, sagt er: „Die Versuche auf dem Platz waren nie konstant gut.“ Die Ärzte stehen vor einem Rätsel. „Ich habe 9,5 von 10 Methoden der Reha hinter mir“, erklärt er. Sein letzter Strohhalm ist eine Strahlentherapie. Ein Heilungserfolg? Völlig offen.
„Ich versuche alles, um wieder auf den Platz zurückzukehren“, betont er: „Aber ich bin kein Träumer.“ Längst hat sich der Mann, der sich in 23 Pflichtspielen für die Kickers ein bemerkenswertes Standing erarbeitet hat , mit dem Gedanken befasst, dass seine Karriere enden könnte: „Wenn dir das Wichtigste im Leben genommen wird, kann das keiner nachempfinden.“ Rossmann, der aktuell in Rumpenheim eine Basisschulung für seine erste Trainerlizenz absolviert, weiß, dass der Faktor Zeit mittlerweile der größte Feind der eigenen Zukunft ist. Maximal eineinhalb Jahre zahlt die Berufsgenossenschaft nach einer solch schweren Verletzung. Dann steht eine Prognose an, die im schlimmsten Fall Invalidität heißen könnte. „Es ist physisch schon nicht ganz einfach, aber psychisch kann keiner erahnen, was es bedeutet, wenn dir das genommen wird, wofür du seit frühester Jugend so gebrannt hast“, sagt der beinharte Verteidiger, der seine Worte mit ganz feinen Antennen auswählt und offen einräumt, dass er sich professionelle psychologische Hilfe genommen hat. „Ich muss mich dafür nicht schämen“, sagt er: „Als Fußballer musst du immer stark sein, immer der Geilste, der immer cool bleibt und alles unter Kontrolle hat – aber das ist Quatsch.“ Vielmehr ist er überzeugt, dass vielen Profis derartige Unterstützung guttun würde. „Als Fußballprofi bist du gläsern, du stehst immer im Fokus.“ Und wer damit nicht klarkomme, der bekomme schnell zu hören, warum er denn jammere. Er verdiene schließlich viel Geld und spiele „nur“ Fußball.
Fazit über die Zukunft in der Winterpause
Noch hofft Rossmann, dass die Schmerzen im Fuß nachlassen, die Bewegungen flüssiger werden, eine Rückkehr auf den Platz doch noch möglich ist. In der Winterpause wird er mit den Verantwortlichen beim OFC ein richtungsweisendes Fazit ziehen. Bis dahin aber wird er weiterhin in fast jedem Training dabei sein, sein Aufbautraining fortsetzen, seinen Aufgaben als Kapitän nachkommen. Rossmann hat längst ein ganz intensives Verhältnis zu seinem Arbeitgeber, zu dem er am 5. September 2022 kam. „Ich bin in einer wilden Zeit zum OFC gekommen, aber der Klub hat mir immer sehr viel gegeben“, sagt er.
Die Entwicklung in dieser Saison hin zu einem Topteam, das als aktuell Tabellenzweiter Hoffnungen auf eine bessere Zukunft zum Leben erweckt hat, erfüllt ihn mit großer Freude. „Aber es ist eine andere Freude als wenn du selbst gespielt hättest“, hat er registriert: „Dieses Gefühl, 90 Minuten mit den Jungs Seite an Seite auf dem Platz gestanden zu haben, ehe du mit den Fans feierst und nachher ein Bierchen trinkst – das fehlt.“ Dieses wieder und wieder bestätigte Gefühl, dass sich die Mühen, seit frühester Jugend auf die Karte Fußball gesetzt zu haben, gelohnt haben.
„Ich brenne für den Fußball“, sagt der so bemerkenswert gegen den Fußballer-Mainstream gebürstete Profi, der von sich selbst sagt, dass er nach Partien im Fernsehen meist abschaltet, wenn die Interviews mit Spielern kommen, weil er die Phrasen nicht erträgt. „Wenn ich etwas zu sagen habe, sage ich das auch“, ist seit jeher sein Motto.
Und so darf man ihm abnehmen, wenn er sagt, dass er beim OFC eine Heimat gefunden hat. Der neue Weg des Klubs imponiert ihm. „Es hat ein Umdenken stattgefunden. Ich bin ein großer Befürworter, dass man eine Saison wie die vergangene durchsteht und nicht wieder alles umwirft. Das war ein riesengroßer Schritt.“ Rossmann gefällt die Arbeit der sportlich Verantwortlichen: „Ich halte sehr viel von Christian Neidhart und Christian Hock.“ Trainer wie Geschäftsführer haben seiner Ansicht nach einen großen Anteil am Umkehrschub beim OFC. „Wir haben uns sportlich auf jeden Fall verbessert, wir haben neue Charaktere, die Kaderzusammenstellung ist nahezu perfekt.“ Und Rossmann, der Kapitän im Schwebezustand, trägt seinen Teil dazu bei. Er ist bei fast jedem Training dabei, bei so gut wie jedem Spiel. Er nimmt sich Mitspieler zur Seite, motiviert sie, nordet sie ein, falls nötig.
Umgekehrt spürt er dieses Vertrauen auch in besonderer Weise. Etwa, als er erneut zum Kapitän bestimmt wurde. Aber auch in den Gesprächen mit Hock („Er ist quasi Leidensgenosse, musste seine Karriere wegen dieser Verletzung beenden“) und Neidhart. „Wir stehen ihm stets zur Seite“, betont Hock.
Der OFC, das darf man diesem authentischen Typen abnehmen, ist ihm ans Herz gewachsen. Spätestens, als Hock bei seiner Installation als Geschäftsführer Rossmanns Wunsch nach einem Wechsel zum SSV Ulm 1846 ablehnte. „Er sagte zu mir: Das geht nicht, du sollst hier Kapitän werden“, erinnert sich Rossmann. Einen Moment, den der auf dem Feld so unerbittliche, aber abseits so empfindsame Verteidiger nicht vergessen hat. „Ich möchte unbedingt bei diesem Verein bleiben“, sagt er heute. Im Klub denken die Entscheidungsträger ähnlich. „Der OFC hat mir eine Umschulung angeboten“, freut sich Rossmann. Vieles scheint denkbar, auch eine Zeit als Praktikant oder Trainee auf der Geschäftsstelle, während der er sich orientieren kann, wo er sich künftig sieht. „Ich brenne weiter für den Fußball“, sagt Rossmann. Noch brennt er vor allem darauf, wieder auf den Platz zurückkehren zu können.
Zur Person Geboren am: 6. Mai 1995 in Halberstadt Vereine: Eintracht Braunschweig, HSC Leu Braunschweig, VfL Wolfsburg (alle Jugend), VfL Wolfsburg II, Alemannia Aachen, FSV Mainz 05 II, SF Lotte, Heracles Almelo, Viktoria Köln, Kickers Offenbach Einsätze: 95 Drittligaspiele, 37 Partien in der Holländischen Eredivisie, 21 Spiele in der Regionalliga Südwest, 15 in der Regionalliga Nord Erfolge: Deutscher A-Juniorenmeister (2013), Meister Regionalliga Nord (2016), Mittelrhein-Pokalsieger (2021, 2022), Hessenpokalsieger (2024)