Sportpolitische Herausforderungen: Braucht der Fußball mehr Mut?

28.11.2024

Peter Fischer, Ex-Präsident von Eintracht Frankfurt, steht für klare Worte und Zivilcourage. Seine Haltung wirft für Kolumnist Harald Lange Fragen auf: Braucht der Fußball mehr solcher Stimmen? Oder sollte der Sport politisch neutral bleiben?

Mit Blick auf die zuweilen lähmende sportpolitische Sprachlosigkeit in den Dingen, die das Werteempfinden von Fußballern und Fans stören und herausfordern, tut es gut, jemanden wie Peter Fischer, dem langjährigen Präsidenten von Eintracht Frankfurt, zu folgen. Er ist bekannt für klare Kante und scheint unbeirrbar, wenn es darum geht, die eigene Meinung öffentlich zu vertreten. Selbst oder gerade dann, wenn es unbequem wird und juristische Nachspiele zu erwarten sind.

Sportpolitische Herausforderungen: Braucht der Fußball mehr Mut?

Im Februar dieses Jahres hatte Fischer in einer TV Sendung bei RTL in Köln AfD-Wähler als Nationalsozialisten bezeichnet und in durchaus bildlicher Sprache gesagt: „Gebt ihnen Ohrfeigen, kotzt ihnen ins Gesicht. Die müssen sich bewusst werden - das ist nicht nur ein Kreuz. Damit bist du Nationalsozialist, nix anderes.“ Er bringt damit das auf den Punkt, was viele Menschen nur im Geheimen denken und sich nicht getrauen, auszusprechen. Aus gutem Grund, denn diese Äußerung brachte Fischer insgesamt 65 Strafanzeigen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Köln ein.

Anfang der Woche wurde bekannt, dass die Staatsanwälte aus dem Rheinland nach Prüfung des Falles nicht gegen Fischer ermitteln. Fischers hart formulierte AfD-Schelte ist vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Die Juristen entschieden damit gegen die empörten AfDler, die hier einen Aufruf zu einer Straftat gesehen hatten. Der Hessische Rundfunk berichtet in dieser Sache folgendes: „Fischer habe offenkundig übertrieben und sich bildhaft ausgedrückt. (…) Im Sinne einer emotionalen Fundamentalkritik an der AfD sei das erlaubt.“ Die Verwendung des Begriffes „Nationalsozialist“ sei in diesem Kontext keine Beleidigung, sondern gegenüber der AfD zulässig. Schlicht deshalb, weil diese Einordnung auf Tatsachen basiere.

Der Fall ist wegen der gegebenen Wortwahl grenzwertig. Vermutlich hat die Staatsanwaltschaft auch deshalb so lange gebraucht, um in der Sache zu einer Entscheidung zu kommen. Peter Fischer steht nun abermals als mutiger Mahner in der Auseinandersetzung mit der AfD da und hebt sich in seinem Klartext von vielen Politikern ab. Die werden seine Worte im anstehenden Wahlkampf dankbar aufnehmen. Genauso wie vor sechs Jahren, als Peter Fischer öffentlich erklärt hatte: „Wer die AfD wähle, könne kein Mitglied von Eintracht Frankfurt sein“. Applaudiert haben seither viele. Angeschlossen haben sich hingegen nur wenige. Für den Fußball stellt sich die Frage, ob wir mit Blick auf die anstehenden sportpolitischen Herausforderungen nicht auch mehr Mut, Zivilcourage und bildhafte, emotionale Sprache vertragen können?

Demnächst steht die Vergabe der WM nach Saudi Arabien an und die versammelten Top-Funktionäre aus der Fußballwelt werden die Sache – ohne jedes kritische Wort – brav abnicken. Aber auch auf nationaler Ebene wären bei vielen Themen klare Worte hilfreich. Wie steht es um das Equal Pay für Nationalspielerinnen und Nationalspieler? Wer ist bereit, dem Abwerben und Handel mit minderjährigen Fußballtalenten einen Riegel vorzuschieben? Wer stellt sich vor Fußballfans, wenn sie durch die Politik pauschal als Sicherheitsproblem des deutschen Sports stigmatisiert werden? Wer – außer Peter Fischer – unter den deutschen Fußballfunktionären ist auch rhetorisch dazu in der Lage, in seinen Formulierungen bis ganz nahe an die Grenzen des Erlaubten heranzugehen und seine Gegenspieler sowie die Opportunisten herauszufordern? In anderen Worten: Wer schafft es, gesellschaftliche Debatten anzustoßen und in Schwung zu halten, ohne die Grenzen des Erlaubten und Fairen zu überschreiten?

Aber auch das muss diskutiert werden: Wollen wir sowas überhaupt im Fußball? Oder wäre es besser, wenn man sich rundum das Spiel sowohl in sport- wie auch allgemeinen politischen Dingen lieber raus-, oder zumindest deutlich zurückhält? Wie politisch ist der Sport? Wie politisch soll er sein? Begnügen wir uns mit seichter Symbolpolitik oder brauchen wir Funktionäre, die sich trauen auch mal dorthin zu gehen, wo es wehtun könnte?