Den Jungen könnte auch Julian Nagelsmann schon mal in seine Excel-Datei potenzieller Nationalspieler aufnehmen. Sein Name: Tim Drexler, TSG Hoffenheim, Innenverteidiger, 1,86 Meter groß, 19 Jahre alt. Eigenschaften: schnell, sehr cool am Ball, gute Vororientierung, stark im Passspiel, kompromisslos im Zweikampf, heimatverbunden, tief gläubig. „Mir gibt der Glaube sehr viel Kraft, ich versuche, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen“, sagte der Teenager im Interview mit dem TSG-Journal „Spielfeld“.
Für Drexler, der unweit von Hoffenheim aufgewachsen ist, noch zu Hause bei seinen Eltern wohnt und seit seinem elften Lebensjahr für die TSG spielt, schließt sich am Samstag beim Spiel in Frankfurt ein Kreis: Das Eigengewächs debütierte im März just im Waldstadion bei der Hoffenheimer 1:3-Niederlage gegen die Eintracht. Er machte seinen Job derart gut, dass Trainer Pellegrino Matarazzo ihn seitdem regelmäßig in der Startelf aufbietet, auch beim Saisonauftakt gegen Holstein Kiel (3:2) war das so.
Der neulich nach 14 Jahren im Verein kühl geschasste Ex-Sportchef Alexander Rosen hatte die gelungenen Auftritte des U19-Nationalspielers in einen neuen Vertrag münden lassen. Drexler ist bis 2028 an die TSG gebunden. Zur Belohnung bekommt er nicht nur viel mehr Geld überwiesen, sondern auch die Rückennummer 4.
Rosen erinnerte deshalb daran, dass in der Bundesliga nur Mathys Tel vom FC Bayern als Spieler des Jahrgangs 2005 auf mehr Einsatzminuten in der Bundesliga gekommen ist als Drexler. Er traut dem Eigengewächs „eine tragende Rolle“ zu.
Man wird nun genau hingucken müssen, was jetzt passiert. Die Hoffenheimer haben unter Rosens Interims-Nachfolger Frank Kramer im Handumdrehen ein halbes Dutzend neuer Spieler erworben, unter anderem den tschechischen Innenverteidiger Robin Hranac für acht Millionen Euro. Zudem hat Matarazzo Mittelfeldspieler Anton Stach zum Abwehrchef umgeschult und attestierte dem Ex-Mainzer dort gegen Kiel in einigen Aktionen „Weltklasse“. Auch Drexler, so sein Trainer, habe es „richtig gut gemacht“. Grundsätzlich wolle er das Team „sich organisch entwickeln lassen“.
Das lässt viele Interpretationen zu. Wird Drexler womöglich jetzt zurück ins zweite Glied verschoben? Für seine Entwicklung wäre das sicherlich wenig förderlich. Andererseits: Die Kraichgauer agieren in der Regel mit einer Dreierkette. Aufgrund der Qualifikation für die Europa League dürfte Matarazzo zudem regelmäßig rotieren. Es könnte sich also oftmals ein Plätzchen für Drexler in der Startelf finden lassen.
Das Hoffenheimer Umfeld bietet traditionell gute Entwicklungschancen für Jungprofis aus dem eigenen Stall. Drexler ist zuzutrauen, dass er eine ähnlich bemerkenswerte Karriere schafft wie Niklas Süle, der gerade mal 18 Jahre alt war, als er 2013 mitten im Abstiegskampf für die TSG debütierte.
Um besser zu werden, hat sich Tim Drexler, dessen Schwester Lisa ebenfalls jahrelang für die TSG Hoffenheim spielte, nach seinen ersten Spielen vor den Bildschirm gehockt und seine Leistung noch einmal genau inspiziert. „Diese Ritual hilft mir, mich am selben Abend noch mal mit meiner Leistung auseinanderzusetzen.“ Da nimmt einer seinen Job offenbar sehr ernst.
Unruhige Mitgliederversammlung Ex-Manager Alexander Rosen blickt „mit Sorge“ auf die aktuellen Entwicklungen bei der TSG Hoffenheim. Nach seinem Rauswurf war ein offener Streit zwischen dem Verein und der Fanszene ausgebrochen. Beim Bundesliga-Auftakt gegen Holstein Kiel hatten Anhänger der Südkurve mit ihren Ultra-Gruppierungen gegen die Vereinspolitik protestiert und der Mannschaft ihre Unterstützung verweigert. Bei der Mitgliederversammlung der TSG am kommenden Montag wird ein neuer Präsident gewählt. Bisher einziger namentlich genannter Kandidat ist der Sinsheimer Oberbürgermeister Jörg Albrecht, der dem Lager von Mäzen Dietmar Hopp zugerechnet wird. Nach Informationen verschiedener Medien erwägt auch eine Hopp-kritische Person aus der Ultra-Szene, sich für den Posten zu bewerben. Ihre Chancen sind gering. FR