Zehn Minuten vor Beendigung der feurigen Partie an der aufgeladenen Alten Försterei hisste Eintracht-Trainer Dino Toppmöller zwar nicht die weiße Fahne, er gab aber das klare Signal zum geordneten Rückzug. Mit zwei Wechseln hielt er seine Mannschaft dazu an, ab sofort doch bitte schön das 1:1 über die Zeit zu schaukeln.
Dazu beorderte der Chefcoach den Ausnahmekönner Omar Marmoush sowie den offensiven Flügelspieler Ansgar Knauff vom Feld und schickte den baumlangen Verteidiger Aurele Amenda und den gelernten Außenverteidiger Nathaniel Brown hinauf. Ungewöhnlich für Toppmöller, doch man konnte den defensiven Tausch durchaus verstehen, kurz zuvor war Abwehrmann Arthur Theate durch eine mehr als fragwürdige Gelb-Rote Karte vom Platz geflogen. Und da die Eintracht offensiv ohnehin kaum mehr stattfand, war Toppmöllers Schachzug nachvollziehbar.
Hätte nur nichts gebracht, wenn die Hacke von Christopher Trimmel in der Nachspielzeit nicht ein paar Millimeter in die verbotene Zone gelugt hätte. Andernfalls wäre die Eintracht in Berlin doch noch umgegangen, das vermeintliche Siegtor der Berliner von Tim Skarke kassierte der VAR aber. Abseits. Da hat die Eintracht Dusel gehabt.
Nach dem Remis in Köpenick lobten die Verantwortlichen dennoch die „geile Mentalität“, wie Toppmöller die gesamte Haltung zum Spiel bezeichnete, „wir haben großartig verteidigt.“ In der Tat warfen die Frankfurter alles hinein, was noch in ihnen steckte nach einer anstrengenden Woche. Zur Wahrheit gehört auch, dass sie nach einer überlegen und erwachsen geführten ersten halben Stunde die Partie aus der Hand gaben. Mehr noch: Im zweiten Abschnitt ließen sie sich von den Eisernen den Schneid abkaufen.
Kaum ein brauchbarer Angriff war mehr zu erkennen, der Ball war zu schnell weg, gerade im Mittelfeld schafften es die Spieler nicht mehr, für Ruhe und Entlastung zu sorgen. Ein Phänomen, was nun schon häufiger zu beobachten war: Der Eintracht gelingt es zu selten, ihr Niveau über die gesamte Spielzeit hinweg zu halten. Aber sie wirkt dennoch, wie Kapitän Kevin Trapp anmerkt, „sehr stabil“.
Und es gibt kaum Anzeichen dafür, dass die Mannschaft nun in eine Abwärtsspirale rutschen oder gar einbrechen würde, dafür wirkt sie zu resistent und hat bei einem schweren Auftaktprogramm schon zu viele Punkte gesammelt. Dennoch ist die Situation jetzt durchaus knifflig, der erste kleine Durchhänger droht, und die Pokalpartie am Mittwoch (18 Uhr/Sky) gegen Borussia Mönchengladbach bietet sehr wohl Stolper-Potenzial. Vordergründig scheint das ja ein gutes Los, eine machbare Aufgabe zu Hause, zumal die Eintracht in der Liga unlängst mit 2:0 gewann. Aber die Partie war keineswegs so klar, wie es das Resultat vermuten lässt.
Und: Der Eintracht-Flow ist verflogen, genauso wie das Leichte und Beschwingte. Alles wirkt nun doch hart erzwungen, durchaus schwergängig. Das ist vielleicht normal, weil die Mannschaft doch stark beansprucht ist, mental wie physisch. Und ein spielerisches Feuerwerk ist bei den wiedererstarkten und extrem unangenehm zu bespielenden Unionern ja auch eher nicht zu erwarten, da ist es schon eine Leistung, einen Punkt festzuhalten, auch noch in Unterzahl. Schwer zu bezwingen ist die Eintracht allemal.
„Wir wussten, was hier passiert“, sagte Torwart Trapp. „Wir hatten über 90 Minuten kaum Räume, der Gegner hat uns eins gegen eins überall auf dem Platz angelaufen. Man hatte wenig Zeit zur Entscheidungsfindung.“ Ein Punkt, ja, ist schon okay.
Zumal die Eintracht nun auch noch zwei Leistungsträger ersetzen muss, einen länger, den anderen nur kurzzeitig. Arthur Theate wird nach seiner Ampelkarte für die Heimpartie in der Bundesliga gegen Bochum fehlen. Die Eintracht hat zwar Protest gegen die Hinausstellung eingelegt, weil der Belgier vorher selbst gefoult worden war. Die Chancen sind aber vergleichsweise gering. Theate aber wird am Mittwoch gegen Mönchengladbach dabei sein, und gegen den VfL Bochum am Samstag sollte es auch mal ohne den so starken Verteidiger gehen.
Bei Rasmus Kristensen sieht das anders aus, er wird sicher einige Wochen auf Eis liegen, hat sich eine strukturelle Muskelverletzung im Oberschenkel zugezogen. Toppmöller ärgert sich ob dieses Ausfalls – und auch über sich selbst. „Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, ihn nicht von Anfang spielen zu lassen, weil er alle Spiele gemacht hat. Das würde ich im Nachhinein gerne anders machen.“ Geht aber nicht mehr. So wird nun entweder Eric Dina Ebimbe oder der Brasilianer Tuta hinten rechts aushelfen müssen.
Der Abnutzungskampf in der Hauptstadt hat noch andere Erkenntnis zu Tage gefördert. Zum Beispiel, ganz frappierend, die Abhängigkeit von den Topstürmern Omar Marmoush und Hugo Ekitiké. Das ist zwar keine Überraschung. Fiel aber umso mehr auf, weil die Berliner es als erstes Team überhaupt geschafft haben, das furiose Duo aus dem Spiel zu nehmen. Komplett. Marmoush kam nur in homöopathischen Dosen zum Zug, Ekitiké überhaupt nicht. Die Eintracht ist aber zwingend auf Topleistungen ihrer Topangreifer angewiesen. Sie garantieren nicht nur Spektakel, sondern auch harte Punkte. Ob Union nun die Blaupause für andere Gegner ist oder beide einfach nur einen schwarzen Tag erwischten, was man ihnen ja zugestehen muss? Man wird sehen.
Von den anderen Offensivspielern kommt bisher zu wenig Gefährliches. Das gilt für Igor Matanovic wie für Ansgar Knauff oder Fares Chaibi, der sogar mit einem fahrlässigen Ballverlust den Ausgleich verschuldete. Da musste es in Berlin Routinier Mario Götze richten, der in seinem 300. Bundesligaspiel zur Führung traf. Allerdings war es auch für den 32-Jährigen erst der erste Saisontreffer. Ausgangspunkt war ein Eckball, die Standards kommen deutlich besser als in der Vorsaison. Immerhin.
Und es wird sich weisen, wie gut der zweite Anzug wirklich sitzt, wenn im Spätherbst noch mehr Verletzungen und Sperren drohen oder Formschwankungen hinzukommen. Die in Berlin zwecks Remis-Sicherung eingewechselten Amenda und Brown hinterließen jedenfalls keinen wirklich guten Eindruck.