Eintracht Frankfurt fliegt der Spitze entgegen
Völlig schwerelos: Omar Marmoush (links), Hugo Ekitike, Ellyes Skhiri und Ansgar Knauff feiern mit den Fans den Sieg in Stuttgart. © dpa
Vielleicht wäre die dramatische Bundesligapartie in Bad Cannstatt doch noch komplett auf links gedreht worden, was ja so auch schon fast passiert wäre, wenn der Frankfurter Flügelstürmer Ansgar Knauff eine gute Viertelstunde vor Schluss nicht im eigenen Fünfer eine spektakuläre Rettungstat hingelegt hätte. 3:0 stand es da für die Eintracht, ein eigentlich beruhigender Vorsprung, doch nicht so am Sonntag in Stuttgart, wo der VfB immer weiter marschierte, Druck machte, presste, die Hessen in ihrer eigenen Hälfte zusammenschnürte.
Kevin Trapp hatte schon ein paar Mal hervorragend gehalten oder auch das Aluminium geholfen, und dann war dann plötzlich der aufgerückte VfB-Hüne Jeff Chabot frei im Eintracht-Strafraum, zog ab, Torwart Trapp war definitiv geschlagen, doch dann zuckte das rechte Bein von Ansgar Knauff nach oben, lenkte den Ball doch noch über den Querbalken. Knauff plusterte sich auf, ballte die Fäuste, und die Kollegen gratulierten ihm reihenweise, so, als habe er auf der anderen Seite das entscheidende Tor gemacht. Eines davon hatte er zuvor zumindest erstklassig vorbereitet. Und dann diese Tat ganz hinten auf der Linie, die die Kollegen ausflippen ließ. Bezeichnend, symbolisch für den Geist im Team.
Auch durch Knauffs Rettungsakt mogelte die Eintracht den Sieg über die Zeit, obwohl sie noch maximal zittern musste, und binnen weniger Minuten einen Drei-Tore-Vorsprung fast aus der Hand gegeben hätte. Doch Chris Führichs Ausgleichstor in der 97. Minute zählte nicht, er stand ein paar Zentimeter im Abseits. Eine Szene analog zu der Partie bei Union Berlin, auch da retteten ein paar Millimeter die Eintracht vor dem Niederschlag in letzter Minute. So aber reüssierten die Frankfurter mit 3:2 in einem wahren Fußball-Drama. „Das war ein richtungsweisendes Spiel“, sagte Sportvorstand Markus Krösche am Montag, schließlich zählt er den VfB zu den besten Mannschaften Deutschlands. „Das war ein besonderes Spiel, turbulent und emotional.“ Und mit einem Happy End, das auch psychologisch nicht zu unterschätzen ist. Das Herschenken eines 3:0-Vorsprungs hätte schon einen gewaltigen Nackenschlag bedeutet.
So haben die Frankfurter Rang drei in der Bundesliga zementiert, 20 Punkte zusammengeklaubt – mehr waren es zuletzt vor mehr als 30 Jahren, Chefcoach damals: Klaus Toppmöller, der Papa des aktuelles Trainers Dino. Hinzu kommt: Achtelfinale im DFB-Pokal, Rang vier und zehn Punkte in der Europa League. Nicht schlecht. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte Sportboss Krösche. „Vor der Saison hätten wir das unterschrieben.“
Der Manager mahnte aber Bescheidenheit an, kein Spiel werde „ein Selbstläufer, wir sollten beide Beine auf dem Boden halten.“ Natürlich weckt ein solcher Saisonstart Erwartungen, zumal etwa Borussia Dortmund als ein Großkaliber merklich schwächelt. Doch auch da bremst Krösche. Die Topklubs seien von den Rahmenbedingungen her „meilenweit“ weg, nichtsdestotrotz wolle man da sein, wenn mal einer wankt. „Unser Ziel ist, uns in den Top fünf, Top sechs zu etablieren, aber dazu müssen wir es über die gesamte Saison hinweg durchziehen.“ Das ist der Eintracht in den vergangenen Jahren nur allzu selten gelungen. Aber diese Saison scheint ja vieles anders zu sein.
So haben die Frankfurter offenbar eine enge Bande mit Fortuna geknüpft, selbst Krösche räumt unumwunden ein, „Matchglück“ gehabt zu haben. Dino Toppmöller nennt es „das Momentum, das wir uns aber verdient haben.“ Das ist richtig.
Die Eintracht hat einen fast schon beängstigenden Lauf, alles gelingt, alle Fallstricke werden umdribbelt; Können paart sich mit günstigen Fügungen, hinten hält erst Ersatztorwart Kaua Santos herausragend, jetzt wieder Kapitän Kevin Trapp. Und die Qualität gerade in der Offensive ist ungeheuerlich hoch. Omar Marmoush und Hugo Ekitiké, die Zauberlehrlinge, rocken die gesamte Liga, sie sind nicht zu stoppen. Sie machen das Team zu etwas Besonderem.
„Manchmal muss man sich kneifen und sagen: ,Okay, läuft bei ihm’“, sagt Krösche über Marmoush. Er ist zum größten Teil auch für die Kaltschnäuzigkeit verantwortlich, die Eintracht braucht nur fünf Torschüsse für einen Treffer, in Stuttgart noch weniger, da reichten deren fünf für drei Tore. „Wir haben eine hohe Effizienz“, sagt Krösche, doch diese sagt auch etwas über die Qualität der Torchancen aus. Die hat sich erhöht, auch beim Herausspielen von guten Gelegenheiten liegen die Frankfurter in der Spitzengruppe. „Das war das Manko in der letzten Saison.“ Und auch der opulente „Ballbesitz in ungefährlichen Zonen“ ist passé. „Wir schaffen es, gezielter nach vorne zu kommen, haben mehr Tiefgang und Mut.“ Und eben Ekitiké und Marmoush. Einen Verkauf jetzt im Winter, auch von Topscorer Marmoush, schließt Krösche aus. „Wir haben einen spannenden Kader mit viel Potenzial, den wollen wir bis zum Sommer zusammenhalten. Im Winter werden wir nichts machen.“ Weder auf der Zugangs- noch auf der Abgabeseite. „Wir haben unsere sportlichen Ziele, die wollen wir erreichen.“
Dazu wird das Team im Laufe der Runde mehr Ballbesitzphasen haben müssen, um mehr Kontrolle ins Spiel zu bringen. Genau das ist der Grund, weshalb bestimmte Gegner (Union, Prag, Stuttgart) mit einer bestimmten Systematik im Laufe des Spiels immer dominanter werden. Irgendwann wird das, anders als in Berlin und Stuttgart, sicher mal bestraft. „Wir brauchen mehr Ruhe im Spiel, müssen auch im Pressing des Gegners einen besseren Spielaufbau haben“, befindet Krösche. „Da haben wir unsere Probleme.“ Das gelte auch bei defensiven Standards. Das ist richtig, und generell ist es ratsam, die Mannschaft scharf zu halten und sich nicht einlullen zu lassen. Doch irgendwie ist es auch: Meckern auf ziemlich hohem Niveau.