Kein Zuckerschlecken: Eine Auswärtsfahrt mit der SG Barockstadt

25. März 2023, 08:00 Uhr

Barockstadts Torwart Tobias Wolf (links) und Kapitän Patrick Schaaf chillen nach dem Frühstück noch einmal im Bett, bevor es in die Videoanalyse ging. © Johannes Götze

Auswärtsspiele der SG Barockstadt sind ein Kraftakt. Wir waren in Bahlingen dabei und berichten von den Herausforderungen.

Maximilian Hainer ist erst 21 Jahre jung – und doch wirkt er verdammt erwachsen. So als könne ihn kein Wässerchen trüben, rein gar nichts aus der Ruhe bringen. Nicht einmal die Tatsache, dass der Fahrer des Minis vor der Hoteltür unauffindbar ist. Dort soll gleich der Mannschaftsbus der SG Barockstadt halten und den Spielern ein möglichst angenehmes Einchecken in den Landgasthof Lamm zu Bahlingen ermöglichen. Hainer hatte extra Bescheid gegeben, dass in der engen Gasse ein Parkplatz für den Mannschaftsbus reserviert ist, doch ein einheimischer Autofahrer hat diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung gemacht. Hainer kundschaftet stattdessen die nähere Umgebung aus, wird 200 Meter weiter am Bahnhof fündig. Der Busfahrer hält also nur kurz, lässt die Spieler vor dem Landgasthof aussteigen und sucht sich anschließend seinen Stellplatz. 

Hainer hatte die komplette Fahrt organisiert. Den Bus bestellt, den Landgasthof gebucht, für Essen auf Hin- und Heimfahrt gesorgt. Er selbst steuerte das Vorausfahrzeug, in dem auch Manager Sebastian Möller und ausnahmsweise ich Platz nahmen. Der Sprinter war bis unters Dach gefüllt. Mit Trikots, Massagebank, Wasserkästen, Bällen, Nahrungsergänzungsmitteln, Obst und Süßigkeiten. Hainer ist neben Möller der einzige hauptamtliche Mitarbeiter der SG Barockstadt. „Und, ganz ehrlich, ich könnte noch zwei einstellen, es würde keinem langweilig werden“, sagt Möller. Das Spektrum von Hainers Aufgaben ist vielschichtig: Ticketshop, Pressearbeit, Social Media, Betreuer, Mitgliederverwaltung und zuständig für alle technischen Aufgaben. Teammanager heißt seine offizielle Positionsbeschreibung. Möller nennt ihn lieber den „Tausendsassa des Vereins“. Den er unbedingt als rechte Hand einstellen wollte, und dies im vergangenen Jahr tat. Auch, weil Hainer vor Energie strotzt und permanent eine positive Ausstrahlung an den Tag legt.

SG Barockstadt: Eine Auswärtsreise auf einen Blick

Freitag, 16.30 Uhr: Treffpunkt der Spieler zum Abschlusstraining in Fulda. Gleichzeitig bricht das Vorwegfahrzeug in Richtung Bahlingen auf.   Freitag, 18 Uhr: Der Barockstadt-Bus macht sich auf den Weg. Die Spieler essen im Bus zu Abend. Freitag, 22.30 Uhr: Ankunft der Mannschaft in Bahlingen. Die Spieler beziehen ihre Zimmer in einem Landgasthof. Samstag, 7.30 bis 10 Uhr: Freiwilliges Frühstück im für den Verein reservierten Bereich. Physiotherapeut Michael Franz behandelt parallel Spieler. Samstag, 10 Uhr: Videoanalyse des Gegners durch Barockstadt-Trainer Sedat Gören. Samstag, 11 Uhr: Gemeinsames Mittagessen mit Rind, Fisch, Nudeln, Reis und Gemüse. Samstag, 12.20 Uhr: Abfahrt ins Stadion im Mannschaftsbus. Danach Teambesprechung und Spiel.  Samstag, 16.30 Uhr: Abfahrt in Richtung Fulda. Essen wird im Bus gereicht. Samstag, 21 Uhr: Ankunft der Mannschaft in Fulda.

Selbst wenn die Suche nach dem Mini-Fahrer scheitert, dafür aber das erste Cola-Weizen in der Hotelbar mundet. Dort schauten nach der Ankunft des Busses um kurz nach 22.30 Uhr gar noch Teile des Trainerstabs und Kevin Hillmann vorbei. Hillmann war trotz Gelbsperre mit nach Bahlingen gereist, sehr zur Freude von Cheftrainer Sedat Gören, der dies in der Videoanalyse explizit lobte. Nicht selbstverständlich sei es, wenn ein Spieler am vermeintlich freien Wochenende so eine Reise auf sich nähme. Hillmann konnte aber zumindest den Abend vor dem Spiel genießen. Bis weit nach Mitternacht wurde über den Weg der SG Barockstadt diskutiert. Wie wichtig Identifikation, wie wichtig Nachhaltigkeit sei. Hillmann, im Fanblock der Offenbacher Kickers sozialisiert worden, muss es wissen – und will es vorleben.

Als Hillmann und Hainer ihre Zimmer aufsuchten, schlief der restliche Barockstadt-Tross längst. Eine Anreise am Spieltag selbst wäre undenkbar, wie Gören klarstellte: „Wenn du fünf Stunden im Bus gesessen hast, explodieren dir die Oberschenkel, da kannst du nicht bestehen“, sagte er im Zwiegespräch am Frühstückstisch und gab Einblick in den hohen Aufwand, den er genau wie seine Spieler bestreiten müsse. 

Die Spieler und Trainer der SG Barockstadt sind Bankkaufleute, Realschullehrer und Studenten. Noch Schüler, befinden sich in Ausbildung und arbeiten als Zollbeamte. Kurz gesagt: Amateure, die einen immensen Aufwand bestreiten müssen, um den Anforderungen in der Regionalliga Südwest gerecht zu werden. Um mithalten zu können. Um den Verein in einer Liga zu etablieren, in der das Gros der Konkurrenz unter Vollprofibedingungen arbeitet.

Besonders herausfordernd sind Auswärtsfahrten – so wie heute nach Trier. So wie vor zwei Wochen nach Bahlingen. Bis in den Schwarzwald sind es 350 Kilometer. Ein Kraftakt, der zumindest in Bahlingen nicht belohnt worden ist. Die 2:4-Niederlage ließen Manager und Teammanager auf der Rückreise zu einer simplen Analyse kommen: „Scheiß Kaffeefahrt“, urteilten sie unisono. 

Und doch konnte Hainer zufrieden sein. Die Spieler fühlten sich wohl im Landgasthof, waren mit der Verpflegung und dem hergerichteten Teamraum zufrieden. Nur ein paar Spieler klagten über etwas zu kalte Zimmer. Aber fürs Heizungaufdrehen fühlt sich Hainer nun doch noch nicht verantwortlich.