„Weiter als ins Sportlerheim hat es keiner geschafft“ - SGF-Reserve triumphiert

31. Mai 2023, 09:52 Uhr

Spieler und Fans lassen Freiensteinaus Meistertrainer Julian Sill hochleben. © Oliver Müller

Aus dem Herzschlagfinale der B-Liga Schlüchtern ist die SG Freiensteinau II als Meister hervorgegangen. Anstatt im schlimmsten Fall auf den bedeutungslosen dritten Rang zurückzufallen, bezwang die Mannschaft von Trainer Julian Sill den als Aufsteiger bereits feststehenden SV Marjoß im Titelendspiel mit 1:0.

„Die Chance, Meister zu werden, hat man nicht alle Tage. Schade, dass wir das verpasst haben, weil wir heute einfach viel zu harmlos waren. Aber wir sind sehr froh, dass wir endlich aufgestiegen sind“, sagte der Marjosser Vorsitzende Alexander Breitenberger. „Natürlich wäre es schön gewesen, die Saison als Meister zu beenden, aber in Anbetracht der Umstände ist der Aufstieg top“, ergänzte Trainer Andreas Ruppert und spielte darauf an, dass nach Paul Bendisch (16 Tore) auf der Zielgeraden auch noch Jan Breitenberger (29 Tore) ausgefallen war. Den am Sprunggelenk verletzten Breitenberger brachte Ruppert in den letzten zehn Minuten, doch auch dem Sturmtank wollte der Treffer zu Ausgleich und Titelgewinn nicht gelingen. Letztlich hatte der SV Marjoß den von René Bezemer gehüteten Freiensteinauer Kasten in einem „Spiel ohne Torchancen“ (Ruppert) kein einziges Mal in Gefahr bringen können.

Reserve der SG Freiensteinau feiert Meisterschaft

Apropos Sturmproblem: Jan Breitenberger, mit seinen 29 Treffern der zweitbeste Torschütze der Liga, wird seinen Heimatverein erneut verlassen und sich Gruppenligist SG Schlüchtern anschließen. Die Torjägerkrone ging an den Freiensteinauer Thomas Wirsing. Der 43 Jahre alte Haudegen, spielender Co-Trainer der ersten Mannschaft, hatte sich im Gruppenligateam festgespielt, unterstützte am Samstag Julian Sill an der Außenlinie und war für die SGF-Reserve in rekordverdächtig kurzer Zeit zu sagenhaften 31 Treffern gekommen .

Unglücklich gewählt war am Tag des mit Spannung erwarteten – und schließlich tatsächlich einmalig nervenaufreibenden – Bundesligafinales die auf 15.30 Uhr verlegte Anstoßzeit. Geschuldet war dieser Umstand der Verpflichtung von Dominik Papsch als Trauzeuge. Wie der Freiensteinauer Trainer Julian Sill verriet, hätte der Linksaußen bei früherem Spielbeginn den Showdown mit Marjoß verpasst, auch die Hochzeit selbst sei um eine halbe Stunde nach vorne verlegt worden. Die Konsequenz: Außer drei Medienvertretern und Klassenleiter Alfred Lotz dürfte kein weiterer neutraler Zuschauer unter den rund 350 Besuchern gewesen sein. Der stattliche Marjosser Anhang hatte sich auf der Gegengeraden breit gemacht und harrte dort bei sommerlicher Hitze vergeblich einer Getränkeversorgung, während Clubhaus und Balkon fest in Hand der Freiensteinauer Fans waren, die mit einem gemeinsamen Marsch zum Sportplatz , mit Gesang und blau-weißen Nebelkerzen für Stadionatmosphäre sorgten.

SV Marjoß nach Niederschlage im Meisterschafts-Endspiel niedergeschlagen

Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt: In der ersten Hälfte tat sich nichts. Mit dem Spatz in der Hand strebte Marjoß nicht nach der Taube auf dem Dach, und Freiensteinau hatte „einfach nur Angst vor einem Gegentor“, wie Sill einräumte. In der zweiten Halbzeit kam nach Elias Schneiders feinem Heber zum 1:0-Siegtreffer etwas mehr Leben in die Bude. Bester Mann auf dem Platz war bezeichnenderweise Ex-Oberliga-Referee Hans-Jürgen Englert von der Spvgg. 08 Bad Nauheim.

„Die erste Halbzeit war komplett einschläfernd“, gab Sill zu, „aber das 0:0 war natürlich auch ein sehr gefährliches Ergebnis, da haben wir uns einfach nicht mehr getraut. In der Pause habe ich die Mannschaft noch einmal heiß gemacht und gewarnt, dass wir uns von Marjoß nicht einlullen lassen dürfen. Dass das 1:0 dann so früh gefallen ist, hat uns natürlich in die Karten gespielt.“ Nach dem Schlusspfiff gab es freilich kein Halten mehr auf Freiensteinauer Seite, während Alexander Breitenberger die bedröppelt dreinschauende Marjosser Gemeinde erst einmal wieder aufrichten und an den geschafften Aufstieg erinnern musste. „Weiter als ins Sportlerheim hat es am Samstag keiner mehr geschafft“, berichtete Julian Sill am Sonntagmittag vom Meisterfrühstück aus der Stammkneipe „Zum Semmes“.

Trainerdebütant Sill war übrigens im Sommer mit der Vorgabe gestartet, in zwei bis vier Jahren den Aufstieg zu schaffen. „Schön, dass wir das unterboten haben“, lachte der Meistercoach.