Aus vier mach eins: Schreibt Bronnzell ein neues Märchen?

02. Juni 2023, 06:20 Uhr

Zum Zuschauen ist Marco Weiss am Samstag verdammt. Der Kapitän der SG Bronnzell fehlt nach einer Gelb-Roten Karten gesperrt gegen den TSV Wabern, gegen den die Hessenliga-Relegation eingetütet werden soll. © Charlie Rolff

Die Smartphones sind gezückt, 90 Minuten sind noch zu gehen. Der letzte Spieltag in der Verbandsligasaison 2022/2023 (Samstag, 15.30 Uhr) hat schon im Vorfeld dramatische Züge.

Wie steht es bei Bronnzell? Oder Flieden? Oder Kassel ? Oder Bad Soden? Nicht nur das eigene Spiele wird am Samstagnachmittag im Fokus stehen, sondern der Blick wird minütlich in den Torgranate-Liveticker der Kontrahenten gehen. Einzig die SG Bronnzell kann sich im Rennen um den Hessenliga-Relegationsplatz auf sich konzentrieren. Ein Sieg und in der Heppeau kann ein neues Märchen geschrieben werden. Dabei liegt hinter der Elf von Stefan Dresel ein Jahr der Superlative. Erstmalig durfte Bronnzell in der Verbandsliga agieren, erstmalig kam Bronnzell in den Genuss des Hessenpokals . Und nun kann erstmalig Tuchfühlung mit der Hessenliga genommen werden.

Verbandsliga Nord: SG Bronnzell braucht nicht auf andere Plätze zu schauen

Noch vor einem Jahr, bei der Gruppenliga-Meisterschaft, dachte niemand im Verein daran, dass heuer diese Chance bestehen würde. „Gesichertes Mittelfeld“, sagt Kapitän Marco Weiss kurzum auf die Frage, in welcher Region sich das Team vor der Saison einschätzte und führt aus, „dass wir mit den getätigten Verstärkungen schon den Mut hatten, nicht vom Abstiegskampf zu reden“. Mannschaften wie Flieden oder Bad Soden haben laut Weiss ganz andere Möglichkeiten, um erfolgreich Fußball zu spielen. Der Trumpf rund um die Heppeau ist laut dem 30-Jährigen der Zusammenhalt. „Mit diesem konnten wir Spiele selbst gegen große Teams drehen.“

Dass nun Druck auf dem Kessel ist, sieht Weiss nicht so. Zwar gibt es nun keine Ausreden mehr, dass der zweite Platz utopisch erscheint, „jedoch haben wir rein positiven Druck. Angst hat keiner, es ist pure Vorfreude“, sagt der Kapitän, der wohl einer der wenigen Traurigen sein wird. Weiss nämlich ist zum Zuschauen verdammt, sah wie Mittelfeldkollege Kevin Hohmann beim 2:1 gegen Lichtenau am Montag die Gelb-Rote Karte. Das Zustandekommen der Ampelkarte? Strittig. Erst in der 70. Minute eingewechselt, bekam er kurze Zeit darauf den Ball im Strafraum an die Hand und verursachte einen Handelfmeter. Als die Mauer bei einem Freistoß in der Nachspielzeit einen Schritt nach vorne machte, erhielt Weiss die zweite Gelbe Karte. „Die Aussage war, dass ich als Kapitän verantwortlich für die Mauer sei. Ich verstehe es bis heute nicht. Wir werden das im Team aber auffangen“, ist sich der Ur-Bronnzeller sicher.

SG Bronnzell: Kapitän Marco Weiss spielte schon B-Liga bei seinem Heimatverein

Mit seinem Heimatverein spielte er von der B-Liga bis zur Verbandsliga, gegen Hessenligaeinsätze wehrt sich Weiss nicht. „Man möchte immer so hoch wie möglich spielen. Nein sagen würde ich zu einem Aufstieg nicht, aber darüber können wir in ein paar Tagen reden“, blickt der 30-Jährige voraus. Doch zuvor gilt der volle Fokus dem TSV Wabern, der selbst einen Sieg benötigt, um die Chancen auf den Klassenverbleib zu wahren. Und wie unbequem Wabern sein kann, wurde beim 1:5 im Hinspiel deutlich. „Das schlechteste Spiel meiner Laufbahn. Julian Pecks rutscht doppelt am Ball aus, wir legen uns die Dinger selbst rein. Gegen einen Mitaufsteiger war das ernüchternd“, erinnert sich Weiss zurück.

SG Bad Soden denkt nicht einmal mehr an die Relegation zur Hessenliga

Von einer Minichance zu sprechen wäre maximal verrückt, sagt der stellvertretende Vorsitzende Sport der SG Bad Soden , Wladimir Römmich, wenn man ihn auf die noch mögliche Relegation zur Hessenliga anspricht. Vor dem Saisonfinale in Eichenzell glaubt in der Kurstadt selbst der kühnste Optimist nicht mehr daran, dass alle drei davor stehenden Teams in der Verbandsliga Nord am letzten Spieltag patzen. Der Saisonabschluss am Sonntag auf der Bornwiese und vor allem die Planung für die neue Saison sind daher „maximal“ entscheidender für Römmich und Co. Die große Überraschung verrät Römmich vor der Partie in Eichenzell ebenfalls: Es wird keinen Umbruch bei der SG Bad Soden zur neuen Saison hin geben.

Vier, fünf Spieler werden wohl gehen. Mit dem Begriff „gehen müssen“ tut sich Römmich schwer. „Es wird keinen Umbruch geben. Wir werden die Spieler stärken, mit denen wir jetzt durch alle Hochs und Tiefs in der Saison gegangen sind, dazu gibt es natürlich noch die eine oder andere Verstärkung.“ Bis zum Wochenende soll dabei alles klar sein. Marcel Trägler wird nach einem Jahr den Klub wieder verlassen, Fernando Martinez Bizcocho werde erneut von Heimweh geplagt. „Fernando wird jetzt nach Spanien reisen und mit seiner Familie sprechen. Wir würden ihn gerne halten, müssen aber jetzt abwarten“, sagt Römmich. Die Zeichen stehen auch bei Alexander Okyere und Kevin Pezzoni auf Abschied. Allerdings sollen die Spieler selbst entscheiden, inwieweit sie die Kraft und Zeit haben, Bad Soden im neuen Jahr weiterzuhelfen. Ebenfalls gehen wird wohl Marvin Laubach. „Ein sehr guter Spieler“, sagte Trainer Schmidt unlängst. Aber die Leistungsbereitschaft sei nicht immer maximal gewesen.

Laubach wird aufgrund einer Gürtelrose in Eichenzell ebenso nicht dabei sein wie die üblichen Protagonisten Okyere, Noori und Pezzoni. Dass man nur einen Sieg vom Relegationspatz entfernt steht, bedauert Römmich. „Wenn man vorne sein will, muss man auch laufen, beißen und kratzen.“ Das sei nicht in jedem Spiel zu spüren gewesen. Das Wort „Konstanz“ habe in Zukunft auch daher eine hohe Bedeutung. „Wir wollen jetzt in Eichenzell die Saison anständig zu Ende bringen und am Sonntag bei uns Zuhause dann mit allen drei Mannschaften die Saisonabschluss-Feier begehen.“ Danach seien alle gefordert. Römmich selbst, Cheftrainer Lars Schmidt und der neue Sportliche Leiter Daniele Fiorentino werden jetzt schauen, wie man sich weiter „punktuell verstärken kann“.