Blickrichtung Champions League

24. November 2024, 14:28 Uhr

Bejubelt den fünften Heimsieg in Serie: Eintracht-Trainer Dino Toppmöller. imago/Jan Hübner © IMAGO/Jan Huebner

Eintracht Frankfurt sieht sich nach dem 1:0 gegen Bremen nicht als Bayern-Jäger. In der aktuellen Form scheint aber vieles möglich.

Nach den Socken, längst ausgedient, hat sich Dino Toppmöller einen neuen Glücksbringer zugelegt: einen knallroten Pulli. Das hat, oh Wunder, natürlich mit einem gewissen Aberglauben zu tun, der seinen Ursprung in gleich drei Heimspielen gegen Borussia Mönchengladbach hat. In all jenen Partien trug der Eintracht-Trainer ein rotes Oberteil – dreimal siegte die Eintracht. Und obwohl am Samstagabend nicht die Elf vom Niederrhein in Frankfurt gastierte, sondern die Nordlichter vom SV Werder Bremen, entschied sich Toppmöller dazu, seinen roten Gestrickten überzustreifen. Schließlich waren seine Eltern, Mutter Rosi und Vater Klaus, im Stadion, wie gegen Gladbach, und da er selbst seinen 44. Geburtstag feierte, sollte besser nichts schiefgehen. Und, so viel vorneweg: Der Pulli lieferte.

Nach dem knüppelhart erkämpften 1:0 (1:0) über die Gäste von der Weser schmunzelte der Coach eine entsprechende Frage nach dem neuen Glücksbringer locker weg. „Er hat das Potenzial, ihn noch mal anzuziehen“, sagte Toppmöller und fügte lachend an: „Wird aber vorher gewaschen.“ Im Gegensatz zu den Socken, die er stets ungereinigt neu auftrug.

Nun ist der grellrote Pullover ganz sicher der klitzekleinste von vielen Faktoren im großen Frankfurter Erfolgsmodell, weitaus größere Faktoren sind abgerufene Primärtugenden auf dem Feld, eben Aufopferung, Leidenschaft, Mentalität – und fußballerische Klasse. Die Eintracht hat nach elf Spieltagen, das ist fast ein Drittel der Saison, 23 Punkte aufs Konto gehoben, so viele wie nie seit Einführung der Drei-Punkte-Regel, sie hat jetzt fünf Spiele in Serie und fünf Heimspiele hintereinander gewonnen, sie hat sich auf Platz zwei der Tabelle geschoben. Sind die Frankfurter nun also tatsächlich Bayern-Jäger, wie die Öffentlichkeit reflexartig kreischt?

Das wäre nun doch vermessen, nicht nur, weil Ober-Bayer Uli Hoeneß jetzt schon den Titel für seinen Klub reklamierte („Was ich zusagen kann, ist die Deutsche Meisterschaft“), sondern weil die Münchner in ihrer eigenen Liga spielen. Und die Frankfurter gut beraten sind, die aktuelle Platzierung als das zu sehen, was sie ist: eine nette Momentaufnahme. Das sieht auch jeder im Eintracht-Zirkel so. „Es ist schön, dass wir jetzt auf Platz zwei stehen, aber es ist noch früh und nicht wirklich aussagekräftig“, sagte Sportvorstand Markus Krösche, fügte gleichwohl an: „Aber wir haben uns diesen Platz erarbeitet.“ Generell werde man gewiss nicht von der eigentlichen Zielsetzung abrücken, die da lautet: „International spielen“.

International ist auch im Fußball ein weit dehnbarer Begriff, umspannt die ganze Palette von der drittklassigen Conference League bis hin zur royalen Kaste. Und die Champions League scheint für die Frankfurter schon eher ein lohnendes, weil realistisches Ziel zu sein. In der momentanen Verfassung sind sie auf jeden Fall ein Kandidat für einen Startplatz in der Königsklasse. Die Eintracht wirkt stabil und homogen auf allen Ebenen, das fängt auf Führungsebene an, geht weiter über die unaufgeregte Sportliche Leitung und endet beim souveränen Trainer mit seiner Mannschaft. Diese innere Ruhe und Festigkeit sind Indikatoren für eine erfolgreiche Saison – wohin die Reise letztlich führt, ist natürlich noch ungewiss.

Denn: Die Eintracht hatte bisher keine richtige Schwächephase, zurzeit schlägt das Pendel auch in engen Spielen oft in ihre Richtung aus. Das muss man sich erarbeiten und ist bestimmt nicht nur Zufall, doch es kommen erfahrungsgemäß andere Zeiten – und dann zeigt sich, wie stabil das Konstrukt wirklich ist. Zumal die Hessen in den vergangenen Jahren in der zweiten Saisonhälfte nicht selten eine deutlich bessere Platzierung verspielten. Das freilich ist nichts, was Dino Toppmöller jetzt besonders tangieren würde. Der Fußballlehrer bleibt bei sich, tut gut daran, jedes Spiel als neue, separate Aufgabe zu betrachten, ohne das große Ganze aus den Augen zu lassen.

Auch die Partie gegen Werder Bremen zeigte, wie eng es zugeht und wie viel man investieren muss, um Spiele zu gewinnen. „Intensität, Leidenschaft und Power sind die Schlüssel des Erfolges“, findet der Trainer und mahnt Bodenhaftung an: „Wir müssen klar im Kopf bleiben.“ Und realistisch. Das sagt Siegtorschütze Mario Götze. „Es kann alles sehr schnell gehen“, betont der Routinier und pocht auf eine „differenzierte Betrachtung“ der Spiele (siehe auch weiteren Bericht auf der folgenden Seite). Was er meint: Schon einige Male war die Eintracht mit Fortuna im Bunde und hat nicht jeden Gegner in Grund und Boden gespielt.

Gegen Bremen zog sie ein ausgeglichenes Spiel auf ihre Seite, weil sie dieses Mal hervorragend verteidigte. Selbst Zauberstürmer Omar Marmoush verrichtete Kärrnerarbeit, was zulasten des Offensivspektakels ging. Den Trainer aber freut die Selbstlosigkeit des Topstürmers. „Er hat sich in den Dienst der Mannschaft gestellt.“ Auch das führte dazu, dass Kevin Trapp nur einmal ernsthaft eingreifen musste, einen Kopfball von Mitchell Weiser lenkte er über die Latte.

Vorne sind die Hessen mit ihrer individuellen Klasse immer in der Lage, Tore zu erzielen. Wie beim Siegtreffer durch Mario Götze, der durch Arthur Theate, Nathaniel Brown und vor allem Hugo Ekitiké grandios herausgespielt und vom Altmeister perfekt abgeschlossen wurde. „Der eine Top-Moment hat uns gereicht“, sagte Toppmöller, der spürt, dass die Gegner der Eintracht mit einem „gewissen Respekt“ begegnen. Anders lassen sich auch die Worte von Werner-Trainer Ole Werner nicht interpretieren, der sich zwar über das knappe Ergebnis ärgerte, aber weiß: „In Frankfurt ist es wichtig, kein Scheibenschießen zuzulassen.“ Immerhin: Das ist Werder gelungen.

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