Eintracht Frankfurt: Eine Delle, kein großer Schaden
Will man mit dem wirklich Ärger haben? Eintracht-Turbanträger Rasmus Kristensen (re.) knöpft sich Ainsley Maitland-Niles vor. © IMAGO/Jan Huebner
Als dann auch die letzten Sicherungen durchgebrannt waren, Spieler aus Lyon und Frankfurt miteinander rangelten und das gebildete Rudel immer größer wurde, schritt Eintracht-Cheftrainer Dino Toppmöller zur Tat. Nicht etwa, um auch noch mit zu schubsen und zu balgen, sondern um seine Spieler Can Uzun und Omar Marmoush wegzuziehen aus dem ganzen Tumult.
Das ist sehr löblich. Vielleicht hätte er es aber dabei belassen sollen. Doch der 44-Jährige, emotional ebenfalls ganz schön aufgewühlt nach der 2:3 (1:1)-Niederlage in der Europa League bei Olympique, deutete mit dem Zeigefinger in Richtung des lettischen Referees Andris Treimanis und stellte unmissverständlich klar: „Das ist Deine Schuld.“
Der Schiedsrichter, nun auch nicht unbedingt ein Ruhepol auf dem Feld, zückte daraufhin die Rote Karte, weshalb Toppmöller, vorher schon mit Gelb verwarnt, das nächste Europa-League-Spiel am 25. Januar zu Hause gegen Ferencvaros Budapest verpassen wird. Verstehen konnte er die Sanktion nicht, schließlich habe er sich unter Kontrolle gehabt und den Schiedsrichter nicht beschimpft. „Das waren meine Worte, und wenn er meint, das muss er dann dementsprechend mit einer Roten Karte ahnden, ist das für mich lächerlich.“
Toppmöller, und das ist angenehm, stellte keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Leistung des Unparteiischen und der Niederlage her. „Nicht dass es falsch rüberkommt, es lag nicht daran, dass der Schiedsrichter nicht gut war.“ Der Referee habe aber das Spiel „absolut überhaupt nicht mehr im Griff gehabt, er war ihm nicht gewachsen.“ Mit der Karten war der Lette schnell unterwegs, gerade in der hektischen Schlussphase. In den letzten gut 30 Minuten zückte er elfmal Gelb. Muss man auch erst mal schaffen.
Für die Eintracht bleibt von diesem Abend im Südosten Frankreichs aber mehr hängen als Schiri-Ärger, „aus dem Spiel können wir sehr viel lernen“, findet der Fußballlehrer. Denn der Gegner aus Lyon hatte ihr einiges voraus, „sie haben klügere Entscheidungen getroffen, waren technisch besser“, räumte Toppmöller ein. Und auch das noch: „In der Verteidigung waren wir überfordert.“ Und zu fehlerbehaftet.
Stellvertretend dafür steht das zweite Tor für die Platzherren, als erst Rasmus Kristensen schon einen eher suboptimalen Einwurf zu Arthur Theate produzierte und der Belgier sich auch noch leichtfertig den Ball abluchsen ließ, Sekunden später zappelte er im Netz von Kevin Trapp. Auch beim dritten Treffer ließ sich Kristensen austanzen, geholfen hat ihm auch niemand. Symptomatisch ist das auch deshalb, weil gerade diese beiden Zugänge die Mannschaft in punkto Führung und Mentalität weit vorangebracht haben. Wenn jetzt die Säulen wackeln, wird es schwierig, das ganze Gebilde stabil zu halten. Zumal auch Mario Götze und Robin Koch nicht gerade aus einer Hochphase kommen.
Zur Wahrheit gehört auch: Die Eintracht hat von 22 Partien bisher erst vier verloren – aber allesamt gegen Spitzenteams, und dazu ist OL in der Verfassung von Donnerstag gewiss zu zählen. Reicht es für die Eintracht also noch nicht für ganz oben? Das wäre eine kühne These, auch weil diese vier Niederlagen alle in Fremde zustande kamen. Und bis auf die Partie im Pokal in Leipzig waren die Frankfurter nie richtig chancenlos. Auch in Lyon nicht. Klar ist aber auch, dass sich der Flow verflüchtigt hat, das Momentum ist nicht mehr aufseiten der Eintracht. Zwei der letzten drei Spiele hat sie verloren, zwischendrin auch gegen den FC Augsburg nur einen Zähler geholt. Das ist zwar eine Delle im Gesamtkonstrukt und sollte die Sinne schärfen. Aber es ist kein großer Schaden. Es sind all diese Spiele differenziert zu betrachten: gegen Leipzig war es ein totaler Systemausfall, gegen Augsburg viel Pech dabei, und in Lyon trafen die Frankfurter auf eine zügellose Offensive. Also pauschal den Stab übers Team brechen und alles in Bausch und Bogen zu verdammen, wäre nicht angebracht.
Doch natürlich wächst der Druck auf die Mannschaft, den Turnaround zu schaffen. Und es ist kein Geheimnis, dass sich die wahre Stärke eines Ensembles zeigt, wenn die Welt mal nicht rosarot leuchtet. Wie gefestigt eine Mannschaft ist, zeigt sich erst, wenn es Rückschläge gibt, wenn es beschwerlich wird, das Fluffige weg ist, wenn man sich alles erarbeiten und erzwingen muss. Insofern darf man jetzt gespannt sein.
Fußballtaktisch mahnt Toppmöller mehr Ruhe im Spiel mit dem Ball an. Auch deshalb wurde das Eintracht-Spiel dann doch noch mal besser, als in Omar Marmoush und Can Uzun zwei Akteure aufs Feld kamen, die frischen Wind brachten. Uzun ist zudem auch ein technisch beschlagener Fußballer, der prompt die Vorlage zum 2:3 gab – durch Marmoush. Uzun dürfte damit erst einmal Fares Chaibi den Rang abgelaufen haben, der erneute eine Bewährungschance erhielt – und sie erneut nicht nutzte. Das ist schon auffällig.
Und es sollte nicht unterschlagen werden, dass die Mannschaft bis zum Schluss für den Ausgleich kämpfte, sie „eine phantastische Moral“ zeigte, wie Toppmöller sagte, der nicht glaubt, dass seine Truppe körperlich am Anschlag ist. „Ich habe nicht das Gefühl, dass wir auf dem Zahnfleisch gehen, nullkommanull. Ganz im Gegenteil.“
Besser ist das, denn bereits am Sonntag steht der nächste schwere Gang an, erneut nach Leipzig, dorthin, wo der kleine Negativlauf begann. Da steht dann einiges auf dem Spiel, nicht nur Wiedergutmachung und eine gute Reaktion auf das Erlebte, sondern auch der weitere Verlauf der Saison: Mit einem Sieg wäre die Welt wieder in Ordnung, bei einer weiteren Gruselvorstellung würde es dann doch langsam frostig werden im Stadtwald.