Im Maschinenraum von Eintracht Frankfurt
Viel hätte im Sommer dieses Jahres nicht gefehlt und Nnamdi Collins würde jetzt nicht europäisch spielen, sondern im Fußball-Unterhaus unter Miroslav Klose mit dem 1.FC Nürnberg um Zweitligapunkte kämpfen, die den stolzen Club bestenfalls in die Beletage führen sollen. FCN-Sportvorstand Joti Chatzialexiou setzte alles daran, den 20 Jahre alten Verteidiger von Eintracht Frankfurt auszuleihen. Einige Medien berichteten schon von einer Einigung, der bullige Abwehrmann, hieß es, solle schon gar nicht mehr mit der Eintracht ins Trainingslager nach Louisville, Kentucky, reisen.
Nnamdi Collins aber saß sehr wohl in der Maschine gen USA, das Geschäft zerschlug sich, auch wenn sich der Frankfurter Bundesligist und der Spieler selbst tatsächlich mit der Nürnberg-Option beschäftigt hatten. Doch nach reiflicher Überlegung habe man „gemeinsam“ entschieden, dass Collins seine Chance in Frankfurt suchen soll, wie Sportvorstand Markus Krösche dieser Tage erzählte. Das war, wie Cheftrainer Dino Toppmöller flankierend anmerkte, „eine goldrichtige Entscheidung“. Kann man so sagen.
Brown trifft auf in der U21
Dabei startete der Modellathlet nicht von Null auf 100 durch, obwohl er laut Markus Krösche eine „sehr gute Vorbereitung“ hinlegte und „immer nah dran war an der Startelf“. Er musste sich gedulden, anderen den Vorrang lassen, sein Problem war auch: Es wurde einfach kein Platz für ihn frei. Erst als sich Rasmus Kristensen verletzte und dann im Pokalspiel gegen Mönchengladbach Arthur Theate vom Platz flog, schlug seine Stunde – in den drei Bundesligaspielen zuvor hatte er es gar nicht in den Kader geschafft. Und dann startete der gelernte Innenverteidiger auf der rechten Außenbahn fast schon ungeheuerlich durch, zeigte eine famose Leistung, auch in den nachfolgenden Partien gegen Bochum und Slavia Prag spielte er ganz hervorragend, einzig vor acht Tagen hatte er gegen den quirligen Stuttgarter Chris Führich ein paar Problemchen.
Doch insgesamt ist seine Entwicklung atemberaubend, der Bursche hat Power und Wucht, Tempo und Dynamik. Auch technisch hat er im Vergleich zu seinen Anfangstagen in Frankfurt deutlich zugelegt. „Nnamdi ist eine kleine Maschine“, sagt Trainer Toppmöller. Der Spieler selbst ist natürlich absolut glücklich, wie es läuft. „Ich bin drangeblieben. Ich habe im Training Gas gegeben und wusste immer, woran ich bin“, sagte er im DFB-Interview. „Ich war mental ready und habe jetzt ordentliche Spiele gemacht.“ Das ist untertrieben.
Seine Performance hat den gebürtigen Düsseldorfer erstmals nach oben zur U-21-Nationalmannschaft gespült. „Es ist etwas Besonderes, für die U 21 zu spielen. Ich habe richtig Bock“, betont der frühere Dortmunder. „Mein Weg ist nicht gewöhnlich, und darauf bin ich stolz.“ Viele sehen in ihm schon einen zukünftigen A-Nationalspieler, die Anlagen bringt er mit, auf der Liste steht er ebenfalls schon. Doch Markus Krösche bremst: „Er soll erst mal bei der U21 reinkommen. Das sollte er als nächstes Ziel haben.“
Das hat er schon mal geschafft. Am Freitag stand er dank seiner prächtigen Leistungen im Verein beim 3:0-Erfolg des höchsten Nachwuchsteams gegen Dänemark in der Anfangsformation. Und auch am Aachener Tivoli zeigte er eine sehr gute Leistung als Rechtsverteidiger, knüpfte an die Vorstellungen bei der Eintracht an. Das war mehr als nur eine abgegebene Visitenkarte.
Bei der U21 ist er in bester Frankfurter Gesellschaft, auch Nathaniel Brown und Ansgar Knauff sind in der DFB-Auswahl am Start. Brown machte gegen Dänemark ebenfalls da weiter, wo er im Klub aufgehört hat: Nach zwei Treffern für den Frankfurter Bundesligisten traf der 21-Jährige prompt auch zum ersten Mal für Deutschland. Der Linksverteidiger machte das 2:0, kommentierte glückselig: „Unglaublich.“ Der junge Mann lebt gerade seinen Traum. Auch Knauff kam zum Einsatz, allerdings als Einwechselspieler eine Viertelstunde vor Schluss. Am Dienstag geht es für das Eintracht-Trio bei der U21 weiter gegen Frankreich.
Toppmöllers Rat an Collins
Danach werden die Nationalspieler wieder ihre Arbeit in Frankfurt aufnehmen, und ihr Vereinstrainer Dino Toppmöller wird sorgsam darauf achten, dass der Fokus nicht verrutscht. Talent Collins etwa rät der Fußballlehrer, sich nicht zurückzulehnen. „Er muss jetzt weitermachen, hungrig bleiben, dran bleiben.“ Getreu Toppmöllers Motto: „Zufrieden sein, aber sich nicht zufrieden geben.“
Womöglich wäre es auch für den gebürtigen Frankfurter Elias Baum, ebenfalls rechts hinten unterwegs, so oder so ähnlich gelaufen, wenn er nicht vorübergehend seine Zelte in Frankfurt abgebrochen hätte und zum Zweitligisten SV Elversberg gewechselt wäre. Wobei das nicht sehr wahrscheinlich wäre, die Sportliche Leitung und das Trainerteam können sehr genau einschätzen, was für die Spieler das Beste ist und wann sie soweit sind, der Eintracht-Profimannschaft eine Hilfe zu sein.
Für den Rechtsverteidiger, dessen Vertrag im Zuge der Leihe nach Elversberg in Frankfurt bis 2028 verlängert wurde (was ein klares Zeichen und ein Vertrauensbeweis ist), ist der Schritt in die zweite Liga der richtige, schließlich ist Spielpraxis auf hohem Niveau für die Talente durch nichts zu bezahlen.
Und Eintracht-Eigengewächs Baum schlägt sich prima, stand in allen zwölf Saisonspielen in der Startformation, bereitete vier Tore vor und schoss jetzt beim 3:1-Sieg gegen Hannover 96 seinen ersten Treffer im Profifußball. Die beachtliche Entwicklung ist den Verantwortlichen in Frankfurt natürlich nicht verborgen geblieben. „Er macht es sehr gut, spielt eine richtig gute Saison, sehr konstant“, sagt Krösche. „Es ist beeindruckend, wie er das macht.“ Ob der Spieler, der im Oktober vom DFB mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze als eines der besten deutschen U-19-Talente ausgezeichnet wurde, nach der Saison zurückgeholt wird oder noch eine Saison in Elversberg dranhängt, ist noch nicht entschieden. „Wir werden abwarten, wie es sich bei ihm weiter verhält“, bedeutet Krösche. „Gucken wir mal.“ Der Manager wird schon das richtige Gespür haben, wann es Zeit ist, den Frankfurter Bub nach Hause zu holen.
Kristensen nicht günstig
Und vielleicht hängt das auch ein bisschen mit der Personalie Rasmus Kristensen zusammen. Der dänische Nationalspieler, derzeit im Aufbautraining nach einer Oberschenkelverletzung, ist derzeit nur ausgeliehen von Leeds United, hat die Erwartungen aber vollständig erfüllt oder sogar übertroffen. Für ihn müsste die Eintracht freilich tief in die Tasche greifen, wollte sie ihn weiter beschäftigen, mehr als zehn Millionen Euro würde es kosten, den Rechtsverteidiger auszulösen.
Das ist nicht wenig für einen Spieler, der 27 Jahre alt ist. Und würde nicht in das Geschäftsmodell der Eintracht passen, die zwar solche Beträge häufiger bezahlt, aber eigentlich nur für Spieler mit großem Entwicklungspotenzial, die sich teuer weiterverkaufen lassen. Das wäre bei Kristensen nicht der Fall.
Andererseits ist der Däne nicht nur ein Rammbock, sondern auch ein echter Leader, der aufrüttelt. Das ist nicht zu unterschätzen, gerade in einer jungen, unerfahrenen Truppe. „Er hat Siegermentalität und Aggressivität mit reingebracht. Er ist jemand, der die Jungen pusht“, sagt Krösche. Und ihnen auch mal die Leviten liest, wenn es sein muss. „Er ist extrem wichtig für uns.“ Und auch deshalb wird die Eintracht versuchen, ihn zu halten und den Preis deutlich unter zehn Millionen zu drücken. Kristensen selbst würde gerne bleiben, auf Leeds hat er gar keine Lust mehr.