Aufbruchstimmung mit weinendem Auge

Andreas Drews ist beim heutigen Hessenliga-Derby in doppelter Rolle gefordert. Foto: Charlie Rolff

Bewegte Tage für Andreas Drews: Der Kapitän des SV Flieden wurde nach der Trennung von Meik Voll kurzerhand mit seinem früheren Kollegen auf dem Feld, Reservecoach Sascha Gies, zum Hessenliga-Interimstrainer befördert. Auf den 32-jährigen Sozialpädagogen wartet heute (15 Uhr) mit dem Derby bei der SG Barockstadt Fulda-Lehnerz gleich ein ganz weiter Sprung ins kalte Wasser. Der gebürtige Weiperzer, der früher für Bad Soden und Borussia Fulda aktiv war und seit 2008 im Königreich spielt, äußert sich im Interview zum Trainerwechsel, dem Duell in der Johannisau, den Aussichten seiner derzeit kriselnden Mannschaft und seiner persönlichen Perspektive.

Seit dem vergangenen Spiel, dem 1:3 gegen Hadamar, ist im Königreich einiges los gewesen. Wie hast Du diese Tage erlebt?

Wir waren überrascht, als Meik und der Vorstand zu Beginn der Woche in der Kabine standen und die Trennung bekanntgegeben haben. Auf der anderen Seite war nach dem Spiel zu spüren, dass im Hintergrund etwas läuft. Es hatten sich zuletzt gewisse Abnutzungserscheinungen in der Zusammenarbeit zwischen Team und Trainer eingeschlichen, aus sportlicher Sicht war es daher notwendig, einen Impuls zu setzen.

Warum hat das, was drei Jahre lang – zumindest von außen gesehen – super funktioniert hat, in dieser Saison nicht mehr geklappt?

Im Misserfolg sucht jeder immer den Fehler beim anderen. Und im Fußball ist es einfach so, dass der Trainer die erste Instanz ist, an der angesetzt wird, um eine Veränderung herbeizuführen. Wir hatten mit Meik auch schon vorher immer mal kritische Phasen, wie beim Abstieg in seiner Premierensaison oder dem bitteren Start in der Verbandsliga mit drei heftigen Pleiten. Doch da haben wir uns immer wieder gemeinsam herausgearbeitet, zusammen die Meisterschaft und den Kreispokal gewonnen und letzte Saison Borussia Fulda geschlagen. Wir haben seinerzeit zudem von einer Euphoriewelle profitiert. Auch in dieser Spielzeit gab es zwischendrin Erfolgserlebnisse wie das 1:1 gegen Gießen, aber das zweite Jahr nach einem Aufstieg wird nicht umsonst als das schwerste bezeichnet. Aus der Mannschaft heraus haben wir uns hier und da mal etwas Neues gewünscht, aber da kam dann letztlich zu wenig, um das Ruder noch einmal gemeinsam herumzureißen. In letzter Konsequenz steht die Devise über allem, schnellstmöglich wieder erfolgreich zu sein.

Aus dem Vorstand kam die Ansage, dass der Mannschaft mit dem Trainerwechsel nun jedes Alibi genommen worden sei und die Mannschaft nun gefordert seien. Hat man den Spielern unter der Woche diesen Druck angemerkt?

Nein, in den vergangenen Tagen war es richtig laut auf dem Platz, es war Tempo drin, die Jungs gehen optimistisch und positiv an die Sache heran. Die, die zuletzt hintendran standen, wollen beweisen, dass sie in die Startelf gehören.

Welche Maßnahmen haben Sascha Gies und Du in den ersten Tagen ergriffen?

Wir werden das Rad nicht neu erfinden, das ist klar. Wir haben dieser Tage mehr gespielt und andere Schwerpunkte wie Passspiel oder läuferische Sachen hintan gestellt, mit den Jungs geredet, wobei Sascha den federführenden Part innehat. Wir haben an sie appelliert, dass wir die Kohlen nun langsam aus dem Feuer holen müssen. In den Einzelgesprächen war ganz oft ein weinendes Auge dabei, weil Meik nun nicht mehr da ist. Aber wir haben auch Aufbruchstimmung vernommen. Klar ist, dass wir unsere Tugenden wieder in den Vordergrund spielen müssen: Geschlossenheit, Wille und Leidenschaft. Von der spielerischen Qualität sind wir nicht die Besten in der Liga, und das wird sich auch nicht ändern.

Im Vorjahr hat der SV Flieden Borussia Fulda und dem TSV Lehnerz jeweils einmal ein Schnippchen schlagen können. Warum klappt das auch diesmal gegen beide im Verbund?

Jetzt bricht ein neues Kapitel an, heute ist quasi Spiel eins für uns. Und da das letztes Jahr zum Auftakt gut geklappt hat, werden wir auch diesmal einen Punkt mitnehmen. Ganz im Ernst: Klar ist Barockstadt spielstark und der Favorit. Ich habe mir aber ein paar Tipps von ehemaligen Trainern geben lassen. Wichtig wird, dass wir versuchen, unser Spiel durchzudrücken.

Du bist seit mehr als zehn Jahren mit am Weiher dabei, trägst seit 2013 die Binde des Spielführers. Mit der Erfahrung im Rücken: Wie beurteilst Du die Lage in der aktuellen Spielzeit und wie lange ist es noch möglich, Hessenliga-Fußball im Königreich zu bieten?

Nun, in dieser Saison warten immer noch 19 Spiele auf uns, wir sind trotz der jüngsten Misere bei der Musik dabei. Die nächsten drei Partien haben es allerdings in sich, werden brutal schwer und können böse enden. Wir müssen dafür sorgen, dass wir bis zum Winter nicht abgeschlagen vom Rest des Feldes sind. Sollte es am Ende wider Erwarten nicht reichen, dann darf man uns nur nicht vorwerfen, nicht alles gegen den Abstieg getan zu haben. Wir wollen in Flieden jedes Hessenliga-Jahr mitnehmen, müssen uns aber auch der Tatsache bewusst sein, dass bei uns keine Ex-Bundesliga-Profis oder top ausgebildete Kicker aus den Nachwuchsleistungszentren anheuern, sondern ganz geerdete Jungs aus Schlüchtern, Veitsteinbach oder Weiperz.

Du stehst nun zum ersten Mal in Ihrer Karriere als Trainer in der Verantwortung. Der Startschuss für eine neue Rolle?

Mit dem Amt des Trainers setze ich mich schon länger auseinander, möchte im Winter auch die C-Lizenz in Grünberg machen. Perspektivisch könnte das meine nächste Leidenschaft werden. Sicher ist hingegen, dass ich nächste Saison weiterhin als Fußballer aktiv sein möchte. Alles andere ist Zukunftsmusik.