Erst Aufstieg, dann Berlin

Der „Holländer“ sagt dem Fußball heute vaarwel

Mit André van Leeuwen nimmt heute ein feiner Fußballer und ein feiner Mensch Abschied von der osthessischen Fußballbühne. Foto: Johannes Götze

Heute will die SG Ehrenberg erstmals in die Verbandsliga aufsteigen – und dies mit einem Sieg gegen Türkgücü Kassel aus eigener Kraft. Für Ehrenbergs André van Leeuwen ein ganz besonderes Spiel.

„Es sagen ja immer alle, dass man auf dem Höhepunkt abtreten sollte. Ich mach‘s jetzt einfach“, sagt van Leeuwen mit seinem besten Lachen. Den beschlagenen Techniker zieht es gen Berlin. Genauer gesagt: Prenzlauer Berg. Seine Freundin lebt dort schon seit Jahren und arbeitet als Modejournalistin. Arbeitsplätze sind in dieser Branche in Osthessen nicht vorhanden. Nicht so für van Leeuwen. Der Logistiker betreut bereits seit langer Zeit eine Berliner Firma vom Fuldaer Standort aus. Nun muss er nicht einmal den Arbeitgeber wechseln, um dreieinhalb Jahre Fernbeziehung hinter sich zu lassen. „Manchmal fügt sich eben alles zusammen“, sagt er und freut sich auf das Stadtleben. „Ich werde erst einmal ein bisschen leben. Ich will reisen, einfach mal am Wochenende sagen können: Komm‘, wir setzen uns ins Auto und fahren nach Prag.“ Dem Fußball kehrt er (vorerst) den Rücken zu. Mit erst 27 Jahren und schweren Herzens. Und auch dass er die Familie hinter sich lässt, hinterlässt ein paar Spuren. Doch Wehmut will er gar nicht erst aufkommen lassen. Weder für das heutige Spiel, noch für die Zeit nach dem Fußball.

„Die Vorfreude auf das, was mir das Leben jetzt schenkt, überwiegt ganz klar. Und auch dem Spiel gegen Türkgücü fiebere ich ohne Ende entgegen“, sagt van Leeuwen, der seinen niederländischen Wurzeln väterlicherseits den Spitznamen „Holländer“ zu verdanken hat. Und ist die Elftal nicht gerade erfolgsverwöhnt, weil sie noch immer nach dem ersten WM-Titel giert, kann sich van Leeuwen über mangelnde Triumphe nicht beklagen. Mit Hünfeld II feierte er 2010 noch als A-Junior die Gruppenliga-Meisterschaft, mit dem SV Steinbach 2016 den Verbandsliga-Titel. Es waren für die jeweiligen Mannschaften die bis dato größten Triumphe in der Geschichte. Zwischendurch sammelte er mit der ersten Mannschaft des Hünfelder SV erste Hessenliga-Erfahrungen, die er mit dem SV Steinbach später noch ausbauen sollte.

Vor zwei Jahren wechselte der gebürtige Hünhaner (Ortsteil von Burghaun)in die Rhön. Ein Wechsel, den er nicht bereut. „Ganz im Gegenteil. Ich habe den Verantwortlichen stets gesagt, dass sie mit mir wegen der kommenden Saison gar nicht sprechen müssen. Es war immer klar, dass ich entweder hier bleibe oder eben nach Berlin gehe. Ein anderer Verein wäre für mich nicht infrage gekommen.“ Was die SGE auszeichnet, kann van Leeuwen schnell umreißen. „Ich vergleiche Ehrenberg gerne mit Steinbach. Dass sich so viele Leute im Umfeld für den Verein engagieren, genießt in der heutigen Zeit absoluten Seltenheitswert. Ich bin mir sehr sicher, dass das ein Hauptgrund für unseren Erfolg ist. Und andererseits freue ich mich auf jedes Training, weil wir ein super Team sind, in der es keinerlei Grüppchenbildung gibt. Nicht ein Training vergeht, nach dem wir nicht noch mindestens eine Stunde zusammensitzen.“

Van Leeuwen kennt sich mit Erfolgen aus

Allein was die Fans und die Verantwortlichen hinsichtlich des Spiels gegen Türkgücü auf die Beine stellen, findet van Leeuwen herausragend. „Dass die beiden Relegations-Heimspiele von Thalau in den vergangenen Jahren absolute Highlights waren, weiß ja jeder. Aber ich bin mir sicher, dass unsere Fans noch mal eine Schippe drauflegen werden.“ Abseits und auf dem Feld. Schließlich vergeigte der FSV beide Heimspiele und den damit verbundenen Aufstieg. Seither heißt es, dass sich die Fuldaer Gruppenligisten etwas scheuen, den Aufstieg auch wirklich zu wollen. Van Leeuwen kann das ein Stück weit nachvollziehen, „weil die Verbandsliga ja auch nicht so attraktiv war“. Nun aber, allein ob der Abstiege von Flieden und Hünfeld, habe sich das grundlegend verändert. „Fakt ist, dass wir alle aufsteigen wollen. Die Mannschaft, das Umfeld. Es wären sieben oder vielleicht sogar acht osthessische Mannschaften in der Verbandsliga. Nach Willingen fährt auch jeder gerne. Viele weite Auswärtsfahrten bleiben da ja gar nicht mehr übrig“, rechnet van Leeuwen vor, der zudem feststellt, „dass ein paar Jungs, die das Niveau noch nicht gespielt haben, das unbedingt erleben müssen“.

Die Qualität, da ist sich van Leeuwen sicher, bringe Ehrenberg mit. Doch gerade in den Heimspielen, so viel ist für den 27-Jährigen sicher, wird die Luft auch in der Verbandsliga brennen. Apropos brennen: Beim 1:0-Sieg in Körle brannten die Spieler ein von Leidenschaft geprägtes Feuerwerk ab, während die Fans am Rand mit Bengalos, Gesängen und weiterem Brimborium ihr Team unterstützten. Heute (16 Uhr in Wüstensachsen)soll dies noch gesteigert werden. Dann reicht ein Sieg für den Aufstieg. Ungeachtet des Neuhof-Spiels. „Wir wollen es selbst regeln und nicht noch eine Stunde warten“, stellt er klar. Es wäre Ehrenbergs größter Vereinserfolg. André van Leeuwen kennt sich damit bestens aus.