Eintracht Frankfurt will zurück zum Fußball mit Herz

Schöne gemeinsame Zeiten: Dino Toppmöller mit Julian Nagelsmann beim FC Bayern. © IMAGO/Ulrich Wagner

Eintracht-Trainer Dino Toppmöller muss vor dem Spiel in der alten Münchner Heimat den Spagat zwischen den Polen Leidenschaft und kühler Vernunft moderieren.

Natürlich tauschen sie sich auch aus über Fußball, über Spieler, über Spielsituationen, so von Trainer zu Trainer, besser: von einer Trainergeneration zur nächsten, alles andere wäre ja auch absurd. Welcher Trainersohn kann sich schon Tipps vom Trainervater holen? Nur der Dino vom Klaus. Und Toppmöller junior gibt gerne zu: „Mein Vater ist ein absolut wichtiger Mentor für mich.“ Er ist häufig zu Gast beim Junior (und den Enkelkindern), der nur ein paar hundert Meter Luftlinie vom Waldstadion entfernt wohnt, ins Stadion selbst geht der Senior seltener, die Knie. Um eine meinungsstarke Expertise hat sich Klaus, inzwischen auch schon 72, nie gedrückt, mehr als Platz sechs sei mit dieser Mannschaft in dieser schwierigen Saison nicht drin, erzählte jüngst Dino vor dem interessanten Gastspiel am heutigen Samstagnachmittag (15.30 Uhr/live Sky) bei der entthronten Branchengröße FC Bayern München.

Zu diesem Spiel könnte Klaus Toppmöller einiges sagen, tut er aber nicht. Er hat früher einiges dazu gesagt, sein berühmtester Spruch bleibt unvergessen. „Bye, bye Bayern.“ Er hat das im Oktober 1993 gesagt, kurz nachdem die Bayern seinerzeit im Uefa-Cup ausgeschieden waren gegen Norwich City, „alle haben an Mittwoch englisch gelernt“, hat der damalige Eintracht-Coach vor mehr als 30 Jahren weiter ausgeführt. Sein Team - das nur nebenbei - spielte seinerzeit „Fußball 2000“, war den Bajuwaren in der Tabelle als Spitzenreiter bereits früh in der Saison weit enteilt. Ja, so war das früher.

Geprägt von Nagelsmann

So einen Spruch würde Dino Toppmöller, etwa heute vor der Rückkehr nach Fröttmaning, nie, nie, niemals raushauen, selbst wenn er ihn damals als Zwölfjähriger eigentlich „cool“ fand, wie er jetzt sagte. Er plane das nicht, man müsse authentisch bleiben, das sei nicht seine Art, „ich bin da ein Tick zurückhaltender“, auch überlegter, rationaler. Vielleicht, wie manche meinen, zu sehr kopfgesteuert, der Mann hat seine Emotionen meist im Griff. Das gereicht dem mittlerweile 43-Jährigen im Frankfurter Kosmos zum Vorwurf. Dass er sein im Grunde heißblütiges Team runterkühlt, mit Taktik, speziellen Laufwegen, Automatismen, standardisierten Abläufen, eben „input“, wie er es nennt, überfrachtet, womöglich überfordert, auf jeden Fall lähmt. Und dass es dann so spielt wie es spielt: träge, uninspiriert, langweilig, ausrechenbar.

Bis zu einem gewissen Grad war das so gewollt im Frankfurter Stadtwald: Weg vom brachialen Wildwest-Fußball der Hütter-Glasner-Ära, der zwar zeitweilig mitreißend anzusehen war, die Mannschaft aber im letzten Saisondrittel ausgelaugt und nahezu ausgebrannt zurückgelassen hat. Kontrolle sollte her über Ball und Gegner, vielleicht gar Dominanz. Toppmöller, der bald drei Jahre bei Julian Nagelsmann, dem deutschen Doyen raffiniertester Matchpläne, als Co-Trainer assistierte (bei RB Leipzig und zuletzt Bayern München), sollte eine andere Art von Fußball in Frankfurt implementieren, einen Fußball, der über Ballbesitz, lange Kombinationen und Positionsspiel zum Erfolg führen soll. Klappte halt nur zu selten, auch weil dem neuen Cheftrainer Toppmöller die vormalige Torfabrikation (Kolo Muani, Kamada, Lindström) weggekauft worden war. Gerade die Nagelsmann-Schule hat Toppmöller offensichtlich sehr geprägt. In München genießt der heutige Frankfurter Trainer wegen seiner Analysen und Sachlichkeit weithin einen guten Ruf.

Scharf sein gegen Bayern

Die Leute auf den Rängen in Frankfurt wollen das - statischen Fußball, mit Hirn statt mit Herz - aber nicht sehen, trotz Platz sechs. Deswegen steht Dino Toppmöller in der Öffentlichkeit, nicht intern, momentan in der Kritik. Kredit hat der Fußballlehrer im berühmten Frankfurter Umfeld kaum noch, das Vertrauen ist geschwunden, seit Armin Veh (in seiner zweiten Phase) ist kein Trainer mehr in Frankfurt so angegangen worden wie Toppmöller, der selbst von „permanenten Angriffen“ spricht. Das sei in „der heutigen Gesellschaft“ so, es sei „immer schwieriger, damit zurechtzukommen“. Er aber könne seine und die Leistung der Mannschaft „vernünftig“ einschätzen. Ein wenig ungerecht und populistisch sind die Vorhaltungen trotzdem, selbst wenn Toppmöller durchaus Fehleinschätzungen unterlaufen sind. Und er sollte den jüngsten Hellmann’schen Appell, der fast eine Brandrede war, nicht gering erachten. Das war auch an seine Adresse gerichtet.

Für Dino Toppmöller ist die Partie heute Nachmittag gegen die Bayern eine besondere, fast 20 Monate hat er in München gearbeitet, hat, als Nagelsmann an Corona erkrankt war, als Verantwortlicher die Stars gecoacht. Nagelsmanns Philosophie hat auf ihn abgefärbt, hat ihn beeinflusst. Und dass er dessen Nachfolger und Bruder im Geiste, Thomas Tuchel, im Hinspiel, beim 5:1-Erfolg, eine taktisch Nuss verpasst hatte, die dieser nicht zu knacken vermochte, hat ihn stolz gemacht. Auch diesmal wird Dino Toppmöller einen klugen Plan ausgearbeitet haben, und womöglich die Worte des Vaters Klaus im Ohr gehabt haben. Dessen Credo war: Man habe nur diese 90 Minuten, in die man alles hineinwerfen müsse, „darum geht es, um dieses Spiel um 15.30 Uhr“. Da muss man „scharf sein“. Auch ohne „bye, bye, Bayern“ und Adler.

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