Emotionales Wiedersehen: „Es spielen quasi zwei Mannschaften von mir gegeneinander“
Elf Spiele lang sind Sie jetzt Trainer der SG Barockstadt . In der Zeit gab es nur eine Niederlage mit 0:1 beim SC Freiburg II. Wie fällt ihre Zwischenbilanz vor der letzten Woche mit noch drei Partien aus?
Überwiegend positiv, auch wenn mir der ein oder andere Sieg mehr und das ein oder andere Unentschieden weniger, besser gefallen hätte. Die Mentalität der Mannschaft macht mir Spaß. Auch nach Rückständen steckt da niemand auf. Im Nachhinein betrachtet habe ich manchmal das Gefühl, dass die Mannschaft sogar erstmal einen Rückstand als Weckruf braucht, um voll da zu sein.
Regionalliga Südwest: Cimen vor brisantem Spiel gegen Ex-Club
Sie haben eine Mannschaft übernommen, die jemand anders zusammengestellt hat. Wie schwer ist das für einen Trainer, während der Runde zu einem Team zu stoßen?
Vor sieben Jahren war die Konstellation ähnlich, als ich von Rot-Weiß Frankfurt zu Watzenborn-Steinberg gewechselt bin. Von daher wusste ich in etwa, was auf mich zukommt. Das war und ist eine riesige Herausforderung. Gut war aber, dass ich die Fuldaer Jungs weitgehend kannte. Die Aufgabe war letztlich zu spannend und die Gelegenheit zu gut, so dass ich mir die Chance, Fulda trainieren zu dürfen, auf keinen Fall entgehen lassen wollte.
Auffallend sind die zahlreichen Unentschieden, die vielen knappen Spiele in der Regionalliga Südwest. Warum ist das so eng? Oft beginnen die Spiele erst dann richtig, nachdem das erste Tor gefallen ist.
Klar: Die Zuschauer wollen viele Tore und Chancen sehen. Der Trainer und die Mannschaft haben aber einen gewissen Druck, werden an den Ergebnissen gemessen. Das lenkt dann die Spiele oft in die Richtung, zunächst auf Sicherheit zu gehen. Offensiver Fußball heißt auch immer, dass die Kette ziemlich hoch stehen muss. Dazu benötigst du schnelle Spieler. Am Ende bist du vielleicht 90 Minuten dominant, wirst dann dreimal ausgekontert und verlierst 1:3. Dann bist du im falschen Film. Man muss also immer die Balance finden. Wir zum Beispiel müssen unheimlich viel investieren, wenn wir ein Spiel gewinnen wollen. Kurzum: Die Leistungsdichte ist extrem eng und in der Liga gibt es viele gute Trainer. So ist das insgesamt am ehesten zu erklären.
Jetzt kommt ihr Ex-Club FC Gießen. Wie viel Porzellan ist denn durch ihren Wechsel von Gießen nach Fulda zerschlagen worden?
Für Gießen war es eine große Enttäuschung. Der Zeitpunkt war natürlich nicht optimal, sich für einen anderen Verein zu entscheiden. Aber wann ist ein Zeitpunkt schon optimal? In sieben Jahren Gießen war das Angebot der Barockstadt nicht das Einzige. Ich bin ein Gefühlsmensch und der Bauch entscheidet mit. Bei vielen anderen Vereinen war das nicht positiv, bei der Barockstadt schon. Zumal es durch Leute wie Patrick Schaaf schon immer eine gewisse Beziehung nach Fulda gab. Ich habe versucht, in Gießen zu argumentieren, aber es sah zwischenzeitlich nicht so aus, dass der Wechsel klappt.
Gibt es noch Kontakt zur Mannschaft und zu den Vereinsfunktionären?
Zur Mannschaft und zum Trainerteam schon. Im Umfeld habe ich viele Freunde. Auch mit Michél Magel habe ich regelmäßig Kontakt. Wenn das direkte Duell am Samstag vorbei ist, entspannt sich hoffentlich die Gesamtsituation noch mehr.
Es wird also ein besonderer Nachmittag für Sie?
Ich glaube schon, denn ich habe ja die Gießener Mannschaft zusammengestellt. Da spielen quasi zwei Mannschaften von mir gegeneinander. Das ist schon speziell, denn eine gewisse Verbundenheit ist ja nach der langen Zeit einfach vorhanden. Es gibt kein Resultat, auf das ich nach unseren Spielen früher schaue, als auf das, wie Gießen gespielt hat.
Wir müssen einen Absatz zu den Schiedsrichtern verlieren. Es vergeht kein Spiel, ohne dass man über die Unparteiischen diskutieren muss. Wie schwer ist das, als Trainer draußen zu akzeptieren?
Schwer. Besonders wenn es entscheidende Momente sind und du eigentlich auf dem besten Weg bist, dir gerade die Belohnung für eine Woche harte Arbeit zu holen. Trotzdem möchte ich nicht in der Haut der Schiedsrichter stecken, denn sie haben keine leichte Aufgabe. Wir alle müssen die Entscheidungen auch akzeptieren. Aber es wäre schön, wenn die Schiedsrichter die Kommunikation mit den Spielern und Trainern auf Augenhöhe suchen würden und nicht, wie so oft, von oben herab. Es wäre beispielsweise eine riesen Aktion, wenn der Schiedsrichter einfach nach dem Spiel nochmal käme und sagt, dass er vielleicht daneben gelegen hat. Dadurch würde doch die Anerkennung und Akzeptanz viel größer. Auf dem Platz würde oft ein kurzer Dialog mit dem Kapitän genügen. Dann fühlen sich die Spieler auch vom Referee abgeholt.
Wie sehr haben Sie den eigenen Nachwuchs im Auge?
Dadurch, dass ich erst während der Runde gekommen bin, war das noch nicht das primäre Thema. Es gab bereits erste Gespräche und wir werden das in der Winterpause intensivieren. Da ist es mir wichtig, meinen Input dazu zu geben. Bei der U23 war ich bisher bei drei Spielen als Beobachter. Zur U19 habe ich es bislang leider noch nicht geschafft, aber da wird es in der Rückrunde mehr Präsenz meinerseits geben.
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