Stimmen aus der Region zum Abgang

Hütter, der Wortbrüchige

Oliver Bunzenthal (von links), Patrick Schaaf, Marco Gaul und Reinhold Jessl äußern sich zu Adi Hütters Wechsel nach Mönchengladbach.

Der bevorstehende Wechsel von Eintracht-Trainer Adi Hütter zu Ligarivale Mönchengladbach sorgt für viel Unverständnis – besonders bei den Frankfurter Anhängern. Ende Februar sagte der Österreicher noch bei „Sky“: „Ich bleibe!“ Heute trifft Hütter mit der SGE auf seinen baldigen Arbeitgeber. Wir haben Sportler aus der Region zur Thematik befragt. Ein Stimmungsbild:

„Ich bin bedenkenlos“

Zunächst war Christopher Schaus, Geschäftsführer der Wemag und des Eintracht-Fanshops in Fulda, geschockt ob des Abgangs von Adi Hütter. „Ich versuche, noch etwas Fußballromantiker zu sein und habe mich gefragt, warum er jetzt geht. Aber Reisende soll man nicht aufhalten und er hat seine Entscheidung getroffen“, so Schaus, der zudem die Dankbarkeit für die Erfolge unter Hütter betont. Dabei bemüht er eine Aussage von Eintracht-Vorstand Axel Hellmann, der sagte, wenn ein Guter ginge, ein noch Besserer nachfolge. „Als Niko Kovac ging, waren erst alle in Schockstarre, ehe Adi Hütter wie Phönix aus der Asche kam. Ich bin da bedenkenlos, weil ich weiß, wie gut die Eintracht mittlerweile aufgestellt ist“, sagt Schaus. Außerdem seien die 7,5 Millionen Euro Ablöse, die Frankfurt für Hütter bekommt, ein schöner Betrag, den es dankend anzunehmen gilt.

Richtigen Zeitpunkt gewählt

„Als Trainer kann ich die Entscheidung nachvollziehen“, sagt Oliver Bunzenthal, der sieben Jahre bei der Eintracht unter Vertrag stand. „Er hat das Maximum erreicht und irgendwann ist der Zeitpunkt als Trainer gekommen, etwas zu verändern.“ Für die Frankfurter sei der Abgang eine Katastrophe, der Trainer habe es aber geschafft, den richtigen Zeitpunkt zu wählen. „Das Gegenbeispiel ist Löw. Er hat den Absprung definitiv verpasst.“ Zudem ist sich Hofbiebers neuer Coach sicher, dass die Fans nach einiger Zeit auf die schöne Zeit mit Hütter zurückblicken werden. Immerhin stehen das Erreichen des Europa-League-Halbfinals, eine weitere Europa-League-Saison und die mögliche Qualifikation zur Champions League zu Buche. „Über den Verein, zu dem Hütter wechselt, lässt sich streiten“, so der 48-Jährige. Mit Sorge blickt er auf die kommende Saison. „Adäquaten Ersatz für Hütter, Bobic und Hübner zu finden, ist sehr schwer.“

„Aussage kann er sich schenken“

„Die Zeiten für Fußballromantiker sind vorbei“, stellt Tobias Nophut aus dem Vorstandsteam von A-Ligist SV Wölf mit Blick auf die häufigen Transfers fest. Von Hütters Wechsel war er anfangs enttäuscht, mit einigen Tagen Abstand sagt der Eintracht-Fan aber, „dass seit jeher der Verein über allem steht. Die Büffel-Herde um Sebastién Haller, Luka Jovic und Ante Rebic wurde uns weggekauft und Trainer Niko Kovac ist gegangen. Dennoch war Erfolg vorhanden.“ Wölfs Funktionär echauffiert sich einzig über Hütters Aussage Ende Februar, als er seinen Verbleib klar positionierte: „Ihm war bewusst, dass er eine Ausstiegsklausel besitzt. Mit diesem Wissen kann er sich eine solche Aussagen schenken.“

„Egal wie, es ist immer falsch“

Patrick Schaaf spielte in jungen Jahren für Mönchengladbach, ist auch heute noch Fan und kann verstehen, warum sich Adi Hütter vor wenigen Wochen zu einem Bekenntnis pro Eintracht hinreißen ließ: „In diesem Geschäft kann man nicht immer die Wahrheit sagen. Egal wie man es macht, es ist immer falsch. Auch wenn man keinen Kommentar abgibt, haben die Medien Interpretationsmöglichkeiten. Deshalb glaube ich, dass Hütter seine Aussage bewusst getätigt hat und lieber jetzt als Lügner wahrgenommen wird, als im Vorfeld Unruhe aufkommen zu lassen“, vermutet der Kapitän der SG Barockstadt, der auch mal für die Eintracht-Reserve spielte. „Wenn er die Champions League erreicht, wird der ein oder andere Frankfurter ihm am Ende wieder dankbar sein.“ Auf eine ähnliche sportliche Entwicklung hofft der 31-Jährige bei Gladbach: „Ich glaube, dass er dort in Zukunft bessere Perspektiven hat als in Frankfurt.“

Fußballromantik ade

„Man sollte begriffen haben, dass sich jedwede Fußballromantik verbietet. Trotzdem muss man nicht verstehen, dass im Moment des womöglich größten Erfolgs seit vielen Jahren die komplette sportliche Führungsriege geht“, sagt Björn Gauges, ehemaliger Kulturredakteur der Fuldaer Zeitung und Eintracht-Kolumnen-Schreiber. Hütter sei jetzt 51. Er habe in seiner Karriere vielleicht noch ein Mal die Chance, zu einem richtig großen Club zu gehen. „Und da geht er nach Gladbach?“, fragt sich Gauges, der das Spiel mit seinen zwei Söhnen verfolgen wird. Sein Tipp: 2:0.

„Bekenntnisse sind nichts wert“

Marco Gaul freut sich über den neuen Trainer seines Herzensclubs Mönchengladbach: „Vom Fachlichen her wirkt er wie ein richtig guter Trainer, der bei der Eintracht super Arbeit geleistet hat“, so der Spielertrainer des TSV Künzell, der Hütters Wechsel verstehen kann. „Aktuell wirkt es zwar für ihn wie ein sportlicher Rückschritt, ich denke aber, dass Gladbach langfristig gesehen die interessantere Aufgabe ist. Auch wenn es keine riesige Kluft zwischen den Vereinen gibt.“ Die Art und Weise des Wechsels und der Kommunikation stören den 32-Jährigen aber: „Mit Marco Rose war es schon schwierig, der sich nie klar geäußert hat. Hütter sagte dagegen, dass er bleibt, geht jetzt aber doch. Das zeigt, dass weder Verträge noch Bekenntnisse etwas wert sind.“ Auch dass die Bekanntgabe unmittelbar vor dem direkten Duell erfolgte, stößt bei Gaul bitter auf – Roses Wechsel nach Dortmund sorgte nämlich für eine Gladbacher Niederlagenserie.

... "Dann kann er sich nie mehr hier sehen lassen!"

„Woran soll man heute noch glauben, wer dient heute noch als Vorbild?“, fragt sich Reinhold Jessl, Trainer der SG Freiensteinau. „Es geht wirklich nur noch ums Geschäft. Haben die das so nötig, nur weil sie anderswo noch ’ne Million mehr verdienen? Ablöse für Trainer und Sportdirektoren, so weit sind wir jetzt schon. Bei allen Verdiensten, die Hütter für die Eintracht erworben habe und die absolut unbestritten seien: Ich glaube, er kann froh sein, dass im Moment keine Zuschauer ins Stadion dürfen“, sagt der Ex-Eintracht-Profi und Nachwuchscoach in der Fußballschule der Eintracht. Jessl wolle nicht wissen, wie die Ultras reagieren würden. Und er verstehe auch nicht, warum Hütter in Frankfurt nicht die Früchte seiner Arbeit ernten will. Selbst wenn es nächste Saison nicht so gut gelaufen wäre, hätte er jederzeit erhobenen Hauptes gehen können, weil jeder weiß, dass er einen Riesenjob gemacht habe. „Man stelle sich doch nur einmal vor, die Eintracht verliert jetzt gegen Gladbach, das ganze nimmt eine Wendung und die Eintracht verpasst die Champions League noch: Der kann sich nie mehr hier sehen lassen! Das einzig Gute daran könnte sein: Das ist jetzt genau die Gelegenheit für Ralf Rangnick.“