Kullmann über seine Rückkehr
„Nach 500 Metern spazieren war Feierabend“
In dieser Szene verletzte sich Fliedens Marius Kullmann (links) schwer, als ihm Baunatals Sebastian Schmeer mit dem Knie voran in die Rippengegend sprang. Archivfoto: Memento36
Es war das erste Hessenliga-Spiel des Jahres 2022, und ein äußerst Kurioses noch dazu. Mit 4:5 verlor Flieden das Nachholspiel gegen den KSV Baunatal. Das Neun-Tore-Spektakel rückte aufgrund einer Szene in der Nachspielzeit aber schnell in den Hintergrund. Buchone Marius Kullmann wollte den Ball noch einmal in den Gefahrenbereich bringen, sah Gegenspieler Sebastian Schmeer dabei nicht kommen. Der Baunataler sprang Kullmann mit dem Knie voran in den Rippenbereich (siehe Foto). Dem Fliedener blieb sofort die Luft weg. „Ich habe schnell gemerkt: Hier stimmt etwas gewaltig nicht“, sagt Kullmann.
Es folgten bange Minuten im Königreich, ehe der Rettungswagen kam und den 25-Jährigen mit Sauerstoff versorgte. Die Ärzte stellten einen Lungenriss fest, bei einem Noteingriff wurde Kullmann ein Schlauch in die Lunge gelegt. Dieser wurde erst nach fünf Tagen entfernt, in dieser Zeit konnte sich der Defensivmann kaum bewegen – und musste darüber hinaus im Krankenhaus coronabedingt auf sämtliche Besuche verzichten.
Der Weg zurück in die Normalität war lang. Der vorher topfitte Kullmann, der bei Eintracht Frankfurt ausgebildet wurde und mehrere Jahre auf einem College in den USA spielte, musste ganz von vorne beginnen – bei den einfachsten Dingen. „Im Alltag ging erst einmal gar nichts. Beim Spazierengehen war nach 500 Metern Feierabend. Beim Treppenlaufen blieb mir die Luft weg. Ich wohne in der Fuldaer Innenstadt im vierten Stock, da hat man sich zweimal überlegt, wann man mal das Haus verlassen möchte“, berichtet Kullmann, der sich bei der Aktion außerdem sechs Rippen brach.
SV Fliedens Nummer 19 ist zurück auf dem Platz
Der 25-Jährige setzte sich kleine Ziele. Zum Beispiel selbstständig mit einer Einkaufstasche um den Arm die Treppen hochlaufen zu können. An eine Rückkehr auf den Fußballplatz war in den ersten Monaten überhaupt nicht zu denken. Erst als sich die Ärzte mit dem Heilungsverlauf zufrieden zeigten und Kullmann im Alltag keine Einschränkungen mehr feststellte, war der Ehrgeiz wieder geweckt. Mitte Mai konnte er langsam wieder mit dem Fahrradfahren anfangen, beim ersten Joggen meldete sich die Verletzung aber schnell zurück. „Da hat nach zwei Kilometern die Lunge so gebrannt, dass ich gedacht habe, dass ich nicht zurück kann und abgeholt werden muss. Aber ich bin geduldiger geworden, und mit der Zeit ging es stetig besser.“
So gut sogar, dass die Fliedener Nummer 19 seit dem Vorbereitungsstart wieder auf dem Rasen steht. In den jüngsten vier Testspielen wurde der flexibel einsetzbare Linksfuß eingesetzt, im ersten Ligaspiel winkt ein Platz in der Startelf. Wenngleich Kullmann relativiert, dass es noch einige Zeit braucht, um die 100 Prozent von vor der Verletzung wiederzuerlangen.
Die Buchonia dürfte sich über seine Rückkehr freuen, schließlich gehört Flieden als Absteiger zum Favoritenkreis auf die Meisterschaft. Das weiß Kullmann, der einen Platz unter den ersten fünf anstrebt und so lange wie möglich in der Spitzengruppe mitmischen will. Die jüngsten Testspiele (0:4 gegen Großenlüder, 1:7 gegen Barockstadt) gingen allerdings gehörig in die Hose. „Die Ergebnisse haben wehgetan, aber auch die Sinne geschärft“, sagt Kullmann vor dem Auftakt am Sonntag gegen Sand.