"Tiger" Paliatka und sein großer Traum

Augen zu und durch? Normalerweise hat Petr Paliatka (rechts) den Durchblick im Spiel des SV Steinbach.

„Nicht immer ich“, sagt Petr Paliatka allzu oft, wenn man ihn nach einem Spiel seines SV Steinbach die obligatorischen Fragen stellen möchte. Rampenlicht findet der 31-Jährige befremdlich. Vor dem morgigen Gipfeltreffen gegen Bad Soden (19 Uhr) macht er eine Ausnahme.

„Du siehst oft an der Anzahl der Vereinswechsel den Charakter eines Spielers“, sagt Paliatka ganz zum Ende des Gesprächs, als er erklärt, dass er noch so lange wie möglich auf hohem Niveau Fußball spielen möchte, bevor die erste Trainerstelle angetreten werden soll. Paliatka wechselte nach seiner Ausbildung beim tschechischen Erstliga-Club Banik Ostrau zunächst oft den Verein. Ein Jahr in der österreichischen dritten Liga, dann ein Jahr Gera. Sprunghaft war er, der Traum vom bezahlten Fußball nicht weit weg.

Dann kam der Januar 2006, sein Berater schickte ihn nach Steinbach. Echte Provinz. „Mir wurde gesagt, dass die Mannschaft aufsteigen will. Im Training sollte ich zeigen, was ich kann.“ Bei 20 Zentimetern Schnee war zumindest Trainer Uwe Teichmann angetan und gab sein Okay. Doch dem ersten Schockmoment, Schnee, folgte sogleich der zweite: „Ich habe mir die Tabelle angeschaut. Aufstieg? Von wegen! Elf Punkte hatte Steinbach“, erinnert sich Paliatka, blieb aber dennoch.

Zwar wurde der spätere Meister Grebenhain – der Paliatka direkt ein Angebot unterbreitete – 3:0 geschlagen, der Klassenerhalt allerdings um einen Punkt verpasst. Teichmann ging, Ante Markesic kam und prägte die so erfolgreichen Jahre gemeinsam mit seinem kongenialen Partner Paliatka. Der Durchmarsch in die Landesliga, Pokal-Highlights wie gegen Eschborn oder Aschaffenburg bleiben unvergessen. „Die Zuschauer haben in der Halbzeit gemosert, wenn es nur 3:0 für uns stand“, erzählt Paliatka und muss lachen: „Wir waren richtig gut. Damals waren es aber keine Individualisten, die für den Erfolg gesorgt haben. Die Mischung zwischen ganz erfahren und blutjung war entscheidend.“ Heute sei das anders. Spieler wie Rohde oder Trabert hätten schon Hessenliga gespielt, dazu verfüge ein großer Teil des Teams über jahrelange Verbandsliga-Erfahrung. „Jeder kann ein Spiel entscheiden. Wir haben viele gute Individualisten“, sagt Paliatka, der als weiteren großen Trumpf die mannschaftliche Geschlossenheit ausmacht.

Weihnachtskick mit Baros und Co.

Der sportliche Erfolg mit unzähligen Toren von Spielmacher Paliatka halfen dem Menschen Paliatka, in Steinbach Fuß zu fassen. „Das kannte ja keiner in Steinbach, dass da ein Fremder kommt, dazu noch ein Ausländer“, erinnert er sich zurück und kann heute erzählen: „Bevor ich kam, wurde wohl die ganze Mannschaft gefragt, ob ich kommen soll. Alle haben nein gesagt.“ Heute kann der Tscheche darüber lachen. In Österreich und Gera war er es gewohnt, dass mehrere Grüppchen ihr Ding machten. Er musste nicht einmal Deutsch lernen, weil immer noch weitere Landsmänner dabei waren. In Steinbach drehte sich das. „Ich war alleine. Nach einem Jahr konnte ich die Sprache. Ich wollte zum ganzen Team dazugehören.“ Er gehörte schnell dazu, ging nebenbei arbeiten, zog mit Frau Zaneta und Sohn Petr (11) nach Steinbach. Integrierte sich schnell ins Dorfleben und lehnte später Angebote vor allem aus diesem Grund ab. Den Sohn wolle er nicht entwurzeln, schließlich fühle auch er sich in Steinbach sehr wohl.

Viele Gründe also, weshalb Paliatkas Auge nur kurz zuckt, die Wehmut sich schnell verflüchtigt, wenn er darüber nachdenkt, ob ein Leben als Profifußballer nicht schöner gewesen wäre. Beispiele kennt er zu Genüge: Milan Baros, Champions-League-Sieger mit dem FC Liverpool, Petr Bolek, Torwart bei Viktoria Pilsen, oder der frühere Gladbacher Vaclav Sverkos sind Fußballer, die beim weihnachtlichen Kick in der tschechischen Heimat dabei sind. „Aber auch welche, die heute in der untersten Liga spielen“, erzählt Paliatka.

Müller schätzt den Tiger in Paliatkas Naturell

Eines verbindet alle. „Fußball kommt bei mir, die Familie mal ausgenommen, an erster Stelle“, sagt Paliatka, der den Kopf schütteln muss, wenn jemand ein Training aus einem lapidaren Grund absagt. Eine Tugend, die auch sein Trainer „Kalle“ Müller besonders schätzt. Dafür drückt er öfters beide Augen zu, wenn Paliatkas Temperament durchschlägt: „Er ist ein Tiger. Da kann ich keine Miezekatze draus machen, wenn ich später wieder den Tiger will“, sagt Müller. Paliatka steuert gemeinsam mit Michael Wiegand nicht nur die Balance des Steinbacher Spieles, sondern gibt darüber hinaus verbal den Ton an. Auch ohne Kapitäns-Binde.

Beim unvermeidbaren Thema „Meisterschaft“ will Paliatka die Worte mit besonders viel Bedacht wählen. Schließlich habe er mit Gera mal ganz schlechte Erfahrungen gesammelt, zwölf Punkte noch verspielt. Die so markanten Lachfalten entfalten dennoch genau jetzt ihre volle Blüte, denn die Hessenliga mit dem SV Steinbach ist der große Traum. Dafür arbeitet er jeden Tag.