Slavia Prag: Nur sechs Pässe erlaubt
Im Frühjahr des vergangenen Jahres hat Pavel Tykac eine Wette gegen den Klimawandel geschlossen, antizyklisch natürlich, und im Süden von Illinois in den USA die Schürfrechte für etwa zwei Milliarden Tonnen Kohle erworben. Der Mann ist 60, hat vier Kinder und gehört zu einer handvoll steinreichster Menschen in Tschechien, sein Geld hat er erst im Verkauf von IT-Ausrüstung gemacht, sich aber bald der Energiewirtschaft zugewandt. Ihm gehören Bergwerke und Kraftwerke in der Tschechischen Republik sowie Unternehmen in Europa, Australien, den USA, sein Vermögen wird auf knapp acht Milliarden Euro geschätzt.
Ein halbes Jahr später hat sich Tykac den Klub Slavia Prag gegönnt, schon sein Großvater sei glühender Slavia-Fan gewesen, zwei Milliarden Kronen (etwa 80 Millionen Euro) hat er für 99,98 Prozent der Anteile auf den chinesischen Tisch der CITIC-Group gelegt, dem vormaligen Besitzer. Der Mann kleckert nicht, er klotzt.
Es ist kein Zufall, dass der tschechische Fußball derzeit auf dem Vormarsch ist, weil massiv investiert wird. Die drei besten tschechischen Klubs, Slavia und Sparta Prag sowie Viktoria Pilsen, werden jeweils von sehr reichen Männern geführt, Sparta gehört Daniel Kretinsky, noch eine Spur wohlhabender als Slavia-Tycoon Tykac, Pilsen wird vom Schweizer Millionär Martin Dellenbach alimentiert und gesteuert. Das Investment zahlt sich offenbar aus.
Jindrich Trpisovsky, 48, ist ein Mann, der gerne mit Jürgen Klopp verglichen wird, zumindest vertritt er eine ähnliche Auffassung von erfolgreichem Fußball: „Jeder muss angreifen, jeder muss verteidigen“, lautet sein Motto. Trpisovsky ist Trainer bei Slavia, seit 2018, und kaum war er da, errang das Team, bei dem einst auch Pavel Kuka spielte, Patrik Berger oder Karel Poborsky, erstmals wieder das Double.
Ein Jahr später spielte man sogar in der Champions League mit. Seit der Coach mit dem grauen Bart das Sagen hat, hat Slavia dreimal den Meister-Titel geholt, insgesamt siebenmal, auch aktuell gibt es in der heimischen Chance-Liga kaum Konkurrenz: Als Tabellenführer hat Slavia mit einem Transferwert von 100 Millionen Euro acht Punkte Vorsprung vor Pilsen, gar zehn vor Sparta, die unlängst mit 3:0 nach Hause geschickt wurden. Vorbei die Zeiten, da Slavia im eigenen Land als ewiger Zweiter galt.
Kloppo aus Prag
Der Spielstil der Tschechen ist ein anstrengender, er ist körperbetont, nicklig, auf die Eintracht wartet ein intensives Spiel. Slavia erlaubt dem Gegner im Schnitt nur sechs Pässe, sie attackieren früh und druckvoll, doppeln wichtige Gegenspieler, wollen so verhindern, dass sofort nach vorne aufgedreht werden kann, wollen Überzahl in Ballnähe.
Trpisovsky bevorzugt als Formation ein 3-4-3, gerne kommt Slavia über die Flügel, mit 83 Flanken haben sie die zweitmeisten aller Europa League-Teilnehmer geschlagen, nur Galatasaray flankt häufiger. Und vorne stehen Nationalspieler Tomas Chory, Gardemaß 1,99 Meter, acht Tore in 20 Pflichtspielen, neu aus Pilsen gekommen, und Mojmir Chytil bereit. Ivan Schranz, slowakische Nationalspieler und EM-Torschütze ist hingegen aktuell außer Tritt.
Im Tor hechtet der erst 21 Jahre alte Antonin Kinsky, davor verteidigen zwei Haudegen, Kapitän Jan Boril, 33, und Tomas Holes, 31, nicht mehr die Jüngsten sowie David Zima. Fäden zieht der Grieche Christos Zafeiris. In der Europa League hat Slavia, 2011 noch kurz vor der Insolvenz, bisher vier Punkte auf dem Konto: Einem 2:0-Sieg beim bulgarischen Vertreter Ludogarez Rasgrad ließ man ein 1:1 gegen Ajax Amsterdam folgen und eine 0:1-Niederlage bei Atletico Bilbao, hatte aber mehr als 60 Prozent Ballbesitz, schaufelte 21 Flanken in den Strafraum und spielte 454 Pässe. Die Prager, die als Klub der Intellektuellen gelten und bereits 1892 gegründet wurden, mögen den Ballbesitz. Mit der Kugel am Fuß könne sie umgehen.
In die Europa League „stiegen“ sie nur ab, weil sie in den Playoff-Begegnungen zur Königsklasse nach Siegen gegen Union Saint Gilles an Lille OSC scheiterten. Im vergangenen Jahr war Slavia Prag ins Achtelfinale gekommen, AC Mailand war dann zu stark. Eintracht Frankfurt ist gewarnt, ein Selbstgänger ist dieses Heimspiel ganz sicher nicht.
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