Eintracht Frankfurt und der Systemausfall auf allen Ebenen

05. Dezember 2024, 14:06 Uhr

Ball im Tor, Eintracht am Boden: Lois Openda macht das 2:0 für Leipzig, mehr als die Vorentscheidung. © AFP

Die Eintracht rätselt nach dem bitteren Pokal-Aus in Leipzig über die Gründe für den Zusammenbruch

Nach geschlagenen 80 Spielminuten in diesem höchst einseitigen Pokalduell in Leipzig hat die Frankfurter Eintracht dann tatsächlich das geschafft, was an diesem tristen Abend fast undenkbar schien: Sie hat einen Schuss aufs Tor zustande gebracht. Okay, selbst das ist nun schon fast euphemistisch formuliert, vielmehr war Hugo Ekitikés Linksschuss aus 15 Metern ziemlich genau das, was man einen Kullerball nennt, der Leipziger Torwart Maarten Vandevoordt hätte die verkappte Rückgabe auch stoppen können. Der halbgare Schuss und der späte Zeitpunkt des ersten, einzigen und letzten Schusses fassen den Auftritt der Eintracht in Leipzig perfekt zusammen: Es war ein einziges Trauerspiel.

Am Ende blieben die Frankfurter ratlos zurück. Nicht weil sie mit 0:3 untergegangen waren, und auch nicht, weil mal wieder im Achtelfinale Schluss ist im Pokal, das kann passieren, gerade bei einer Mannschaft wie RB Leipzig, die zwar aus einer denkbar schlechten Phase kam, aber dennoch eine ganze Menge Qualität und Tempo in ihren Reihen hat. Nein, erstaunlich war die Art und Weise, wie die hessischen Überflieger auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurden.

Alles, was die Eintracht ausgemacht hatte in den letzten Wochen, war wie weggeblasen. Vorne wurde der Wundersturm entzaubert, in der Mitte die Schaltzentrale aus dem Spiel genommen und hinten stolperte die zuletzt bockstarke Verteidigung von einer Verlegenheit in die nächste. „Es war ein Systemausfall von allen“, urteilte Sportvorstand Markus Krösche treffend.

Bitter auch deshalb, weil die Eintracht die größte Chance auf einen Titel achtlos wegwarf. Neben Leverkusen wäre sie die Topfavoritin auf den Pokalsieg gewesen, viele Hochkaräter haben sich bereits verabschiedet. „Es ist extrem ärgerlich, weil wir für dieses Spiel keine zweite Chance bekommen“, befand Trainer Dino Toppmöller. „Das fühlt sich mies an.“

Natürlich fragen sich nicht nur die Verantwortlichen, wie es plötzlich zu einem kollektiven Zusammenbruch kommen konnte. Es ist nicht ungewöhnlich, dass nach Wochen des rasanten Aufschwungs irgendwann ein Dämpfer kommt, das liegt gewissermaßen in der Natur der Sache. Doch die Vehemenz des „Nackenschlags“ (Trapp) überraschte. Klar ist, dass zu viele Spieler nicht an ihre Normalform heranreichten. Omar Marmoush war kein Faktor, Sturmpartner Ekitiké wachte erst spät auf, Ellyes Skhiri spielte wieder wie der Ellyes Skhiri aus der Vorsaison, Mario Götze nahm sich rechts draußen, wie schon häufiger, aus dem Spiel, Nathaniel Brown spielte so verzagt, als hätte es die letzten furiosen Wochen nicht gegeben. Und wenn dann noch die Verteidigung wackelt, sogar der sonst so sichere Abwehrchef Robin Koch, wird es schwer.

Zumal auch Dino Toppmöller, der in den zurückliegenden Monaten nur richtige Entscheidungen traf, den gemeinschaftlichen Erfolg initiiert und gekonnt moderiert hat, mit seinen Überlegungen dieses Mal danebenlag.

Nicht alles infrage stellen

Die Idee, Rasmus Kristensen von rechts nach links zu beordern, verfing nicht. Der Däne kam mit dem Leipziger Tempo nie mit. Weshalb Kristensen weiter links hinten spielte, obwohl dann Linksverteidiger Niels Nkounkou eingewechselt wurde? Seltsam. Auf der anderen Seite verlebte auch Nnamdi Collins einen schwarzen Abend. Und die Annahme, dass der zu einer laxen Spielweise neigende Fares Chaibi gegen die energischen und zweikampfstarken Leipziger im zweiten Abschnitt die Wende bringen würde, war eher kühn.

Zudem ist die Mannschaft, auch das ist nicht zu unterschätzen, zuletzt überschwänglich gelobt worden. Da kann sich im Unterbewussten schon mal Zufriedenheit ausbreiten, die die nötige Schärfe raubt – zumal gegen einen Gegner, der vielleicht sogar unterschätzt wurde. Intern wurde schon vor Wochen vor einer gewissen Lässigkeit und Laissez-faire-Haltung gewarnt.

Auffällig auch: Gegen keinen Kontrahenten aus den Top Fünf konnte die Eintracht gewinnen, holte ein 3:3 gegen die Bayern, verlor aber in Dortmund, Leverkusen und Leipzig – allesamt auswärts allerdings.

Toppmöller hat sein Team nach dem Abpfiff daran erinnert, dass es die Grundtugenden immer aufs Feld bringen müsse, „sie sind die Basis für Erfolg.“ Also Bereitschaft, Aufopferung, Widerstandskraft. Solch „bittere Momente“ seien „Teil der Entwicklung“, betont Toppmöller, der generell findet: „Wir müssen diesen Schmerz fühlen.“ Will sagen: Nur wer erlebt, was er nicht erleben will, tut alles dafür, es auch nicht mehr zu erleben.

Richtig ist, jetzt nicht alles infrage zu stellen, die Eintracht spielt bisher eine hervorragende Runde. „Wir sollten jetzt nicht alles kaputtreden wegen dieses Spiels“, findet Torwart Trapp. Aber eben auch nicht darüber hinweggehen, sondern es zum Anlass, die nötige Schärfe zu entwickeln.

Spannend zu sehen wird allemal, ob sich die Eintracht schnell von diesem Negativerlebnis erholt; die Verarbeitung von Rückschlägen ist auch ein Qualitätsmerkmal von Topteams. Viel Zeit zum Wunden lecken bleibt nicht, am Samstag geht es zu Hause schon weiter gegen Augsburg. „Da“, sagt Toppmöller, „wollen wir eine gute Reaktion zeigen.“

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