WM-Vergabe nach Saudi-Arabien: Rabenschwarzer Tag für den DFB
Gestern wurden die viel umstrittenen Weltmeisterschaften 2030 und 2034 vergeben und der DFB stimmte sowohl für die Vielflieger-WM 2030, die auf drei Kontinenten und in sechs Ländern stattfinden soll, wie auch für die Vergabe nach Saudi-Arabien. Offensichtlich pfeifen die Fußballbosse auf all ihre selbst erfunden Nachhaltigkeitsformeln und weigern sich, irgendetwas aus der Katar-WM 2022 und dem spürbaren Fanboykott lernen zu wollen. Dabei wären mindestens zwei Jahre Zeit gewesen, um mit Fans und den mehr als sieben Millionen DFB-Mitgliedern ins Gespräch und zu einer überzeugenden Lösung zu kommen. Peinlich. Der Verband stellt seine Glaubwürdigkeit ins Abseits, läuft brav hinter FIFA-Präsident Infantino her und nickt wirklich alles ab, was ihm vorgelegt wird.
Am Tag der weitreichenden Entscheidung fällt das Pressecho für den größten Fußballverband der Welt vernichtend aus. Die ARD titelte: „Feiges Nicken für König Infantino“ und das ZDF brachte den sportpolitischen Offenbarungseid der Fußballbosse auf den Punkt: „Die Selbstverzwergung des DFB“. Wir dürfen gespannt sein, ob und wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den kommenden Jahren um den Erwerb der Übertragungsrechte dieser Veranstaltungen bemühen wird. So viel steht fest: Eine weitere Boykott-WM wird man sich nicht leisten wollen. Zumal auch diese WM sehr wahrscheinlich wieder um die Weihnachtszeit stattfinden wird.
WM-Vergabe nach Saudi-Arabien: Rabenschwarzer Tag für den DFB
Bei der gestrigen Abstimmung war es wieder einmal eine Frau, die den Ja-Sagern aufzeigte, was Haltung ist. Norwegens Präsidentin Lise Klaveness zeigte Mumm und verweigerte die Zustimmung. Nicht klammheimlich, sondern selbstbewusst in einer am Tag zuvor veröffentlichen Erklärung. In der differenzierten Begründung wurde gar nicht so weit ausgeholt, sondern am Prozess des Abstimmens angesetzt. In der FIFA-Chefetage geschieht so etwas per Akklamation bzw. durch offen sichtbare Handzeichen. Aus meiner Sicht ist das der unerträgliche Start eines Spießrutenlaufes für jeden, der – aus welchen Gründen auch immer – von seinem demokratisch verbrieften Recht des Nein-Sagens Gebrauch machen möchte. Die Präsidentin Norwegens formuliert das so: Der Verbandsvorstand ist zu dem Schluss gekommen, dass „das Verfahren“, per Handzeichen abzustimmen, (…) „nicht im Einklang mit den Grundsätzen einer soliden und fairen Vergabe“ steht.
Die Akklamation ist selbstverständlich nur die Speerspitze der seit Jahren laufenden „Hintenrum-Aktion“. Seitens der FIFA-Führung wurde wirklich alles unternommen, um am Wahltag gar keine Wahl vornehmen zu müssen. Nur aus diesem Grund muss die WM 2030 auf drei Kontinenten stattfinden. Jeder bekommt etwas vom saftigen Kuchen ab und hält dafür die Klappe.
Sowas klingt in meinen Ohren nach Realsatire, aber der DFB nennt sowas inzwischen Realpolitik. DFB-Präsident Bernd Neuendorf (63) rechtfertigt seine Unterstützung für Infantino folgendermaßen: „Ich glaube, trotz aller Problematiken, dass dies die richtige Entscheidung ist. Uns allen ist die Situation bewusst, es ist nichts, was wir in irgendeiner Form gutheißen können. Aber klar ist auch: Mit einem Boykott oder einer Ablehnung hätten wir nicht das erreicht, was wir wollen. Wir hätten uns aus dem Spiel genommen.“
Wer kann mir diese Logik erklären? Weshalb stimmt Herr Neuendorf einer WM-Vergabe zu, die er keinesfalls „in irgendeiner Form gutheißen“ kann? Ist es aus der Mode gekommen in solchen Fällen aufzustehen und geradeheraus „Nein“ zu sagen? Sind wir jetzt allen Ernstes noch „im Spiel“ der Fifa-Machenschaften? Wer will das? Wäre es nicht angemessener im Team der mutigen Norweger mitzuspielen? Hat sich der DFB gestern aus einem viel wichtigeren Spiel herausgenommen? Hat sich Bernd Neuendorf im Moment seiner Stimmabgabe zur Marionette der FIFA machen lassen? Kauft Saudi-Arabien den Fußball? Oder kommt die WM nun endlich in ein echtes Fußballland? Lieber DFB: Welchen Fußball wollen wir?
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