Die Eintracht an der Weggabelung
Es läuft zum Jahresausklang nicht rund, auch nicht bei Eintracht-Mittelstürmer Igor Matanovic. © AFP
Oscar Hojlund ist ja noch ein ziemlicher Frischling in Frankfurt. Kaum war er angekommen aus Kopenhagen, setzte seine ersten Duftmarken und kratzte schon an der Startformation der Eintracht im August, da legte ihn ein Mittelfußbruch auf Eis. Erst seit ein paar Wochen ist er wieder ein vollwertiges Mitglied der Mannschaft, aber wie schnell er schon reingewachsen und wie tief er eingetaucht ist, zeigte sich am Samstag zum Abschluss gegen Mainz 05, als er den Unglücksraben des Tages, Torwart Kaua Santos, nach dessen Patzer zum 0:3 tröstete. Sehr liebevoll und aufrichtig, er drückte dem Brasilianer gar noch auf dem Platz ein zartes Küsschen auf die Wange. „Das zeigt seinen Charakter“, sagt Sportvorstand Markus Krösche über den Dänen, der Anfang Januar erst 20 wird. „Und das zeigt den Charakter der Mannschaft.“ Genau diesen Spirit und diesen Zusammenhalt müsse das Team beibehalten. „Wir haben eine sehr gute Gruppe beisammen, das zeichnet uns aus.“
Die Gruppe wurde in den vergangenen Wochen vor einige Prüfungen und auf harte Proben gestellt, ein Punkt aus den letzten fünf Partien ist eine ziemlich karge Ausbeute. Die Überflieger sind längst wieder gelandet. Sie stehen aber noch immer auf Rang drei der Bundesligatabelle und auf Platz fünf in der Europa League. „Wir müssen grundsätzlich sehen, dass wir eine sehr gute Runde spielen“, befindet Markus Krösche. „Kompliment an die Jungs.“
Natürlich sind die Verantwortlichen eifrig darum bemüht, die jüngsten Misserfolge ein bisschen abzumoderieren und das Positive herauszustellen. Das ist nachvollziehbar, schließlich stehen jetzt erst einmal kurze Ferien an, und der Neustart im Januar bietet ja sehr wohl die Chance, einfach noch mal von vorne zu beginnen und den Resetknopf zu drücken. Alles andere bringt ja nichts, die verlorenen Punkte gibt es nicht wieder zu gewinnen, sie sind futsch, auch diese höchst ärgerliche und beinahe schon groteske Niederlage gegen Mainz 05 zum Abschluss lässt sich nicht mehr ausradieren. Obwohl die Eintracht in dieser Begegnung 17 Ecken schlug, so viele wie seit Januar 2001 gegen Köln nicht. Obwohl sie 34 Schüsse abgab – mehr als alle anderen Teams in dieser Saison. Und obwohl sie sich ein Chancenplus von plus 15 erspielte (18:3). Dass eine Mannschaft trotz einer solchen Überzahl an Möglichkeiten trotzdem verlor, gab es in der Geschichte der Bundesliga laut „Kicker“ erst einmal zuvor, ebenfalls mit Beteiligung der Eintracht. Sie unterlag vor 33 Jahren Bayer 04 Leverkusen mit 0:1 – bei einer Chancenverteilung von19:4. Kurios: Auch damals waren die Frankfurter durch ein Eigentor ins Hintertreffen geraten, Uwe Bindewald bugsierte den Ball im Oktober 1991 ins eigene Netz. Dieses Mal war es Torwart Kaua Santos.
Die Hessen stehen nun aber fraglos an der Weggabelung. Wenn sie sich oben festsetzen wollen, müssen sie gleich im Januar den Turnaround schaffen. Der erste Monat des neuen Jahres hat es in sich. Beginnend mit der Partie am Millerntor beim FC St. Pauli am 11. Januar stehen sechs Spiele in 20 Tagen stehen auf dem Programm. Da kann man sich keine weitere Schwächephase erlauben, da muss verlässlich gepunktet werden, um oben dranzubleiben und auch in der Europa League das große Ziel, das Achtelfinale, direkt zu erreichen. Zu Hause geht es gegen Ferencvaros Budapest und auswärts zu AS Rom.
Die Eintracht wird jetzt zeigen müssen, ob sie schon in der Nähe der Topteams zu verorten und nicht nur temporär dort reingespritzt ist, ob sie gefestigt genug ist und die innere Stärke hat, Widerstände zu überwinden und sich aus der Schaffenskrise zu befreien. Das wird spannend. Ansonsten droht Ungemach und das Abrutschen im Tableau. Die Harmonie und die schöne Atmosphäre, lange Zeit Treiber der Begeisterung und der Leistung, wären futsch. Das kennt man in Frankfurt, auch aus dem ersten Halbjahr 2024. Und überhaupt: In den Rückserien hat die Eintracht schon häufiger einiges verspielt und Ziele aus den Augen verloren. Und dieses Mal??
Zu viele Gegentore
Die Mannschaft, die seit dem zweiten Spieltag immer mindestens einen Treffer erzielte und in 15 Partien 35 Tore machte (so viele wie seit der Spielzeit 1984/85 nicht mehr), wird hartnäckig und beständig bleiben, sich schnell das verschütt gegangenen Selbstvertrauen zurückholen müssen – das wiederum geht nur über Siege und Erfolgserlebnisse. Und sie wird sich wieder an ihre Stärken, eine konsequente Verteidigungshaltung und eine effiziente Ummünzung von Torchancen, erinnern müssen. Beides zeichnete sie lange aus. In den zurückliegenden fünf Spielen kassierte das Frankfurter Ensemble freilich 13 Tore – viel zu viel. „Auf diesem Niveau darfst du nicht so viele Fehler machen. Sonst wird das bestraft“, betont Sportboss Krösche. „Wir haben in den vergangenen Wochen viel Lehrgeld bezahlt.“ Und doch glaubt er an die junge Mannschaft, die jüngste der Bundesliga, eine solche Phase gehöre zu einer Entwicklung dazu. „Wir könne daraus lernen und etwas rausziehen“, sagt er. „Daran muss die Mannschaft wachsen.“
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