Eine Frau hat sogar schon gespielt

20. Juli 2023, 13:39 Uhr

Tanja Heckenlauer (links) spielte kürzlich bei den Pilgerzeller Frauen – und nun in einem Männerteam. © Charlie Rolff

Fünf Sätze sorgten am Dienstagnachmittag für einen Aufschrei durch das ganze Bundesland: Der Hessische Fußball-Verband (HFV) hatte in einer Pressemitteilung erklärt, dass fortan Frauen in Männerteams spielen dürfen.

Doch so wirklich aufschlussreich ist die Mitteilung nicht gewesen , zumal die veränderte Spielordnung reichlich Platz für Interpretationsspielraum ermöglicht. Nämlich, dass der Verbandsspielausschuss über die Spielgenehmigung entscheidet. Doch wann erlaubt er einer Frau das Spielen in einem Männerteam – und wann nicht? Lena Nöding, Vorsitzende des Verbandsausschusses für Frauen- und Mädchenfußball im HFV, versucht, auf Nachfrage Licht ins Dunkel zu bringen. „Prinzipiell gibt es keinerlei Gründe, weswegen der Verbandsspielausschuss einem Antrag nicht stattgeben sollte“, klärt Nöding auf.

Dass Frauen in Männermannschaften spielen, gibt es in Europa bereits seit dem Jahr 2020. In den Niederlanden, seit einigen Jahren aufstrebend im Frauenfußball, wurde zuerst diese Möglichkeit geschaffen. Vor gut einem Jahr zog der DFB nach und passte eine Spielordnung an. Doch ob die Landesverbände hiervon Gebrauch machen und das vierjährige Pilotprojekt starten, ist ihnen selbst überlassen.

Frauen in Männerteams: Eine Frau hat sogar schon gespielt

Vorreiter in Deutschland war der Bayrische Fußball-Verband, der bereits zur vergangenen Saison das sogenannte Gemischte Spielen erlaubte. Schnell gab es eine ganze Reihe von Spielerinnen, die sich ein Spielrecht bei den Männern sicherten. Beispielsweise Chiara-Sophie Matthes, die sogar in die Geschichtsbücher einging, da sie gleich in ihrem ersten Spiel für die Männermannschaft des FC Reichenbach in der B-Liga Rhön 2 in Unterfranken traf.

In Matthes unmittelbare Nachbarschaft wechselt nun eine Spielerin, die in der vergangenen Saison noch das Trikot von Frauen- Hessenliga-Vize meister TSV Pilgerzell trug. Tanja Heckenlauer wird für die Reserve-Spielgemeinschaft des DJK Unterweißenbrunn die Schuhe schnüren. „Ich wollte mal etwas anderes ausprobieren“, erklärt die 30-Jährige, die berufsbedingt zunächst nach Osthessen und Pilgerzell gekommen war, ehe es sie zurück in die Bischofsheimer Heimat zog. Doch ihr langjähriger Verein, der VfR Stadt Bischofsheim, meldet zur neuen Saison keine Frauenmannschaft mehr.

TSV Pilgerzell: Tanja Heckenlauer spielt nun bei Männerteam in Unterfranken

„Mich haben mehrere Frauenmannschaften angefragt. Aber ich wollte nicht so weit fahren. Das wären immer um die 70 Kilometer Strecke gewesen“, erklärt Heckenlauer, die bislang ausschließlich positive Erfahrungen in ihrer neuen Mannschaft gesammelt hat. „Man merkt natürlich Unterschiede. Das Spiel ist härter, aber ich kann mithalten. Und mit mehr Leuten im Training macht es viel mehr Spaß“, erzählt die Stürmerin, die seit 21 Jahren Fußball spielt und schon im Jugendbereich gemeinsam mit Jungs spielte.

Berührungsängste hat Heckenlauer ohnehin nicht: „Bisher habe ich mich in der Schiedsrichterkabine umgezogen. Wenn Spiele sind, müssen die Jungs eben mal fünf Minuten warten, wenn ich duschen gehe. Und umziehen ist für mich kein Problem, in der Sauna geht das ja auch“, erklärt die 30-Jährige, die von den Jungs – viele kannte sie ohnehin schon vorher – gut aufgenommen wurde. „Alle haben sich gefreut. Ich werde im Training oft von meinen Mitspielern gelobt.“

Frauen in Männerteams: SC Willingen als Vorreiter

Pilgerzells Frauen-Trainer Stephan Fröhlich befürchtet nicht, dass ihm künftig weitere Spielerinnen weglaufen werden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es talentierte Spielerinnen gibt, die Regionalliga oder Zweite Liga spielen könnten, aber lieber bei den Männern in der Gruppenliga auflaufen“, betont der Coach, der den neuen Beschluss befürwortet. „Wenn Frauen den Wunsch haben, bei den Männern mitzuspielen, ist es gut, kein Verbot entgegenzusetzen. Und im Jugendbereich ist es ja auch empfohlen, dass die Mädels so lange wie möglich mit den Jungs spielen sollen. Bei den Senioren glaube ich aber, dass die Unterschiede zu groß sind. Vielmehr sollte man die Aufmerksamkeit und Bedingungen im Frauenbereich verbessern“, sagt Fröhlich.

Eine erste Spielerin hat sogar schon für den Herren-Verbandsligisten SC Willingen debütiert: Torhüterin Sabrina Wandrei stand in der vergangenen Woche bei einem Testspiel für 45 Minuten zwischen den Pfosten. Die 27-Jährige ist zudem Torwarttrainerin des SCW, kümmert sich dort um das Gespann Florian Bouma und Sebastian Wessel, spielt aber grundsätzlich für die Frauen des KSVHessen Kassel in der Hessenliga. Nun kann sie dank des bereits genehmigten Zweitspielrechts sowohl bei den Herren als auch bei den Frauen spielen.

Kommentieren