Pia Liening-Ewert: Früher 2. Liga, jetzt KOL – bei den Männern

16. September 2023, 07:56 Uhr

Pia Liening-Ewert am Ball für den 1. Rödelheimer FC – in einem Freundschaftsspiel gegen ihren „anderen“ Verein. © privat

Frauen und Männer zusammen in einem Fußballteam? Und dann noch auf vergleichsweise anspruchsvollem Niveau? Kann das wirklich funktionieren? Die Antwort lautet: ja! Pia Liening-Ewert (25) ist ein Paradebeispiel für die Vorteile von gemischt-geschlechtlichem Spielen, das der Hessische Fußball-Verband seit dieser Saison gestattet. 

Rückblick: Pia Liening-Ewert stammt aus einer kleinen Ortschaft im Speckgürtel von Osnabrück. Schnell wurde der Fußball zum steten Begleiter. Schnell wurde ihr Talent offensichtlich. Für den SV Meppen spielte sie in der Juniorinnen-Bundesliga, debütierte kurz nach ihrem 17. Geburtstag in der 2. Frauen-Bundesliga. Die Stärken der Defensivspezialistin? Zweikampfstärke, Robustheit, ein gutes Auge und eine schnelle Auffassungsgabe. 

Früher 2. Liga, jetzt Kreisoberliga – bei den Männern

Doch nach dem Abitur begann ein schleichender, nicht aufzuhaltender Prozess: Weil sie in Osnabrück studierte, war die Fahrtstrecke nach Meppen für regelmäßiges Training auf hohem Niveau zu weit. Im Dezember 2018, da war sie gerade 20, bestritt sie ihr letztes von insgesamt 66 Zweitligaspielen. Denn obwohl sie den Fußball nach wie vor liebte, musste sie notgedrungen den Fokus verändern. Das Studium verlangte ihr viel ab. Erst in Osnabrück, später in Karlsruhe. 

In Karlsruhe gestrandet, fand sie Anschluss an den KIT SC. Ein Sportverein des Karlsruher Instituts für Technologie, der Wettkampfsport genau wie Breitensport bietet. Für das Frauenteam spielte die nun 22-jährige Liening-Ewert in der fünftklassigen Verbandsliga. Aber sie begann auch mit den Männern zu trainieren. Beim Futsal, beim Fußball. Und sie hatte Spaß dabei. Die Berührungsängste der männlichen Gegenspieler legten sich schnell. Einerseits, weil Liening-Ewert technisch und taktisch hervorragend ausgebildet ist. Andererseits, weil sie dagegenhielt. Sofern das mit ihren 68 Kilogramm möglich war. 

Dann war die Studienzeit beendet. Mit einem Master im Chemieingenieurwesen in der Tasche suchte die dann 24-Jährige eine neue Herausforderung und zog nach Frankfurt. Über Kontakte ihres alten Clubs aus Karlsruhe landete sie beim Stadtclub 1. Rödelheimer FC . Der spielte gerade um die Meisterschaft in der A-Liga. Gleichzeitig absolvierte sie ein Probetraining beim Frauenteam des SC Dortelweil, das um den Aufstieg in die Regionalliga kämpfte. Für beide ging es im Sommer eine Liga hoch. Liening-Ewert entschied sich gegen das Frauenteam und für das Männerteam. Eine Frage des Aufwands, wie sie erklärt. Denn beim 1. Rödelheimer FC finden die Auswärtsspiele allesamt im Frankfurter Stadtgebiet statt, bei Dortelweil hätte sie quer durch Süddeutschland reisen müssen. Nicht vereinbar mit ihrem Privatleben. 

Entsprechend glücklich war sie über den Beschluss des Verbands, dass just ab dieser Saison gemischt-geschlechtliches Spielen erlaubt ist. Sie war nicht die erste Spielerin in Hessen, doch während in anderen Regionen die Frauen im untersten Kreisklassebereich antreten, ist Liening-Ewert in der der Kreisoberliga aktiv. „Das ist wohl das Maximum, was ich erreichen kann“, sagt sie und erklärt die Gründe: „Männer sind schneller, Männer haben körperliche Vorteile. Als Feldspielerin muss ich das mit schnellen Entscheidungen und sauberem Spiel ausgleichen. Ich muss ballorientiert spielen, die Bälle schnell loswerden. Wenn ich gegen Frauen spiele, kann ich meine körperlichen Vorteile ausspielen. Gegen Männer habe ich körperlich kaum eine Chance, weil die meisten Kreisoberliga-Fußballer eben auch athletisch sind.“ Trotz 1,76 Meter Körpergröße stößt sie also körperlich an ihre Grenzen, die sie auch für andere Frauen in dieser Spielklasse sieht. „Ich glaube, dass tatsächlich noch etwas mehr gehen würde, aber dafür braucht es professionelle Rahmenbedingungen, um eine solche Körperlichkeit zu erreichen.“ 

Und Liening-Ewert ist nicht das fünfte Rad am Wagen des Rödelheimer FC, sondern feierte am vergangenen Wochenende ihr Startelfdebüt auf der Sechs – beim ersten Saisonsieg des Aufsteigers. Manchmal spielt sie aber dennoch mit Frauen zusammen. Denn beim KIT SC hat sie ebenfalls ein Spielrecht. Dort hat sie hat sie auch ihren Lebensgefährten kennengelernt. Beim Fußball natürlich.

Ich muss nicht quer durch die Republik fahren, um für mich persönlich auf höchstem Niveau Fußball zu spielen. Pia Liening-Ewert

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