Absurdistan bei Eintracht Frankfurt im Stadtwald gegen Mainz 05

22. Dezember 2024, 13:48 Uhr

Da hilft auch das größte Engagement nichts: Dino Toppmöller muss mit seinem Team eine bittere Pille schlucken. © dpa

Eintracht Frankfurt verliert ein kurioses Fußballspiel gegen Mainz 05, kann auch eine numerische Überlegenheit nicht nutzen und geht mit einer Negativserie in die Ferien.

In diesem kuriosen, ja fast schon absurden Bundesligaspiel zwischen der Eintracht und Mainz 05 im Frankfurter Fußballtempel im Stadtwald geschah nach fast einer Stunde Spielzeit dieses: Schöne, butterweiche Flanke von Nathaniel Brown von links, am langen Pfosten will Fares Chaibi den Ball mit einer Kopfballvorlage scharf machen, um vielleicht doch irgendwo eine Lücke zu finden in diesem engmaschigen Netz aus Mainzer Abwehrbeinen, das eine glücklich-trockene 2:0-Führung mit einem Mann weniger leidenschaftlich verteidigt. Chaibi geht also hoch – und köpft die Kugel an den Hinterkopf des vor ihm postierten Mitspielers Rasmus Kristensen, der Ball kullert ins Aus, Abstoß. Und die Eintracht-Spieler schauen sich an, als hätte sich der liebe Gott und der Fußballgott gemeinsam gegen sie verschworen. Eine Minute später machen die Mainzer das 3:0, Ende Gelände.

Es war nur eine kleine Slapstickszene in einem großen Slapstickspiel, aber sie war doch sehr bezeichnend für diesen Nachmittag im Waldstadion. Robin Koch, Kapitän zur Aushilfe, konnte sich zeit seiner ganzen Karriere nicht daran erinnern, an einem solchen Fußballspiel teilgenommen zu haben. „Das war so ein Spiel, da hat nix geklappt.“

Einige Beteiligte fassten den maximal glücklichen 3:1 (2:0)-Erfolg des FSV Mainz 05 in Ermangelung an stichhaltigen Erklärungen mit maximaler Einfachheit zusammen. „So ist Fußball“, flötete nicht nur der Mainzer Trainer Bo Henriksen, sondern auch sein Kollege Dino Toppmöller. Beide waren freilich in unterschiedlichen Gefühlswelten zu Hause. Dino Toppmöller wähnte sich im falschen Film, das Resultat fühle sich „komisch“ an, befand er. Gleichwohl gibt es solche Spieler und Tage, an denen es einfach nicht sein soll. „Wir hätten noch länger spielen können, es hätte wohl nicht gereicht“, konstatierte Sportvorstand Markus Krösche.

Am Ende stand ein Expected-Goals-Wert von 3,5 zu 0,59, 30:8 Schüsse, 17:2 Ecken, Großchancen zuhauf. Aber eine 1:3-Niederlagen. „Wir haben so viele Chancen, die reichen normalerweise für mehrere Spiele“, befand Abwehrboss Koch. „Und hinten fangen wir aus dem Nichts drei Tore.“ Der Unglauben stand dem 28-Jährigen ins Gesicht geschrieben. „Das ist maximal enttäuschend, extrem frustrierend.“

Und es kann nun wirklich niemand behaupten, dass die Frankfurter enttäuscht hätten oder nicht alles, was in ihnen steckte, auf den Rasen geworfen hätten. „Ich kann ihnen gar keinen Vorwurf machen“, bedeutete Sportchef Krösche. „Die Mainzer wissen gar nicht, wie sie gewonnen haben.“ Das ist nicht ganz zutreffend, denn die Rheinhessen verdienten sich den Erfolg durch totale Aufopferung und Hingabe, verteidigten ihre Heiligtum mit allem, was sie aufzubieten hatten – und sie hatten in Robin Zentner einen Torwart, der „phantastisch“ hielt, wie Dino Toppmöller lobte. Im Gegensatz zu seinem eigenen Schlussmann Kaua Santos, der den erkrankten Kevin Trapp vertrat und einen rabenschwarzen Tag erwischte (siehe weiteren Bericht auf der nächsten Seite).

Auch das ist eine Geschichte des Spiels. Denn in der Historie der Bundesliga hat es wahrscheinlich nicht so viele Partien gegeben, die von gleich zwei solch kapitalen Torwart-Böcken nachhaltig beeinflusst wurden. Santos machte beim 0:1 ein Tomislav-Piplica-Gedächtnis-Eigentor, auch das 0:3 verschuldetete er mit einem hanebüchenen Fehlpass und einer unsauberen Abwehr. Bis zum ersten Gegentor nach 15 Minuten hatten die Mainzer nicht aufs Tor geschossen, sie wurden gnadenlos hergespielt, sodass Trainer Henriksen eine Unterbrechungspause nutzte, um das gesamte Team zusammenzutrommeln und neu einzustellen. Mit Erfolg.

An diesem Nachmittag überstanden sie daher selbst eine 70-minütige Unterzahl schadlos, nachdem Nadiem Amiri nach einem Tritt mit offener Sohle gegen den Knöchel von Ellyes Skhiri vom Platz flog (21.). „Wir müssen eigentlich nach 15 Minuten 2:0 führen, bekommen dann ein wahnsinniges Gegentor“, rekapitulierte Toppmöller. „Mit dem zweiten Torschuss steht es 0:2“, nach 27 Minuten. Und später sogar 0:3 (58.). Zu mehr als Kristensen Verkürzungstor sollte es für die Eintracht nicht reichen (75.). Und auch die hypothetische Annahme, wonach sie das Spiel wohl noch gedreht hätte, wenn Can Uzun kurz nach der Pause den Ball einfach ins Tor und nicht den Mainzer Keeper angeschossen hätte, ist eben genau das: eine hypothetische Annahme. Aber auch diese Szene ist symptomatisch für diese Begegnung. „Von 100 Versuchen schießt Can ihn 99-mal rein“, bekundete Toppmöller und fügte an: „Heute nicht.“ Für den Fußballlehrer ist aber auch klar: „Wir dürfen gegen einen Mann weniger nicht zwei Tore kassieren, egal, wie sie zustande gekommen sind.“

Diese merkwürdige Partie gegen Mainz 05 ist keine, die größere Rückschlüsse zulässt, zu speziell war sie in allen Facetten. Doch der aktuelle Trend ist sicher trotzdem kein Zufall, und der Trend ist kein guter. Seit fünf Spielen warten die Frankfurter jetzt auf einen Sieg, vier dieser Begegnungen haben sie verloren. Das ist eine gefährliche Entwicklung, auch wenn die Hessen noch den dritten Platz halten. Das Klassement ist freilich sehr eng zusammengerückt. „Das Momentum ist nicht auf unserer Seite“, bemerkt Trainer Toppmöller.

Natürlich schleppen die Spieler jetzt diese bittere Pille mit in die Ferien. „Nach zwei, drei Tagen werden die Jungs aber die Enttäuschung aus den Kleidern schütteln“, sagt Toppmöller. „Und dann werden wir im neuen Jahr mit neuer Energie wieder angreifen.“

Der Urlaub ist überfällig für die Eintracht. Gerade in den zurückliegenden Wochen trat sie oft in der Fremde an, national oder international, das schlaucht – gerade mental. „Der Fußball kommt jetzt mal aus dem Kopf raus“, sagt Robin Koch. „Der Abstand wird uns gut tun.“ Lange Ferien gibt es nicht, am 2. Januar geht’s weiter.