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Als aus einer Shoppingtour ein Verhör wurde
Gruppenliga: Der unkonventionelle Aaron Neu über seinen unkonventionellen Wechsel
Petersbergs Neuer Aaron Neu hat für das Fußballspielen, hier gegen Künzell im Laufduell mit Jonas Aschenbrücker (links) genauso viel übrig wie...
Spontan und abenteuerlustig kommt Neu nämlich daher. Der in Düsseldorf geborene und in Freiburg aufgewachsene Blondschopf ist eigentlich keiner, der sich in einen strikten Spielplan pressen lässt. Sein Debüt für den RSV in der Gruppenliga war Mitte März gegen Oberzell/Züntersbach vorgesehen, doch da tourte Neu, der Neue, gerade durch Afrika. Eine Tante aus seiner in der ganzen Welt verstreuten Familie lebt dort, genauer gesagt im Senegal. Während seine Mannschaftskollegen gegen die Sinntaler 1:2 verloren, tourte Neu mit einem Kumpel im Wohnwagen durch Dakar. „Klar war das ein etwas blödes Timing, aber der Besuch war schon ewig geplant“, erklärt Neu, dem es die natürlichen, vom Tourismus noch eher unberührten Destinationen angetan haben. „Eine Tour von Mexiko runter durch ganz Südamerika habe ich auch schon gemacht. Es hilft einem, den eigenen Horizont zu erweitern und neue Kontakte zu knüpfen“, schwärmt Neu von seiner zweiten Leidenschaft neben dem Fußball, dem Reisen. Noch sei er jung, und mit dem während der Schulzeit und dem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem integrativen Kindergarten Angesparten habe er es sich finanziell einrichten können.
Der 21-Jährige selbst bezeichnet sich als Straßenfußballer, ließ es sich nicht nehmen, auch mal in den Favelas von Rio de Janeiro zu kicken, bis die Füße bluteten – und entkam dabei nur knapp einer Schießerei in den gefährlichsten Ecken der brasilianischen Hauptstadt. Vielleicht nimmt er es auch deshalb mit dem Fußball eher locker.
In seiner Heimat, beim Freiburger FC, war er insbesondere bei der Reserve, die derzeit in der Landesliga Südbaden (vergleichbar mit der Gruppenliga) Vierter ist, Leistungsträger. „Um in die Erste zu kommen, war ich zu oft unterwegs, in meiner Jugend außerdem ab und an zu ungestüm. Generell war die Durchlässigkeit in Freiburg zwischen Erster und Zweiter aber absolut gegeben, weil die erste Mannschaft nur eine Klasse weiter oben spielt und der Gesamtkader sehr homogen ist. Deswegen habe ich auch ab und an Verbandsliga gespielt“, erklärt Neu die Strukturen in seinem Heimatverein.
Knapp einer Favela-Schießerei entkommen
Dort kickt er jetzt nur noch sporadisch, des Studiums der Internationalen BWL wegen ist Neu nun Neu-Fuldaer. „Eine schöne Stadt“, findet der Mittelfeldmann, der aber vor allem deshalb in der Region Ost¬hessen gelandet sei, „weil mich sonst keiner für ein Studium wollte oder der NC nicht gereicht hat. Aber das passt schon.“ Seine Heimat, die typische Studentenhochburg Freiburg, sei für Neu keine Option gewesen: „Ich wollte mal raus.“
In Fulda hat sich Neu in einer Wohnung in Bahnhofsnähe gut eingelebt, schon Kontakte geknüpft und sogar einen Nebenjob in einem Laden für stylische Schuhmode gefunden. „Ich bin gerne auf Achse und möchte eigentlich nicht sinnlos zu Hause chillen, wenn ich zu viel Zeit habe. Auch in Freiburg habe ich noch einen kleinen Nebenjob, wenn ich mal zu Hause bin.“ Kein Wunder, dass Aaron Neu auch fußballerisch schnell Anschluss gefunden hat. „Erst war ein Wechsel nach Johannesberg angedacht, weil mit Jan-Niklas Rintelmann ein Kommilitone von mir dort spielt“, erzählt Neu. Doch es kam anders.
Schuld daran ist der frühere Brander und Haimbacher Trainer Peter Bosevski, der in einem Sportfachhandel in Fulda arbeitet. „Ich war da nur zum Stöbern drin, aber habe schnell gemerkt, dass in dem Laden viele aus Fuldas Fußballszene arbeiten.“ Auch „Pece“ Bosevski roch schnell den Braten, „aus der Shoppingtour wurde ein regelrechtes Verhör“, erinnert sich Neu lachend – und landete kurz darauf über den verkappten Vermittler Bosevski beim RSV Petersberg.
"Pece" Bosevski spielte den Vermittler
Dort hat Neu mittlerweile sogar für die nächste Saison zugesagt, „weil es mir echt viel Spaß mit der Truppe macht, ich mit Trainer Jürgen Krawczyk gut klarkomme und wir auch sportlich ganz gut unterwegs sind. Dazu haben wir viele junge Spieler dabei, die Ambitionen haben.“ Mit Neu, übrigens auch erst 21, hat der RSV Petersberg alle drei Spiele nach der Oberzell-Partie für sich entschieden, „wobei ich gerne mehr als ein Tor geschossen hätte. Ich habe etwas Ladehemmung“, gesteht der Südbadener selbstkritisch, der etwas bedauert, dass sich meist nicht so viele Zuschauer an den Waidesgrund verirren – in Freiburg seien es bei besseren Spielen manchmal 400 gewesen – „und manche dann von draußen noch unschöne Dinge reinrufen.“ Das gebe es in Freiburg nicht, „allerdings wird der Fußball hier rund um Fulda unheimlich gepusht durch die Medien. Es ist eine ernste Sache. Das ist schon cool, man darf aber auch nicht vergessen, dass wir hier siebte Liga spielen.“
Neu ist einer, der Lockerheit und Flexibilität gleichermaßen ausstrahlt, gerne mal einen Umweg statt den geraden Kurs nimmt, was allerdings nicht mit fehlender Zielstrebigkeit gleichgesetzt werden soll. „Natürlich will ich mit Petersberg was erreichen. Dieses Jahr können wir noch Siebter werden, nächste Saison vielleicht weiter in Richtung Spitze angreifen.“ Und auch für sein Studium hat Neu konkrete Pläne: „Das Pensum ordentlich durchziehen und im Rahmen des Studiums unbedingt ein Auslands¬semester oder Praktikum in Barranquilla machen.“ Das liegt in Kolumbien, neben Brasilien eines der Lieblingsländer von Aaron Neu – wobei in Zukunft wahrscheinlich noch andere Länder dazukommen werden.