Bahssou macht den Wahnsinn perfekt
Hessenliga: 5:5-Spektakel zwischen Waldgirmes und Friedberg
Der Friedberger Trainer Mustafa Fil musste sich nach dem nicht alltäglichen Ergebnis erst einmal sammeln: "So etwas sieht man nicht alle Tage. Die erste Halbzeit haben wir komplett verschlafen. Wir waren sehr weit weg von unseren Gegenspielern und sind nicht in die Zweikämpfe gekommen. Wir haben die schön herausgespielten Tore von Waldgirmes zugelassen", meinte der Coach zur desolaten ersten halben Stunde. Gespielt wurde bei Temperaturen über 25 Grad auf dem Kunstrasenplatz, obwohl der nebenan liegende Rasen optisch einen hervorragenden Eindruck machte. Mehrmals im Spielverlauf überwarfen die Friedberger Trainer ihren ursprünglichen Matchplan, im 4-2-3-1-System zum Erfolg zu kommen. Nachdem die Gäste schon früh auf Dreierkette umgestellt hatten, erfolgten nach 36 Minuten auch zwei personelle Wechsel. Semun Biber und Michael Kohnke wurden gegen Masse Bell Bell und Silvio Penava ausgetauscht. Zwischenzeitlich agierte Ertugrul Erdogan als Innenverteidiger und wurde danach wieder auf die Sechserposition gestellt. All diese taktischen Umstellungen brachten zunächst nichts, weil die Friedberger nach 31 Minuten schon scheinbar hoffnungslos mit 1:4 im Hintertreffen lagen.
Waldgirmes erspielte sich von Beginn an mehr Ballbesitz und ging relativ früh mit 1:0 in Führung. Die Gäste reklamierten ein Foulspiel, aber der Pfiff blieb aus und somit rollte der Angriff über die rechte Seite der Hausherren weiter. Marcel Siegels flache Hereingabe schob Nicolas Strack ein (14.). Fünf Minuten später konterte der SCW nach einem Friedberger Ballverlust mustergültig. Tolga Duran setzte Strack mit einem Steilpass ein. Der Ball landete am Pfosten und Semun Biber klärte. Der SC machte das Spiel und die Tore. Ein Distanzschuss Durans landete abgefälscht als Bogenlampe zum 2:0 im Tor von Vladan Grbovic (24.). Drei Minuten danach neue Hoffnung für die bislang harmlosen Gäste. Der Freistoß von Vuk Toskovic wurde vom SC-Verteidiger Karl Cost gegen die eigene Latte geköpft. TGF-Innenverteidiger Sebastian Bartel staubte zum 2:1 ab (27.). Doch zwei Minuten später war der Ex-Lehnerzer auf der anderen Seite der Pechvogel und lenkte eine Duran-Flanke unglücklich ins eigene Tor (29.). Durch den "Doppelschlag" war der alte Abstand wiederhergestellt und zwei Minuten danach würde die Türk-Gücü-Abwehrkette erneut überlaufen: Mert Berkan Ciraci schickte Strack steil und der Stürmer stellte auf 4:1 (31.).
Unglaubliche Moral von Türk Gücü
"Die ganze Situation hat mir in der Form nicht gefallen", begründete Fil die taktischen und personellen Umstellungen. Waldgirmes hatte alles in der Hand und hätte zur Halbzeit auch höher führen können. Duran traf noch einmal den Pfosten und den Nachschuss Hartmanns parierte Grbovic. Nach dem Seitenwechsel bewies Türk Gücü eine unglaubliche Moral, denn nach einer Stunde schien die Partie endgültig entschieden zu sein. Zunächst mussten die Hausherren den Torhüter verletzungsbedingt wechseln, für Jan Michael Dühring kam Maik Buss (50.). Kurz danach kam Friedberg nach einer Takahashi-Flanke durch den Direktschuss von Toskovic auf 4:2 heran (52.). Doch die Mittelhessen schlossen einen weiteren Konter durch Durans strammen Schuss mustergültig zum 5:2 ab (61.). "Was danach mit der Mannschaft passiert ist, davor muss ich meinen Hut ziehen. Diese Moral, die sie an den Tag gelegt haben, hat den Umschwung gebracht. Chapeau! Das Spiel hätte auch 7:7 ausgehen oder wir hätten 8:7 verlieren oder 9:7 gewinnen können", resümierte Fil. Schien das 5:3 von Gürsoy (72.) nach einem öffnenden Pass von Tesfaldet lediglich eine Ergebniskosmetik zu sein, so wurden die 410 Zuschauer am Ende völlig überrumpelt.
Der SCW war sich zu sicher und agierte hinten bei den hohen Bällen der Friedberger zu nachlässig. Masse Bell Bell verkürzte auf 5:4 (86.) und eine Minute danach wurde Bahssou von Siegel im Strafraum gelegt. Es gab Elfmeter und der Torjäger machte mit dem 5:5 (87.) den Wahnsinn perfekt. Friedberg gab sich aber danach auch in der Nachspielzeit nicht mit dem Remis zufrieden und drängte sogar auf die Entscheidung. Letztlich blieb es beim leistungsgerechten Unentschieden, weil Waldgirmes in der ersten halben Stunde furios aufspielte und Friedberg in der letzten. "Über diesen Punkt sind wir glücklich nach diesen zwei unterschiedlichen Hälften. Wir werden auch mit einem Punkt einen schönen Samstag haben", freute sich Fil. Waldgirmes-Coach Daniyel Bulut sah das Torspektakel so: "Es muss nach 45 Minuten 6:1 oder 7:1 für uns stehen. Fünf Tore daheim sollten aber reichen, um zu gewinnen. Wir hatten Chancen, um noch mehr Tore zu schießen, waren aber auch sehr unsicher in der Abwehr. Friedberg spielte am Ende Hau-Ruck, alles oder nichts nach vorne. Damit kamen wir überhaupt nicht zurecht. Das 5:5 fühlt sich wie eine Niederlage an, aber wenn das Spiel fünf Minuten länger dauert, verlieren wir sogar. Diesen Punkt müssen wir mitnehmen und daraus lernen."
Die Statistik:
SC Waldgirmes: Dühring (50. Buss) - Siegel, Cost, Schmidt, Ciraci - Golafra, Schneider - Hartmann (85. Helm), Duran, Öztürk - Strack (77. Schmitt).
Türk Gücü Friedberg: Grbovic - Takahashi, Biber (36. Penava), Bartel, Usic - Tesfaldet, Erdogan - Kohnke (36. Bell Bell), Gürsoy (90.+3 Akkus Rodriguez), Toskovic - Bahssou.
Schiedsrichter: Nicklas Rau (Wöllstadt).
Zuschauer: 410.
Tore: 1:0 Nicolas Strack (14.), 2:0 Tolga Duran (24.), 2:1 Sebastian Bartel (27.), 3:1 Sebastian Bartel (29., Eigentor), 4:1 Nicolas Strack (31.), 4:2 Vuk Toskovic (52.), 5:2 Tolga Duran (61.), 5:3 Abdussamed Gürsoy (72.), 5:4 Masse Bell Bell (86.), 5:5 Younes Bahssou (87., Foulelfmeter).