Bühne frei für Arthur Theate
Es sagt einiges aus, wenn dieser Text über den formidablen Verteidiger Arthur Theate mit seinem Vorgänger startet, dem... äääh, wie hieß er doch gleich? Ach ja, Pacho, William, nein Willian, mit „n“. Willian Pacho also, im Sommer nach nur einem Jahr bei Eintracht Frankfurt für satte 40 Millionen Euro zu Paris St. Germain gewechselt, hat den Sprung zum europäischen Spitzenklub mühelos gepackt, in 14 von 16 Pflichtspielen hat der Ecuadorianer verteidigt, hat in allen Champions League-Partien seinen Mann gestanden, meist an der Seite des brasilianischen Top-Stoppers Marquinhos, dazu ist er unverrückbare Stammkraft in der Nationalelf, der unter anderem Lionel Messi aus dem Spiel genommen hat. Mit anderen Worten: Willian Pacho, 23, hat voll eingeschlagen in Paris, da haben frühere Eintracht-Spieler schon andere Erfahrungen machen müssen.
In Frankfurt freilich redet tatsächlich kein Mensch mehr über Senhor Pacho. Dabei hat er, der als unbeschriebenes Blatt von Royal Antwerpen kam, wirklich sehr, sehr gut gespielt bei der Eintracht und die Erwartungen deutlich übertroffen.
Dass Pacho kaum noch Erwähnung findet, liegt allein an seinem Nachfolger: Arthur Theate.
Der Mann mit der „Tingeltangel-Bob-Frisur“ (HR), so viel kann man jetzt schon sagen, ist einer der besten Verpflichtungen der letzten Jahre, vielleicht Jahrzehnte, womöglich auf einer Stufe mit Randal Kolo Muani oder Omar Marmoush oder Kevin Trapp. Theate, der von Stade Rennes für ein Jahr ausgeliehen ist (aber mit Kaufoption über 13 Millionen Euro, die Vorstand Markus Krösche auf alle Fälle zahlen wird), hat vom ersten Tag an Eintracht Frankfurt besser gemacht.
Der Mann aus Lüttich ist hinten, im Zentrum oder links, eine Bank, so gut wie nicht zu überwinden, er verliert kaum einen Zweikampf, ist kopfballstark. Er spielt mit einer Abgebrühtheit, einer Ruhe und Souveränität, die man in seinem noch jungen Alter von 24 Jahren nicht direkt erwartet. Im Grunde spielt er wie ein 34-Jähriger, der fünf Jahre Catennaccio bei AC Mailand oder Juventus hinter sich hat und weitere fünf beim Spielzerstörer Diego Simeone (Atlético Madrid) in die Lehre gegangen ist.
Und weil Theate, den Krösche nach der kurzfristigen Absage des Griechen Konstantinos Koulierakis förmlich aus dem Hut gezaubert hat, derart bombastisch eingeschlagen hat, färbt dessen Aura auf die abwehrenden Kollegen. Theate gibt sowohl Robin Koch, vor allem aber Tuta jene Sicherheit, die sie brauchen, um über die Maßen gut zu performen. Dass allenthalben, wie zuletzt gegen Werder Bremen, die Defensive gelobt wird, dass die Eintracht trotz (oder wegen?) geringen Ballbesitzes zwar vermehrt unter Druck gerät, aber selten viele Abschlüsse des Gegners zulässt, ist Arthur Theate zuzuschreiben.
Der belgische Nationalspieler ist die Säule, an der sich alle anlehnen können. Er habe, hob Krösche den Daumen, eine „unglaubliche Qualität und Verteidigermentalität“, sei ein „sehr intelligenter Spieler“ noch dazu.
Und er kann das Spiel eröffnen. Er hat die technischen Fähigkeiten, den Ball scharf in die Tiefe zu spielen, gerade gegen Bremen zeigte er das und soll das auch am Donnerstag (21 Uhr/RTL) in Dänemark gegen den FC Midtjylland tun. „Genau diese tiefen Bälle wollen wir sehen“, sagt Krösche.
Dazu kommt, dass Arthur Theate, der früher in der Jugend im Sturm spielte und mit den Jahren „immer weiter nach hinten geschoben wurde“, wie der 24-Jährige erzählte, auch menschlich bestens ins Team passt. Anpassungsschwierigkeiten hatte er keine, und als er im Pokalspiel gegen Mönchengladbach wegen eines überflüssigen Handspiels sehr früh die Rote Karte gesehen hatte, hat er sich später mit einem Abendessen bei der gesamten Mannschaft entschuldigt.
Ohnehin ist er auf dem besten Weg, zu einer Führungspersönlichkeit zu werden bei der Eintracht - wenn er das aufgrund seiner überragenden Leistungen nicht schon längst ist. Von seinem ganzen Auftreten ist er prädestiniert dafür, vorweg zu gehen.
Vor seinem Wechsel in die Bundesliga hat er bereits 34 Spiele für AC Bologna, 63 Partien für Stade Rennes, 18 Einsätze in der Europa League sowie 23 Länderspiele absolviert, unter anderem bei der EM in Deutschland, da spielte er sogar mit Belgien im Frankfurter Stadion gegen die Slowakei, ohne damals zu wissen, dass dies ein paar Wochen später sein zweites Zuhause sein würde. Zuvor war er bei Standard Lüttich, KRC Gent und seinem Jugendverein KAS Eupen am Ball, dort wird er im Januar auch einen Bolzplatz eröffnen, seine Wurzeln verbirgt der Verteidiger nicht.
Bald trifft Arthur Theate auf einen Mann, dem er viel zu verdanken hat. Alex Blessin, der deutsche Trainer, war es, der ihn 2020 zum KV Oostende holte, vorher war der Linksfuß ohne Klub gewesen, überall war er angelehnt worden. Theate hatte seinerzeit klar gemacht: Noch ein letzter Versuch, falls der nicht klappe, beginne er eine Lehre. „Als er sah, dass wir schon zwei Außenverteidiger haben, wollte er direkt wieder weg“, erzählte Blessin unlängst dem „Kicker“. Doch der damals 20-Jährige setzte sich durch, machte 38 Spiele und wechselte für 15 Millionen nach Bologna.
Mittlerweile leitet Blessin den FC St. Pauli an, Gegner der Eintracht im Januar im Stadtwald. Und es war Blessin, den Theate fragte, ob ein Engagement in Frankfurt das Richtige für ihn sei. Er riet ihm zu. Zum Dank, sagt der St.Pauli-Coach, der einst als Saint-Gilloise-Trainer den Hessen ein schmerzvolles Aus beschert hatte, „bekomme ich nach jedem Wechsel sein erstes Trikot“.