Chaos an der Castroper
Den pokalfreien Werktag in dieser Woche hat der bereits in der ersten Runde ausgeschiedene VfL Bochum immerhin dazu nutzen können, die Wogen zu glätten, die er selbst überhaupt erst aufgetürmt hatte. Es läuft ja mal wieder nicht besonders rund beim Revierklub von der Castroper Straße, Platz 18 (bei einem Punkt und einem Torverhältnis von 7:22), wobei man das eigentlich gewohnt sein sollte: In der vergangenen Saison rangierte der Verein zum gleichen Zeitpunkt auf Platz 17 (vier Punkte, 6:24 Tore), ähnlich in 2022/23 (Platz 18, ein Punkt, 5:23 Tore). Kummer sollte man also gewohnt sein in Bochum, sie brauchen beim VfL traditionell immer eine Weile, ehe sie Fahrt aufnehmen in der Bundesliga. Am Ende hat es in den vergangenen drei Jahren stets zum knappen Klassenerhalt gereicht, aber so eng wie im Mai dieses Jahres, als ein größeres Fußballwunder in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf herhalten musste, war es nie. „Der VfL“, sagt der Sprecher der Geschäftsführung Ilja Kaenzig lapidar, „steht für ganz großes Drama.“
Derlei Spätstarts nervten den Mann, der einst bei Reiner Calmund und Bayer Leverkusen das Manager-Handwerk erlernte, offenbar gehörig, erstaunlicherweise denkt man beim Verein für Leibesübungen weiterhin eher groß, das verwundert, denn was kann es für den Nischenklub für ein anderes Ziel geben, als die Klasse zu halten? Noch dazu in einer Saison, bei der Kevin Stöger, Keven Schlotterbeck, Takuma Asano oder auch Patrick Osterhage, allesamt Leistungsträger, nicht mehr zur Verfügung stehen. Von dem exaltierten (aber guten) Torwart Manuel Riemann ganz abgesehen.
Bröckelnder Zusammenhalt
Ilja Kaenzig also fand, „man habe keine einfache Mannschaft“ und goss damit in einer bislang ziemlich chaotisch verlaufenen Saison mit der Demission des erst im Sommer eingestellten Cheftrainers Peter Zeidler, des sportlichen Leiters Marc Lettau und des Rücktritts des Präsidenten Hans-Peter Villis zusätzlich frisches Öl ins Feuer. Prompt rief diese Aussage Spielführer Anthony Losilla auf den Plan, der darüber nicht erfreut war. „Das brauchen wir gerade nicht, gegeneinander zu schießen.“ Negativ über die Mannschaft zu reden, „bringt uns nicht weiter “, sagte der 38-Jährige an die Adresse Kaenzigs. Auch Interimstrainer Markus Feldhoff widersprach dem 51 Jahre alten Chef: „Die Mannschaft ist alles andere als schwierig“, er würde für jeden Spieler „die Hand ins Feuer legen“. Immerhin, so heißt es, habe man sich mittlerweile ausgesprochen.
Aber natürlich knirscht und kracht es gewaltig bei den vielsprachigen Blau-Weißen, ist die Unruhe mit Händen zu greifen. „Es geht ums Überleben“, greift Kaenzig ganz oben ins Regal. Dazu ist der Geduldsfaden bei der Besetzung des Trainerpostens traditionell kurz, Coach Peter Zeidler musste nach nur drei Monaten gehen, allerdings verlor er acht von neun Pflichtspielen, man habe „Fehler korrigieren müssen“, nannte das der Geschäftsführer, wohlwissend, dass erst spät feststand, in welcher Klasse der VfL Bochum spielen würde. Zeidler fand nie das passende System für das Team, bald bröckelte der Zusammenhalt. Ein paar Wochen zuvor war Thomas Letsch, der ebenfalls mit einer kaum konkurrenzfähigen Mannschaft trotzdem den Klassenerhalt geschafft hatte, nach sechs sieglosen Spielen am Stück der Stuhl vor die Tür gesetzt worden. Ohnehin ist das grundsätzliche Anforderungsprofil an Fußballlehrer in Bochum ambitioniert: Trainer sollen mehr aus der Mannschaft herausholen, als es der Kader hergibt.
Und das klappt im Moment nicht. Das liegt auch daran, dass die nahezu kostenneutralen Neuverpflichtungen Ibrahima Sissoko, Dani de Wit, Koji Miyoski oder Jakob Medic noch nicht eingeschlagen haben. Zur Ehrenrettung ist allerdings zu sagen: Bochum hatte ein schweres Auftaktprogramm zu absolvieren, hat bereits gegen die Top-Teams Leipzig (0:1), Freiburg (1:2), Dortmund (2:4) und Bayern (0:5) gespielt, und dabei etwa den BVB am Rand einer Niederlage gehabt. Die nächsten drei Gegner heißen im übrigen: Eintracht, Leverkusen, Stuttgart. Das macht die Arbeit des Übergangsduos Feldhoff und Murat Ural nicht einfacher. Die schlagbaren Widersacher auf Augenhöhe kommen noch.
Trotzdem könnte das Gastspiel heute Nachmittag (15.30 Uhr/Sky) im Frankfurter Stadtwald ein gutes Omen sein für den VfL, vielleicht gar zu einer Initialzündung werden: Vor zwei Jahren schafften die Bochumer ihren ersten Saisonsieg (3:0) ebenfalls am neunten Spieltag, der Gegner damals: Eintracht Frankfurt, allerdings an der Castroper Straße.
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