Deswegen gibt es in Bebra einen spanischen Verein
Nein, eine besondere Vorliebe zu Real Madrid oder Espanol Barcelona hatten die Vereinsgründer des einzigen spanischen Clubs der Region nicht, als sie 1982 den drei Jahre zuvor gegründeten „Verein spanischer Emigranten“ in FC Real Espanol Bebra umtauften und seither um Punkte kämpfen. Vielmehr ist die Geschichte der „Spanier“, wie der Club beinahe ausschließlich genannt wird, eine ganz typische. Der heutige 2. Vorsitzende Angel Fernandez Rosas erzählt sie.
Von spanischen Einwanderern zu einem multikulturellen Fußballteam
In Zeiten des Franco-Regimes wurden in Spanien nicht nur Teile der Bevölkerung unterdrückt, vielmehr litt auch die Wirtschaft nachhaltig. Zahlreiche arbeitswillige Spanier aus strukturschwachen Regionen versuchten im Ausland schnelles Geld zu verdienen. So auch Fernandez Rosas’ Vater. Erst ein dreiviertel Jahr allein in Frankreich, anschließend gemeinsam mit der noch jungen Familie in Deutschland. Die Stadt Bebra hatte explizit in Andalusien nach Arbeitern gefahndet. Die Wirtschaft boomte, die Deutsche Bahn benötigte an einem ihrer Hauptumschlagspunkte in Bebra dringend Personal. Fernandez senior heuerte jedoch nicht bei der Bahn, sondern stellte Teekannen in Niederaula her. Hunderte Spanier taten es ihm in den 60er-Jahren gleich. Bebra wurde mit in der Spitze 300 bis 400 Einwohnern spanischer Herkunft eine Hochburg.
Und dementsprechend wurde nach gemeinsamen Schnittpunkten gesucht, die sich im Glauben fanden. Die katholische Kirche stellte den Emigranten 1979 einen Raum zur Verfügung, wo sich die Spanier sonntags nach der Kirche treffen und austauschen konnten. Während die Frauen kochten und die Männer sprachen, spielten die Kinder am Bolzplatz an der „Bleiche“ Fußball. „Es war nicht so, dass die Jungs damals gar nicht im Verein spielten. Sie spielten verstreut beim FV Bebra, in Weiterode oder Lispenhausen“, erinnert sich Fernandez Rosas. Er selbst war einer von ihnen, erlernte das fußballerische Einmaleins beim FV Bebra. Doch einmal in der Woche kickten sie gemeinsam. Drei Jahre später allerdings sollte sich dies zumindest für die Älteren ändern. Der Verein wurde umgetauft und erhielt den anmutenden Namen FC Real Espanol Bebra. „La familia real“, heißt es im Spanischen. Auf Deutsch so viel wie „die königliche Familie“. Die Vereinsgründer waren stolz auf ihren König und wollten dies im Vereinsnamen zum Ausdruck bringen. Doch um klar und deutlich die eigene Herkunft herauszustellen, wurde zusätzlich „Espanol“ hinzugefügt. Heute bleibt oft nur Espanol übrig, so wie von Fernandez Rosas der erste Nachname.
Fernandez selbst musste noch zehn Jahre warten, bis er für den Verein die Schuhe schnüren konnte, denn gemeldet wurde und wird nur ein Seniorenteam. Gleich mit 18 Jahren wechselte er das Lager und durfte in seinem ersten Seniorenjahr direkt den bis dato größten Vereinserfolg feiern. Die Spanier stiegen in die Bezirksliga (heutige KOL) auf. 1993 war das, 2003 wiederholte sich das noch einmal. Gern gesehen in der Stadt Bebra war das nicht unbedingt. „Es war schon so, dass vielen alteingesessenen Bebranern unser Verein ein Dorn im Auge war. Auch weil wir dazu noch Erfolg hatten“, erinnert sich Fernandez an die Seitenhiebe des FV. Doch übrig ist davon nichts mehr. Vielmehr wird beispielsweise das obligatorische spanische Sommerfest von der ganzen Stadt aufgenommen und erfreut sich immer mehr Zuspruch. Auch der FV ist längst in der FSG Bebra aufgegangen und teilt sich mit den Spaniern das Areal der Biberkampfbahn. Die Spieler pflegen untereinander ein ausgezeichnetes Verhältnis. Während die FSG auf dem A-Platz spielt und den oberen Teil des riesigen Sportlerheims in Beschlag nimmt, hat Espanol seine Heimat ein Stockwerk tiefer gefunden.
Schafft Real Espanol Bebra die Rückkehr in die A-Liga?
Gespielt haben sie dort zunächst nicht, sondern bekamen in den ersten Jahren immer wieder einen anderen Platz in einem Bebraner Stadtteil zugewiesen. Seit Ende der 80er-Jahre ist die Biberkampfbahn jedoch die sportliche Heimat. Genauer gesagt: der B-Platz. Doch das Vereinsheim war lange in der Innenstadt zu finden. Mittlerweile ist alles an einem Ort. Klein, aber fein. Und in Eigenleistung wird versucht, den Spielern die Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Denn Geld gibt’s nicht. „A, weil wir keins haben und B, weil es schon immer ein ungeschriebenes Gesetz ist“, berichtet Fernandez. Vielmehr müssen die Spieler noch Geld mitbringen. Sonntags vor den Spielen sammelt der Kapitän einen obligatorischen Euro ein. Für die Trikotwäsche. Wahrscheinlich einmalig. „Das einzige, was wir leisten können, ist ein Zuschuss zu den Trainingsanzügen“, erklärt der 50-Jährige und ist deswegen stolz, dass der Verein noch immer lebt. Sich immer wieder Spieler dazu entscheiden, den finanziellen Gedanken zurückzustellen.
Spielten in der ersten Mannschaft zwei Deutsche und sonst ausschließlich Spanier, ist der Club auch notgedrungen Heimat aller Nationen geworden. „Vielleicht 30 oder 40 Spanier leben noch in Bebra“, schätzt Fernandez. Auch, weil viele zurückgegangen sind. So wie sein Vater nach dem Eintritt in die Rente. „Als der Bescheid kam, saß er schon auf gepackten Koffern“, erinnert er sich und stellt fest, „dass das bei mir nicht so werden wird. Ich bin hier geboren, aufgewachsen, habe eine deutsche Frau geheiratet und mein Haus gebaut.“ Als Spanier fühlt er sich nicht nur wegen seines Passes trotzdem, hat aber auch einige deutsche Tugenden verinnerlicht. „Was für schlechte Zeiten beiseite schaffen“, zum Beispiel.
Die schlechten Zeiten von Espanol mussten um die Jahrtausendwende herum umschifft werden. Die talentiertesten Spieler hatte es zu anderen Vereinen gezogen, der Verein war in die B-Liga abgestützt. Fernandez hatte zu der Zeit in Weiterode und Rotenburg Gruppenliga-Erfahrung gesammelt. Doch für ihn und fünf andere war klar: „Wir müssen zurück, sonst meldet der Verein ab.“ Ungeschlagen marschierten die Spanier zurück in die A-Liga, wo sie bis 2022 spielten. Gegen den FSV Hohe Luft II geht es am Dienstag (19 Uhr in Bad Hersfeld) und Sonntag (15 Uhr in Bebra) in der Relegation um die Rückkehr in die A-Liga. „In der A-Liga fühlen wir uns wohl, da haben wir fast nur Derbys. Das ist unsere Liga“, stellt Fernandez klar. Doch wie lange die Spanier tatsächlich noch ins Rennen gehen können? „So lange wie möglich. Klar ist, dass wir keinesfalls eine Spielgemeinschaft eingehen werden. Wenn’s vorbei ist, ist’s vorbei.“ Die Spanier sind eben stolz – auch auf ihren königlichen Namen.
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