Die Eintracht sprengt alle Ketten
Ganz zum Schluss des Interviews in der Eiskammer von Heidenheim musste der Frankfurter Kapitän Kevin Trapp dann einfach mal grinsen. Eine Kampfansage in Richtung von Bayern München vielleicht, wollte die tapfere Dazn-Reporterin dem Eintracht-Schlussmann entlocken, doch der spielte da – natürlich – nicht mit. „Nein, nein, nein“, wiegelte der Torwart schmunzelnd ab. „Das jetzt ist eine wunderschöne Momentaufnahme. Wir haben ein unglaubliches Selbstvertrauen und auch ein Selbstverständnis entwickelt“, sagte der 34-Jährige. „Wir sollten jetzt genau so weitermachen.“ Aber Bayern-Jäger? Nein, nein, nein.
Das Understatement ist verständlich und richtig, doch die Zahlen sprechen nach dem klaren 4:0 (1:0)-Erfolg der Eintracht beim 1. FC Heidenheim am Sonntagabend mittlerweile eine andere Sprache, sie sind schon ein gutes Stück weit beängstigend. Denn Eintracht Frankfurt hat an diesem zwölften Spieltag nicht nur Platz zwei manifestiert in der Bundesliga, den Vorsprung auf den dritten Platz, jetzt der deutsche Meister aus Leverkusen, auf drei Zähler ausgebaut und den Abstand zum Branchenführer Bayern München auf vier Punkte verkürzt.
Nein, die Hessen marschieren mit Siebenmeilenstiefeln durch die Liga, wobei auch das nicht zutreffend ist: Die Eintracht marschiert mit Siebenmeilenstiefeln durch alle Wettbewerbe einfach hindurch. Sieben Spiele in Folge hat die Mannschaft von Trainer Dino Toppmöller nun gewonnen, ist seit neun Partien ungeschlagen, hat acht davon gewonnen. Wo soll das noch enden? Sportvorstand Markus Krösche kommentierte gewohnt trocken: „Tabellarisch den Abstand nach hinten ausgebaut zu haben, ist eine gute Geschichte.“
Die Frankfurter nahmen auch die Begegnung in der Schwäbischen Alb mit derselben Seriosität an, wie die Spiele zuvor. Sie lassen einfach nicht locker, keine Spur von Schlendrian oder auch einfach mal eine etwas laxere Einstellung, was angesichts der unzähligen Spiele und der Reisestrapazen verständlich wäre. Erst am späten Freitagmittag war die Eintracht-Entourage aus Dänemark heimgekehrt – nur um dann zwei Tage später ein kleines Feuerwerk zu zünden.
Natürlich war es wieder Omar Marmoush, der die Eintracht auf die Straße des Sieges schoss. Der Lauf des Ägypters ist rational gar nicht mehr zu erklären. Was der 25-Jährige anpackt, es klappt – wobei auch das nicht mal stimmt: An diesem frostigen Abend in Heidenheim hätte der Himmelsstürmer nicht nur zwei, sondern auch vier oder fünf Tore schießen können. Und das ist nicht mal ansatzweise übertrieben.
So blieb es bei den Treffern zum 1:0 (22.) und 3:0 (58.) – beide hervorragend initiiert durch den ebenfalls überragenden Nathaniel Brown. Der legte auch zum zwischenzeitlichen 2:0 durch den für den blassen Igor Matanovic eingewechselten Fares Chaibi auf (49.) (siehe Bericht auf der folgenden Seite). Für den Endstand sorgte eine schöne Kooperation zweier Einwechselspieler: Ansgar Knauff bediente mustergültig Hugo Ekitiké, der zum 4:0 einschob (90+4.).
Marmoush sprengt mit seiner entfesselnden Performance freilich alle Ketten, es war seine 28. Torbeteiligung im 19. Spiel. Das ist nicht von dieser Welt. Er ist ein solch großer Faktor und solch ein großer Unterschiedsspieler, dass manch einer schon findet: Spiele mit Beteiligung von Omar Marmoush seien halt einfach ungerecht. Könnte sogar was dran sein.
Das 4:0 in Heidenheim war, wie es schon das nüchterne Ergebnis ausdrückt, ein „hochverdienter“ (Cheftrainer Dino Toppmöller) Erfolg für die Eintracht. Auch in der Höhe in Ordnung, im zweiten Abschnitt konnten sich die Heidenheimer bei ihrem Keeper Kevin Müller bedanken, nicht vollends unter die Räder gekommen zu sein. „Das war ein Klassenunterschied“, urteilte FCH-Coach Frank Schmidt, der im ersten Abschnitt aber eine ausgeglichene Partie gesehen haben wollte. Das ist korrekt, einmal musste auch Eintracht-Torwart Kevin Trapp glänzend parieren gegen einen Schuss von Mikkel Kaufmann (12.), doch schon da war die Eintracht deutlich cooler und souveräner. „Das war ein sehr erwachsener Auftritt“, befand Kapitän Trapp. Und lobte gleichzeitig die „unfassbare“ Kaltschnäuzigkeit. „Unsere ersten drei Schüsse waren drin, wir sind brutal effektiv.“
Und Dino Toppmöller kann inzwischen aufstellen, wen er will – fast immer zahlen ihm die Spieler das Vertrauen zurück, einen großartige Qualitätsabfall muss er kaum in Kauf nehmen. Zumindest in den meisten Fällen. Am Sonntag etwa fiel nur Mittelstürmer Igor Matanovic ein wenig ab. Zur Halbzeit war für ihn Schluss. Der für ihn gekommene Chaibi machte prompt das vorentscheidende 2:0. „Ein glückliches Händchen“, befand Toppmöller.
Im Vergleich zum 2:1-Arbeitssieg auf internationalem Parkett in Dänemark beim FC Midtjylland nahm der Chefcoach gleich fünf Änderungen vor. Das ist inzwischen gute Sitte geworden, der Trainer bringt immer wieder neue Kräfte, um die Frische aller zu erhalten. Er macht das sehr geschickt und mit Augenmaß, und vor allen Dingen achtet er darauf, dass immer eine Achse auf dem Feld steht, die eine tragende Funktion übernimmt. „Die ganz große Rotationsmaschine werfen wir nicht an, es ist wichtig, dass das Gerüst auf dem Feld ist. Das muss funktionieren.“ Hat es, auch am Sonntag wieder im Eisschrank in der Schwäbischen Alb.