Die Eintracht und der Marmoush-Wahnsinn
Auch nach dem kargen 1:0-Arbeitssieg der Frankfurter Eintracht am Millerntor beim wackeren FC St. Pauli und dem damit zumindest vom Resultat her gestoppten Abwärtstrend drehte sich alles um den famosen Eintracht-Stürmer Omar Marmoush, der sehr wahrscheinlich nicht mehr so furchtbar lange ein famoser Eintracht-Stürmer sein wird.
Am Samstag stand der 25-Jährige aus zwei Gründen, die eng miteinander verwoben sind, im Brennpunkt. Erstens: seine seit Tagen bekannten Wechselabsichten. Zweitens: sein sportliches Statement am Millerntor – allen Turbulenzen zum Trotz. Es ist schon bemerkenswert, wie der ägyptische Nationalspieler den tosenden Wirbel um seine Person ausblenden kann. Vielfach war spekuliert worden, ob er „überhaupt mit nach Hamburg fährt“, wie selbst Trainer Dino Toppmöller erzählte. Und ob er womöglich Angst vor einer Verletzung habe, die seinen millionenschweren Transfer zu Manchester City torpedieren könnte. Und überhaupt: Was macht eine (noch) ungeklärte Zukunft mit einem Spieler, einem Spieler, der zwischen zwei Welten schwebt? Die Antwort: nichts!
Spielt er am Dienstag?
Omar Marmoush spielte in Hamburg wie zu seinen allerbesten Zeit, er dribbelte, fintierte, rannte – und feuerte aus allen Lagen. Schon nach drei Minuten hatte er zweimal auf den Kasten geschossen, gar nicht ungefährlich. Und natürlich war es auch der fast 26-Jährige, der die Eintracht zum erlösenden Sieg schoss. Man könnte auch „wie so oft“ anfügen: ausgerechnet.
Den Siegtreffer erzielte er in bekannter Omar-Marmoush-Manier: Auf engstem Raum legte er sich den Ball zurecht, knorzte aber nicht blindlings drauf, sondern wackelte noch einmal, zog auf, um freie Schussbahn zu haben, und jagte die Kugel dann in den Winkel. Humorloser geht es nicht. „Am Ende hat er mit dieser tollen Aktion seine Topklasse gezeigt“, urteilte Dino Toppmöller. Und genau diese Moves und Abschlüsse sind es – gepaart mit Tempo, Durchsetzungsvermögen und Trickreichtum –, die den Angreifer mittlerweile für fast alle Spitzenklubs aus Europa interessant machen, „das ist völlig normal“, findet Toppmöller. „Es wäre ja wahnsinnig, wenn andere Vereine da nicht auf ihn aufmerksam würden.“ Lässt sich auch mit Zahlen unterfüttern: In 25 Pflichtspielen hat Marmoush 19 Tore gemacht, war an 31 Treffern beteiligt – herausragend.
Manchester City und Pep Guardiola bemühen sich daher sehr intensiv um den Spieler, mit dem bereits Einigkeit erzielt ist. Die Frage scheint nur, wann er wechselt. War das Pauli-Spiel also sein letztes für die Eintracht? „Er ist immer noch unser Spieler“, sagt Toppmöller. Vielleicht wird Marmoush auch am Dienstag gegen den SC Freiburg in der Eintracht-Startelf stehen. Sportvorstand Markus Krösche geht davon aus, doch „ich kann das nicht zu 100 Prozent beantworten“, warf er ein. „Das sage ich ganz ehrlich.“ Der Sportchef hatte ja betont, einen Spieler nur dann abzugeben, wenn etwas Außergewöhnliches geschehe. „Und bisher sehe ich nichts Außergewöhnliches.“
Im Endeffekt wird es darum gehen, ob Manchester City auf die Frankfurter Forderungen eingeht oder nicht. Die Eintracht wird von ihrer Vorstellung von 80 Millionen Euro nicht abrücken. Wird der englische Meister so viel zahlen oder will er doch zocken? Dann könnte sich ein schneller Wechsel schnell zerschlagen. Die Eintracht ist gewillt, standhaft zu bleiben. Zumal eine Nachfolge-Option raus ist: Niclas Füllkrug von West Ham United hat sich eine schwere Oberschenkelverletzung zugezogen und fällt für Monate aus.
Sportlich unverzichtbar
Sportlich kann die Eintracht auf ihren Besten nur schwerlich verzichten. Das zeigte auch das Auswärtsspiel beim FC St. Pauli, das die Hessen nach einer souveränen Anfangsphase fast noch aus der Hand gegeben hätten. Was aber eher an den defensiven Abläufen als an den offensiven lag.
In der Abwehrarbeit zeigte die Eintracht vornehmlich im zweiten Abschnitt eine einigermaßen ernüchternde Vorstellung, ließ viel zu viele Flanken und auch Abschlüsse des harmlosen Kontrahenten zu. Der Klassenneuling kam auf 20 Torschüsse – so viele wie nie in dieser Saison, auch bei den Expected Goals lag er klar vorne: 2,3:1,6. „Wir haben uns zu weit hinten reinfallen lassen, sind in der zweiten Halbzeit fast nicht mehr nach vorne gekommen“, monierte Kapitän Kevin Trapp. Auch wenn es hypothetisch ist: Wäre nicht der vor dem Tor unbeholfene FC St. Pauli der Gegner gewesen, sondern ein anderes Kaliber, so wären die Frankfurter nicht mit drei Punkten zurück nach Hause gereist.
An der Defensivstruktur wird Dino Toppmöller mit seinem Team dringend arbeiten müssen. Das sah zu Saisonbeginn doch sehr viel abgeklärter aus. Vielleicht wäre auch die Rückkehr zur klaren Viererkette mit Arthur Theate als linkem Verteidiger ein probates Mittel.
Trotzdem hat es für drei sehr wichtige Punkte gereicht – und dem so dringend benötigen Erfolgserlebnis. Auch weil die Mannschaft sich aufopferungsvoll gegen den Ausgleich gestemmt hat. „Solch ein dreckiger Sieg tut uns auch mal gut“, findet Nathanie Brown. Und Dino Toppmöller führt, auch dies sehr zu Recht, das Spielglück ins Feld. „Das hat uns in den letzten Partien etwas gefehlt.“ Am Samstag nicht.
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