Die nächste Herausforderung der Eintracht
Also: Das geht gar nicht, dem Gegner den Ball geben, sogar freiwillig! Nur weil man womöglich besser darin ist, blitzschnelle und -gescheite Konter fahren zu können. Nein, wirklich nicht. „Es ist nicht unser Ziel, dem Gegner bewusst den Ball zu geben.“ Dino Toppmöller, der Trainer der momentan so fröhlich durch alle Ligen und Wettbewerbe, drei an der Zahl, stürmenden Frankfurter Eintracht, hat dies ausgeschlossen, selbst wenn sich Donnerstagabend ein Widersacher im Stadtwald vorstellt, der liebend gerne den Ball am eigenen Fuß hat – und damit, so der Hintergedanke, zwangsläufig die eigene Deckung vernachlässigen könnte. Und in diese Lücken sollten dann die neuen Himmelsstürmer Omar Marmoush und Hugo Ekitiké stoßen, ein gefundenes Fressen wäre das für die beiden Knipser. Soweit die graue Theorie.
Aber so einfach geht das natürlich nicht. Schon gar nicht auf internationaler Ebene, wenn ab 18.45 Uhr (live auf RTL+) das vierte Spiel der Europa League angepfiffen wird. Slavia Prag ist ja alles andere als Laufkundschaft, das Team aus der tschechischen Kapitale gilt, bei allem Respekt, aus Frankfurter Sicht als der „schwierigste Heimgegner, zumindest auf dem Papier“, wie Toppmöller sogleich hinzufügt. Die freien Tage hat der Coach dazu genutzt, sich intensiv mit dem Prager Ensemble auseinanderzusetzen, und was er da via Videostudium zu sehen bekam, hat ihm imponiert. „Slavia spielt auf beeindruckende Art und Weise Fußball“, hebt der Fußballlehrer den Daumen. Er spricht von einer „großen Challenge“ und von einem „Brett, das wir bohren müssen“. So klingt Respekt vor dem Gegner. Eines ist zudem klar: Slavia Prag, in 20 Pflichtspielen erst einmal geschlagen, ist dann noch mal ein anderes Kaliber als Viktoria Pilsen, ebenfalls aus der tschechischen Chance Liga, und gegen die gab es zum Auftakt der Europa League nur ein 3:3.
Vor allem spielen die Prager einen Fußball, der anstrengend und intensiv ist, oft Mann gegen Mann übers ganze Feld verteilt, aggressiv und aktiv. Slavia, gegen die die Hessen noch nie gespielt haben, pflegt viel Ballbesitz zu haben, meist um oder sogar mehr als 60 Prozent.
Das wiederum könnte Eintracht Frankfurt ein wenig in die Karten spielen. In dieser Saison und angesichts des erstaunlichen Spurtvermögens vieler Offensivkräfte hat die Eintracht im Umschaltspiel eine neue Stärke ausgemacht, eine Stärke, in der exzessiver Ballbesitz nicht vonnöten ist, im Gegenteil: Je schneller nach Ballgewinn die Kugel in die Spitze gespielt wird, umso besser. Und das hat ja in letzter Zeit ganz hervorragend geklappt, gerade die jüngsten Spieltage sind den Frankfurtern rundherum gelungen. „Wir kommen aus einer sehr guten Woche“, fasst Dauerläufer Hugo Larsson die letzten erfreulichen Auftritte zusammen, erst das heroisch erkämpfte Weiterkommen im DFB-Pokal in Unterzahl, dann die sieben Tore gegen den VfL Bochum. Er jedenfalls habe „ein sehr gutes Gefühl“.
Es läuft momentan richtig prima im Klub, das Gemeinschaftsgefühl sei überragend, gerade den neuen, jungen Spielern würde die Integration extrem leicht gemacht, sagt der Däne, der zuletzt geschont wurde und der deshalb heute Abend in der Startelf stehen wird. Zuletzt hat Larsson ja im Spiel gegen Riga das entscheidende 1:0 erzielt. Die Stimmung könnte besser nicht sein, die Brust nicht breiter. Trotzdem: „Mein Motto ist weiterhin: demütig bleiben und mit beiden Beinen auf dem Boden“, sagt Toppmöller, der weiß, wie schnell gerade in Frankfurt das Pendel zwischen tiefer Krise und Titelaspirant ausschlagen kann.
Personell kann der 43 Jahre alte Coach, bis auf die Verletzten Rasmus Kristensen, Oscar Höjlund und den nicht gemeldeten Nathaniel Brown, aus dem Vollen schöpfen. Und das im Wortsinn: Auch die Spieler, die landläufig als „zweiter Anzug“ bezeichnet werden könnten, haben ihre Bewährungsprobe, ihre Bundesligatauglichkeit längst unter Beweis gestellt. Einerlei, wen Toppmöller in die Startformation beruft, „wir sind von allen Spielern überzeugt“. Man rotiere nicht des Rotierens wegen, sondern „wir tun diese Dinge aus Überzeugung“. Und tatsächlich ist es trotz vielerlei personeller Umstellungen zuletzt nicht zu einem spielerischen Bruch gekommen, im Gegenteil. „Man merkt gar nicht, dass Topspieler draußen sind“, sagt Toppmöller, der natürlich auch im Hinterkopf haben muss, dass in nur drei Tagen das nächste Topspiel ansteht, am Sonntag in der Bundesliga beim VfB Stuttgart (17.30 Uhr), erst dann verspricht das Länderspielwochenende, zumindest für die, die nicht auf Dienstreise sind, ein wenig Gelegenheit zum Durchschnaufen. Gerade deswegen ist es bislang gut gelungen, den Spielern schöpferische Pausen zu geben, an der Frische mangelt es jedenfalls bislang nicht.
Tatsächlich hat Eintracht Frankfurt die große Chance, mit einem Sieg über Slavia Prag einen großen Schritt in Richtung Zwischenrunde zu gehen, sieben Punkte haben die Frankfurter nach drei Spieltagen aufs Konto geschaufelt. „Wir haben eine sehr gute Ausgangslage“, sagt Toppmöller, und die wolle man mit einem Erfolg am Donnerstagabend unter Flutlicht noch verbessern. Danach spielen die Hessen gegen FC Midtjylland und Ferencvaros Budapest zu Hause sowie bei AS Rom und Olympique Lyon. „Wir nehmen die Herausforderung an“, sagt Dino Toppmöller. Es gibt Schlimmeres.
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