Die Rückkehr des Unangepassten

25. November 2024, 16:33 Uhr

Wird sich in Form bringen müssen: Martin Hinteregger, hier bei seinem Debüt für die Eintracht-Tradi-Elf im Juli 2023. © IMAGO/Hartenfelser

Eintracht-Kultspieler Martin Hinteregger hat genug vom Ruhestand und greift in der österreichischen Bundesliga an

Die Medien und Portale in der Alpenrepublik überschlugen sich förmlich am Montagmittag: „Sensation!“ „Kracher!“ „Paukenschlag!“ Selbst auf der Homepage des österreichischen Bundesligisten Austria Klagenfurt, immerhin fünfmaliger Meister, zurzeit aber relativ tief drin im Tabellenkeller, wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt: „Transfer-Hammer in Waidmannsdorf!“ Jener Transfer-Hammer spült nämlich einen in Österreich und Deutschland gleichsam bekannten Fußballspieler wieder zurück auf die Profibühne der Balltreterei: Martin Hinteregger hat genug von seinem selbst verordneten Ruhestand. Der frühere Publikumsliebling der Frankfurter Eintracht, der vor zweieinhalb Jahren nach dem triumphalen Europa-League-Sieg seine Karriere überraschenderweise beendete, unterschreibt beim österreichischen Bundesligisten Austria Klagenfurt einen Vertrag bis 2026. Fürwahr: eine faustdicke Überraschung.

Schon am Dienstag um zehn Uhr wird er von Chefcoach Peter Pacult auf dem Trainingsplatz begrüßt werden, spielberechtigt ist der 32-Jährige allerdings erst ab dem 1. Januar 2025, weil er zuletzt noch bei SGA Sirnitz in der Unterliga Ost als Spielertrainer aktiv war. Ob der Abwehrspieler tatsächlich in gut eineinhalb Monaten fit genug sein wird, um die Schießbude der Liga zu schließen, ist die große Frage. Die Austria hat in 13 Spielen bereits 27 Tore kassiert, zuletzt eine 0:7-Packung bei Meister Sturm Graz quittieren müssen. Hinteregger ist jedenfalls Feuer und Flamme für seinen neuen Job und begründet seine Abkehr von der Fußballrente mit der Sehnsucht nach Herausforderungen auf professionellem Level, dem besonderen Kitzel.

Der Druck war einst zu groß

„Ich habe immer auf mein Bauchgefühl gehört. Nach körperlich und mental sehr anstrengenden Jahren war es wichtig für mich, etwas Abstand zu gewinnen und mein Leben neu auszurichten“, sagte der kantige Mann, den die ganze Welt nur Hinti nennt. „Doch mir ist jetzt klar geworden, dass meine Geschichte als Fußballer noch nicht zu Ende geschrieben ist, dass ich bereit bin, mich auf hohem Niveau zu messen und zu beweisen.“

Austria-Sportchef Günther Gorenzel kommentierte freudig: „Wir freuen uns darüber, dass er seine Klasse und Erfahrung bei der Austria einbringen wird und sind davon überzeugt, dass er einen Gewinn für unseren Verein darstellt. Er hat wieder Feuer gefangen, die Motivation und der Ehrgeiz sind zurück.“

Vor zweieinhalb Jahren war das noch ganz anders. Damals war der Eintracht-Kultspieler mental am Boden, fertig, ausgebrannt. Nichts hatte er sich sehnlicher gewünscht, als dem Hamsterrad zu entkommen. Der Druck wurde zu groß, alles fühlte sich falsch an. Der Verteidiger, zu seiner Hochzeit sicherlich internationale Klasse, funktionierte nur noch, die Freude ging flöten. „Die Siege haben sich nicht mehr so gut angefühlt, dafür tat jede Niederlage doppelt weh“, sagte er zum Abschied. Den Europa-League-Titel 2022 habe er auch deshalb so ausgiebig und exzessiv gefeiert, „weil ich da schon wusste, dass es meine letzte große Siegesfeier mit den fantastischen Fans in dieser Stadt sein würde, die meine zweite Heimat geworden ist.“

Die FR kommentierte damals anerkennend: „Die Entscheidung ist eine Befreiung für ihn. Es ist ein außergewöhnlicher Schritt, der aber zu diesem Unikat passt. Es ist eine mutige Entscheidung, die Respekt und Achtung verdient. In diesem Alter auszusteigen aus einem Geschäft, in dem es Jahr für Jahr Millionen regnet, ist die absolute Ausnahme.“

Martin Hinteregger, Jäger, Helikopterpilot, Bergdoktor-Fan, war nie wirklich zu greifen, er passt in keine Schublade, fällt aus dem Raster. In der Öffentlichkeit wird er als „Skandal-Profi“ gebrandmarkt, was ihm nicht gerecht wird. Er ist kein stromlinienförmiger Typ, er ist unangepasst, einer, der Fehler macht. Etwa den, mit einem Rechtsextremen ein Hobbyturnier, den Hinti-Cup, geplant zu haben. Spät, zu spät distanzierte sich der Spieler, entschuldigte sich freilich glaubhaft. „Ich habe nicht recherchiert, wer er ist, welche Vorgeschichte er hat. Das muss ich mir vorwerfen.“ In Österreich haben sie dem Hinti längst verziehen, sie freuen sich auf die Rückkehr des etwas anderen Fußballprofis.

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