Eintracht Frankfurt geht mit Rückenwind in den Endspurt

21. April 2024, 15:23 Uhr

Die pure Erleichterung: Trainer Dino Toppmöller jubelt mit Omar Marmoush. © IMAGO/Jan Huebner

Eintracht Frankfurt holt sich durch den Sieg gegen den FC Augsburg Selbstvertrauen für die restlichen Spiele, nach denen der Einzug in die Europa League stehen soll.

Es ist nicht überliefert, ob Jens Grahl vielleicht mal als Sprinter aktiv war. Der inzwischen auch schon 35-Jährige ist im Brotberuf Fußballspieler, da wird man fürstlich entlohnt, weit besser als ein Sprinter, selbst als zweiter Torwart, der er ist bei der Eintracht aus Frankfurt. Aber wenn es nichts geworden wäre mit der lukrativen Karriere als professioneller Ballfänger, dann hätte er womöglich auch als Leichtathlet eine Zukunft haben können.

Denn: Am Freitagabend zeigte Jens Grahl außergewöhnliche Fähigkeiten im läuferischen Bereich, gleich zweimal zu bestaunen: Erst spurtete er los zur Eckfahne, als der vorschnell schon als Problemfall abgestempelte Hugo Ekitiké den erlösenden Treffer zum 2:1 gegen den FC Augsburg erzielt und damit das Stadion angezündet hatte, und dann, beim 3:1, als Omar Marmoush in der allerletzten Minute in bester Mijat-Gacinovic-Manier das entscheidende Tor erzielt hatte. Marmoush spurtete auf dem Spielfeld dem leeren Kasten entgegen, schon bevor er die Kugel ins Netz schob, breitete er die Arme zum Jubeln aus, und an der Seitenlinie wetzte der Ersatzkeeper hinterher; als der Ball dann im verwaisten Tor einschlug, bog Grahl auf den Platz ab, um den Kollegen nach allen Regeln der Kunst abzufeiern. Jens Grahl, eigentlich Randfigur, zweimal Erster beim Jubeln. Schöne Sache.

Aber es sagt auch etwas aus über diese Mannschaft, der, wie, Kevin Trapp, der Nummer eins zwischen den Stangen, bereits unter der Woche anmerkte, beileibe nicht egal sei, wie die bislang so schwer zu greifende und irgendwie bleierne Saison verlaufe. „Die Mannschaft lebt“, sagte Trapp nach dem jüngsten Erfolg. Das ist so. „Die Erleichterung ist groß“, bedeutete Sportvorstand Markus Krösche. Kein Wunder. Rund um den Klub herrschte eine schwer zu kanalisierende Unruhe, die Ergebnisse und vor allem der Spielstil passten so gar nicht zu den Ansprüchen des Vereins.

Der Erfolg gegen den FC Augsburg war gewiss ein eminent wichtiger, nicht nur wegen des schweren Restprogramms im Kampf um Europa gegen drei Spitzenteams (Bayern, Leverkusen, Leipzig, dazu Borussia Mönchengladbach), sondern auch wegen der Atmosphäre im und um den Klub herum. „Wenn man die Umstände sieht und was in den letzten Wochen los war, war das kein Endspiel, aber doch ein sehr wichtiges Spiel, gerade was die Stimmung angeht“, sagte Kapitän Kevin Trapp.

Dem Torwart war die Befreiung geradezu anzusehen, er feierte die Tore und den Sieg völlig losgelöst, so, als habe es sich nicht um ein schnödes 3:1 gegen einen Bundesliga-Mittelständler gehandelt, sondern um ein Pokalfinale. Klar, der Saarländer Trapp ist Eintrachtler durch und durch, er ist mit 263 Bundesliga-Einsätzen für die Eintracht in die Top Ten des Klubs eingezogen und identifiziert sich ganz anders mit dem Verein als andere Spieler.

Trotzdem, und das spürte auch die Leitfigur: Dieser Erfolg könnte den entscheidenden Rückenwind im Endspurt geben, in dem es gerade um Standfestigkeit und Behauptungswillen geht. Und um den Glauben. „Dieser Sieg war auch wichtig fürs Selbstvertrauen“, stellte der 33-Jährige fest.

Niemand hat den Erfolg freilich überbewertet, was auch ziemlich daneben wäre. Diese Mannschaft gleicht noch immer einer Wundertüte, seriös ist sie kaum zu bewerten. Niemand kann sagen, was als nächstes kommt oder ob tatsächlich ein nachhaltiger Entwicklungsprozess in Gang gesetzt wurde. Immer ist alles möglich – in beide Richtungen irgendwie. „Wir können uns nicht zurücklehnen,“ sagte Cheftrainer Dino Toppmöller. „Es war nur ein Schritt in die richtige Richtung.“

Um die richtige Einordnung des Spiels war auch Eintracht-Chef Axel Hellmann gelegen. Der Vorstandssprecher tritt eigentlich selten in Erscheinung, um sportliche Themen macht er ohnehin einen Bogen – außer er hat das Gefühl, dass da etwas grundsätzlich im Argen liegt oder sich bestimmte Muster wiederholen. In diesem Fall störte sich der mächtige Vorstand gerade am Auftritt im ersten Durchgang, in dem es die Mannschaft zum wiederholten Male nicht geschafft hatte, die vollmundigen Ankündigungen (Emotionalität, Leidenschaft, Intensität) auf den Platz zu bringen.

Das hatte sogar sehr vernehmbare Unmutsbekundungen von den Rängen zur Folge, nach gut einer halben Stunde wurde so gut wie jeder Fehlpass mit einem kleinen Pfeifkonzert kommentiert. Ist man in Frankfurt nicht mehr gewohnt, und so mancher Spieler, etwa Kapitän Kevin Trapp, fand es auch irritierend. „Ich weiß nicht, wo die Pfiffe herkamen. Es ist für mich nur schwer nachvollziehbar.“

Sie haben, ganz klar, etwas mit der Spielweise zu tun, die in dieser Saison weit weniger brachial und draufgängerisch als in den Jahren zuvor. Wie es auch gehen kann, sah man dann in der zweiten Halbzeit, als die Mannschaft ein anderes Gesicht zeigte, bedingungsloser und couragierter auftrat, mehr Zweikämpfe führte und es eben mehr wollte. Und so den Funken auf die Ränge zu den Fans transportierte, die von dort dann ein wahres Feuer zündeten. Das ist genau die Wechselwirkung, die es in Frankfurt braucht, um erfolgreich zu sein und Dinge zu schaffen, die man normalerweise nicht schafft. Es ist dieses besondere Flair, das die Eintracht immer so stark gemacht hat.

Sieht auch Axel Hellmann so, „Man sieht, wie leicht es ist, unser Stadion zu erwecken. Es ist nicht schwer, dafür zu sorgen, dass das Stadion aus dem Sattel kommt – wenn wir die Intensität in Zweikämpfen, in Eins-gegen-Eins-Situationen, in Tiefenläufe oder Doppelpässen auf den Platz bringen“, sagt der erfahrene Funktionär und fordert unmissverständlich: „Das muss der Mannschaft endlich mal von Anfang an gelingenen und nicht erst in der zweiten Halbzeit.“ Worte, die er bewusst gewählt hat, die er gezielt anbringen wollte.

Das ist ein eindringlicher Appell und eine klare Botschaft. Die Adressaten sind nicht schwer auszumachen: Chefcoach Dino Toppmöller und die Spieler selbst.

Kommentar, S. S2

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