Eintracht Frankfurt in der Marmoush-Falle

09. Dezember 2024, 12:20 Uhr

Eng dran: Omar Marmoush versucht, FCA-Verteidiger Keven Schlotterbeck zu entkommen. © IMAGO/Jan Huebner

Kaum geht der Frankfurter Zauberstürmer leer aus, gewinnt auch die Eintracht nicht. Der Bundesligist ist auf den Ägypter in Bestform angewiesen.

Noch ziemlich früh in der jüngsten Heimpartie der Eintracht gegen den FC Augsburg geschah etwas doch recht Außergewöhnliches, zumindest in der nach oben offenen Omar-Marmoush-Skala. Und das sah so aus: Der Frankfurter Verteidiger Niels Nkounkou klaute FCA-Kapitän Jeffrey Gouweleeuw tief in der eigenen Hälfte den Ball, schüttelte dann einen Traumpass über 40, 50 Meter aus dem Fußgelenk, genau in den Lauf von Eintrachts Zauberstürmer Omar Marmoush. Der Ägypter verzockte zwar schon die Ballannahme ein klein wenig, kam aber doch noch in eine aussichtsreiche Position, weil Kollege Hugo Ekitiké mit Siebenmeilenstiefel herangerauscht kam. Im Grunde war klar, was passieren würde: Marmoush würde den Ball einfach durchstecken, was nicht so schwer war, und Ekitiké würde ihn locker drüberlupfen über den Augsburger Torwart Nediljko Labrovic. 1:0 nach nicht mal zehn Minuten, und dann ab zur Eckfahne zum kollektiven Jubel samt Diver und allem Pipapo.

Es kam anders.

Marmoush spielte die Kugel tatsächlich in den Lauf des Sturmpartners, doch zu fest, Keeper Labrovic stürzte heraus und krallte sich das Ding. Riesenchance zur frühen Führung und zur Beruhigung der Nerven nach dem Nackenschlag von Leipzig vertan. „Wir waren direkt zu unsauber bei der ersten Aktion“, krittelte Chefcoach Dino Toppmöller im Anschluss. „Omar spielt ihn zu weit.“ Schade, „hätte uns gut getan“.

Nun ist solch eine Szene eigentlich nichts Außergewöhnliches, kommt in jedem Spiel vor, oft auch mehrfach, doch sie ist in diesem Fall eben doch bemerkenswert, weil dem Omar Marmoush von vor einer Woche wäre ein solcher technischer Lapsus wahrscheinlich nicht passiert, da wäre die Situation so abgelaufen wie eingangs beschrieben.

Okay, zugegebenermaßen ist das eine These, die sich niemals belegen lassen wird, weil sie eben hypothetischer Natur ist, doch vieles spricht doch dafür. Diese spielerische Leichtigkeit, mit der der 25-Jährige alles veredelte, was ihm vor die Füße fiel oder was er sich selbst erarbeitete, dieses Selbstverständliche, das Betörende und Bezaubernde, das selbst den Augsburger Trainer Jess Thorup vorher beeindruckte („Egal, was er berührt, wird zum Tor oder Assist“), hat sich aktuell verflüchtigt.

Erstmals in dieser Saison blieb der Angreifer in zwei aufeinanderfolgenden Spielen ohne Torerfolg oder Vorlage – prompt blieb auch sein Team ohne Sieg. In Leipzig ging er einfach unter, wie der Rest der Mannschaft, das kann mal passieren. Beim 2:2 gegen den FCA aber wirkte er zum ersten Mal nicht so spritzig und spielfreudig, nicht so explosiv und gefährlich in seinen Aktionen. Das lag sicher auch an der Abwehrarbeit der Augsburger, die „gut verteidigt, es schlau gemacht haben, wie Eintracht-Trainer Dino Toppmöller sagte. Das ist eine korrekte Einschätzung.

Augsburger setzen ihm zu

Die Fuggerstädter haben den Nationalspieler mit gleich mehreren Akteuren in die Mangel genommen, ihn hart und früh attackiert und ihm auch keinen Platz für die gefürchteten Tiefenläufe gelassen. „Wir haben als Mannschaft die Räume sehr eng gemacht, da waren wir ganz stark“, lobte Trainer Thorup. „Das war ein Team-Event.“ Das Marmoush nicht so viel Spaß brachte.

Zur Wahrheit gehört freilich auch: Marmoushs Flaute dauert erst zwei Spiele an, das ist nun wahrlich kein Grund, in Panik zu verfallen oder Alarmstufe rot auszurufen. Und es ist auch kein Trend. Zwei Spiele sind auf Strecke gesehen nichts, Luft, nicht erwähnenswert. Das sieht Dino Toppmöller ganz ähnlich. Auf eine Frage, ob zwei freie Tage reichen, um den Spieler wieder in Form zu bekommen, antwortete der Fußballlehrer: „Wir haben ihn vor einer Woche noch abgefeiert, da brauchen wir jetzt nicht darüber sprechen, ob wir ihn noch mal in Form kriegen müssen.“ Das stimmt grundsätzlich.

Andererseits ist die Annahme bestimmt nicht falsch, dass die aktuelle Eintracht-Mannschaft in erheblichem Maße von ihrem Sturmanführer abhängig ist, sie steckt quasi in der Omar-Marmopush-Falle. Das zeigt schon ein Blick auf die Zahlen. In nur sechs von 21 Partien hatte er keine Aktien in einem Tor, neunmal war er an zwei oder mehr Treffern beteiligt, 28 Scorerpunkte stehen zu Buche (17 Tore, elf Vorlagen) – das ist herausragend gut. Die Eintracht ist auf den ägyptischen Nationalspieler angewiesen, sie braucht ihn in Bestform.

Das ist generell nichts Ungewöhnliches. Im Grunde hängen alle Teams am Tropf ihrer Topspieler, die oft genug das Zünglein an der Waage sind, eine Mannschaft durch ihre Extraklasse auf ein anderes Level heben können.

Und so wird die Eintracht ihrem Spitzenspieler in den kommenden drei Partien bis zur Winterpause vermutlich eher keine Pause mehr gönnen, obwohl Toppmöller es zumindest in Erwägung zog, „um ihn nicht zu verheizen.“ Andererseits sagt der Trainer auch: „Omar ist ein Fighter, der immer spielen will, der auch genügend im Tank hat.“ Und der sich schnell aus seinem Mini-Tal herauskämpfen will, auch wenn das nach den vielen Englischen Wochen nicht so leicht ist und auch an ihm die Strapazen und die vielen Spiele nicht spurlos vorbeigehen. Insofern ist solch ein kleiner Durchhänger das Normalste der Fußballwelt.

Zumal die Gegner ein besonderes Augenmerk auf den Frankfurter Himmelsstürmer geworfen haben, wie Sportvorstand Markus Krösche beobachtet hat. „Die Wahrnehmung von Omar ist eine völlig andere geworden. Die Verteidiger doppeln ihn oft, damit er nicht in 1:1-Situationen kommt“, sagte er. „Das ist der Fluch der guten Tat.“ Vielleicht fliegt er aber in Frankreich noch ein bisschen unter dem Radar, in der Europa League geht es am Donnerstag zu Olympique Lyon, das einen Heimsieg unter allen Umständen anpeilt. Könnte das richtige Spiel werden für den Überflieger Omar Marmoush.