Eintracht Frankfurt und die Reise ins Ungewisse

23. August 2024, 15:46 Uhr

Zum Saisonbeginn gleich zurück in die alte Heimat Dortmund: Mario Götze. © IMAGO/Christian Schroedter

Für die Frankfurter geht es zum Auftakt nach Dortmund, wo es für sie selten etwas zu holen gibt

Es liegt in der Natur des Fußballs, dass Manager, Trainer oder Spieler vor dem Beginn einer Bundesligaspielzeit nach Zielen gefragt werden. Mit der Beantwortung gehen die Verantwortlichen ganz unterschiedlich um, manche offensiv, andere eher defensiv, wollen sich nicht festnageln lassen, weil man ja irgendwann daran gemessen werden könnte und dann womöglich bedröppelt dasteht. Früher hatten es die Kleinkaliber einfach, weil sie immer erst mal 40 Punkte hamstern wollten, aber da 40 Punkte gefühlt schon seit Jahrzehnten nicht mehr benötigt wurden, um die Klasse sicher zu halten, ist das auch irgendwie out und aus der Mode gekommen.

Dino Toppmöller, der jetzt mit Eintracht Frankfurt in seine zweite Saison startet, hat sich auch nicht ganz konkret geäußert, man wolle nicht über „Tabellenplatz x“ sprechen, definiere sich eher über Handlungsziele. „Wir wollen als Einheit auftreten und eine gute Energie auf den Platz bringen.“ Immerhin, das ließ sich der Fußballlehrer doch entlocken: Er wolle mit seiner Mannschaft nicht im Niemandsland ins Ziel kommen: „Eintracht Frankfurt sollte um die internationalen Plätze mitspielen können.“ Wie fast immer in den letzten Jahren.

Dehnbar ist das dennoch: International kann Conference League, Europa League oder Champions League bedeuten. Um in die Phalanx der König einzubrechen muss man aber entweder einen exorbitant großen Ausreißer nach oben haben und besser performen als es alle erwarten (siehe VfB Stuttgart) oder ein, zwei der arrivierten Großklubs müssten merklich schwächeln oder gar einbrechen – manchmal kommt auch beides zusammen.

Ob die Eintracht in dieser Saison die Klasse und Konstanz mitbringt, um weit oben anzugreifen, ist seriös nicht zu beantworten, da ja nicht mal ein Spiel gespielt ist, niemand weiß so recht, wo das Team steht und im Ligavergleich anzusiedeln ist. Aber es müsste am Ende gewiss alles passen, um mehr als die Europa League zu erreichen – und selbst das ist verdammt schwer, aber ein durchaus lohnendes Ziel.

Am Samstag (18.30 Uhr/Sky) beginnt für die Eintracht ihre Reise ins Ungewisse, ausgerechnet in Dortmund, wo die Trauben für die Hessen so ungeheuer hoch hängen. Bis auf einen 2:1-Sieg während der Pandemie im Geisterhaus gab es für sie immer Prügel, zwölf der letzten 13 Partien im Westfalenstadion gingen an die Borussia, die nicht selten drei, vier Tore erzielte. Auch in der vergangenen Saison verlor die Eintracht, 1:3. So schlecht sei der Auftritt aber nicht gewesen, findet Toppmöller, erst in der Endphase ist sie durch zwei Tore auf die Bretter geschickt worden, Kopfball Mats Hummels, Strafstoß Emre Can. Aus die Maus.

Dino Toppmöller blendet die Vergangenheit vor dem Auftakt einfach aus. „Es spielt keine Rolle, was in den letzten Jahren dort war“, findet er, kann aber auch erklären, weshalb es in Dortmund so schwer ist, etwas mitzunehmen. „Das Stadion hat eine enorme Wucht, da tut sich jeder Bundesligist schwer.“ Der eine halt schwerer als der andere. Deshalb müsse sein Team, anders als im März dieses Jahres zum Schluss, 90 Minuten „wach und fokussiert sein“, zudem auch mutig, sich nicht verstecken. Dass die Aufgabe knifflig wird, steht ohnehin außer Frage. „Man muss kein Astrophysiker sein, um die Ziele der Dortmunder zu erkennen.“

Auffällig allemal aber, dass der Coach den Gegner dieses Mal – anders als nicht selten in der letzten Saison – nicht überhöhte, sich auch nicht lange mit ihm aufhielt, sondern die Stärken des eigenen Ensembles herausstellte, ohne dabei aber großspurig oder respektlos zu klingen. „Wir haben eine Mannschaft, die extrem viel Qualität hat“, sagte er also, gerade offensiv. „Es gibt für den BVB angenehmere Aufgaben, als gegen Eintracht Frankfurt zu spielen.“

Seine Mannschaft brenne auf die Herausforderung. „Wir freuen uns drauf, haben richtig Bock. Wir gehen mit einem positiven Gefühl in das Spiel.“ Das gilt erst recht für die Ex-Borussen Ansgar Knauff, der auf der Bank sitzen wird, und Mario Götze, für den die Rückkehr in sein früheres Wohnzimmer immer etwas Besonderes ist.

Die Mannschaft nimmt den Schwung aus dem 4:1-Sieg im Pokal in Braunschweig mit, wo die Eintracht keine berauschende, aber eine letztlich doch abgeklärte Leistung zeigte. Zumindest im zweiten Abschnitt, in Durchgang eins knirschte doch noch vieles. Für Toppmöller wenig überraschend, sein Team habe zunächst einmal hinten geordnet stehen wollen, um dann zuzuschlagen. „Wir haben es über 90 Minuten so gemacht, wie wir uns es vorgenommen haben“, sagte er. Für einen Trainer sicher ganz nett, wenn ein Plan aufgeht. Auch beim BVB sei „der Schlüssel zum Erfolg die defensive Stabilität.“

Mit welchem Personal er die „große Herausforderung“ angehen wird, ließ Toppmöller offen. Wahrscheinlich ist, dass Neuzugang Arthur Theate in die Abwehr rücken wird. Der 24 Jahre alte Belgier hat zwar erst drei Trainingseinheiten mit dem neuen Team hinter sich, seinen Trainer aber schon schwer beeindrucken können.

Der belgische Nationalspieler könnte links in der Innenverteidigung zum Einsatz kommen, dann müsste Tuta weichen. Oder der Coach beordert Tuta ins defensive Mittelfeld, wo Ellyes Skhiri auch in Braunschweig erneut bitter enttäuschte.

Oder Theate spielt links hinten, wie während der EM in der belgischen Auswahl. Wahrscheinlich ist das aber nicht, denn Toppmöller lobte Niels Nkounkou, den etatmäßigen Außenverteidiger, nach dessen Auftritt in Braunschweig. Zwar habe Nkounkou, wie so oft, schon früh eine Gelbe Karte gesehen, sei danach aber nie mehr in eine brenzlige Situation gekommen. „Das ist ein Entwicklungsschritt in die richtige Richtung. Er hat sehr erwachsen und souverän gespielt.“ Gute Stichwörter. Eine genau solche Vorstellung wird die Eintracht in Dortmund hinlegen müssen, will sie nicht, wie fast immer, ohne Punkt nach Hause kommen.

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