Eintracht Frankfurt und Werder Bremen – Brüder im Geiste

21. November 2024, 14:01 Uhr

Noch so ein Sprinter: Auch Ansgar Knauff (re.) ist ein schneller Umschaltspieler. © IMAGO/Kessler-Sportfotografie

Eintracht Frankfurt und Werder Bremen erzielen ihre Tore oft nach Kontern – an diesem Spieltag treffen sie aufeinander.

Einmal wurde Dino Toppmöller in dieser Saison dann doch überrascht von einem Opponenten – trotz akribischer Gegner-Vorbereitung mittels Analysetools, Daten und Videos. Im Heimspiel der Europa League gegen Slavia Prag vermutete der Eintracht-Trainer im Vorhinein einen Kontrahenten, der sich tiefer stehend den Frankfurter Angriffen entgegenstellen würde. „Wir haben eine andere Herangehensweise erwartet, nicht damit gerechnet, dass sie vom Anpfiff weg so intensiv Mann gegen Mann spielen.“ Die Tschechen stellten die Hessen vor einige Probleme, doch am Ende sollten sie durch einen genialen Freistoß von Omar Marmoush mit 1:0 die Oberhand behalten. Und auch mit der überraschenden Spielweise der Prager habe sich sein Ensemble arrangiert, findet Toppmöller: „Letztlich haben wir es gut gemeistert.“

Bremer Auswärtsstärke

In der Rückschau dieses Spiels, aber auch der gesamten Saison ist dennoch auffällig, dass sich die Eintracht-Rivalen fast allesamt dazu entschlossen, mitzuspielen, sich nicht hinten zu verbarrikadieren und auf schnelle Gegenzüge zu setzen. Nicht selten wird die Eintracht schon am eigenen Strafraum unter Druck gesetzt, was ihr nicht immer behagt: Bei Union Berlin, gegen Slavia Prag und in Stuttgart hatte sie sehr wohl Probleme, sich zu befreien.

Zur Wahrheit gehört auch: Für die Widersacher ist diese Taktik freilich mit einem nur schwer zu kalkulierbaren Risiko verbunden: Durch die trickreichen, draufgängerischen und vor allen Dingen pfeilschnellen Frankfurter Offensivspieler kommt die Eintracht immer wieder zu Großchancen und Toren – kaltschnäuzig ist sie nämlich auch noch. Sie braucht nur fünf Versuche für einen Treffer. Insgesamt stehen 17 Torschüsse und sechs Treffer nach Kontern in den Büchern, das alles sind Liga-Spitzenwerte.

Bisher hat es eigentlich nur das internationale Leichtgewicht Riga FS mit einer stringenten Defensivtaktik versucht – prompt fiel die Eintracht in alte Muster zurück, spielte zu schleppend und träge, quälte sich uninspiriert über den Rasen – und rettete sich nur durch ein spätes Tor von Hugo Larsson zum ergurkten 1:0-Erfolg. Schwierigkeiten, das Spiel gegen einen massiert stehenden Gegner zu machen und gekonnt zu eröffnen, hatte die Eintracht in der Vorsaison zur Genüge. Sportvorstand Markus Krösche nannte es kürzlich: „Ballbesitz in ungefährlichen Räumen.“

Nun sei man „progressiver, mehr nach vorne gerichtet, wir haben mehr Mut und Tiefgang“. Aber tatsächlich auch gegen engmaschige Abwehrnetze? Der Fairness halber sei angemerkt, dass Bohrungen in Bollwerken zu den Königsdisziplinen im Fußballsport zählen.

Insofern darf man sehr gespannt sein auf die Heimpartie am Samstag (18.30 Uhr/Sky) gegen den SV Werder Bremen. Denn die Hanseaten präferieren einen ganz ähnlichen Spielstil wie die Eintracht, sie sind, wenn man so will, Brüder im Geiste. Auch sie erzielen ihre Tore gerne nach überfallartigen Gegenattacken, 15 Torschüsse und vier Treffer nach Kontern sind jeweils der drittbeste Wert in der Bundesliga.

Zudem sind die Werderaner auswärts eine echte Macht, haben bereits drei Partien in der Fremde gewonnen, zehn Punkte geholt – nur die Bayern (16) errangen mehr. Beachtlich auch: 13 Tore in fremden Stadien, auch hier sind nur die Münchner besser (23).

Die Eintracht setzt ihren Lauf (vier Pflichtspielsiege hintereinander) und ihre Heimstärke dagegen. Ihre letzten vier Partien im Waldstadion hat sie allesamt gewonnen, seit der 1:5-Klatsche in der Vorsaison gegen Bayer Leverkusen blieb sie im Stadtwald in neun Partien ungeschlagen, holte sechs Siege. Das ist Ausdruck einer neuen Stärke und eines neuen Selbstverständnisses.

Spannend auch der Spielstil mit Ball. Der SV Werder Bremen etwa sucht sein Heil über die Außen. Sechs Tore nach Flanken sind der Topwert der Liga. Die Eintracht wiederum hat die meisten Flanken des Gegners zugelassen (134), beschränkt sich eher auf das Verteidigen in der Mitte. Aber gerade nach ruhenden Bällen liegt dort noch einiges an Verbesserungspotenzial. „Die defensiven Standards müssen wir konsequenter verteidigen“, fordert Sportchef Krösche.

Matanovic leidet unter Duo

Interessant auch, dass die Eintracht ihr Spiel fast ohne hohe Hereingaben von den Flügeln aufzieht, sie erzielte zwar auch schon einige Treffer über die Außenpositionen, allerdings kombinierte sie sich dann zumeist flach, mit Doppelpässen oder Einzelaktionen durch. Langer Hafer in den Strafraum gibt es nur allzu selten. Das ist nicht gut für Igor Matanovic, der mit seiner stattlichen Größe von 1,94 Meter der klassische Mittelstürmer ist und natürlich Stärken in der Luft hat. In Frankfurt konnte der verheißungsvolle Angreifer bisher noch nicht zünden, wirkt gedanklich mitunter zu langsam, auch im Abschluss hat er Nachholbedarf. In der Bundesliga stand er nur einmal in der Startelf, hat in 14 Pflichtspielen zwei Tore erzielt.

Er leidet natürlich unter dem famosen Sturmduo Marmoush/Ekitiké, aber auch darunter, dass er ein gänzlich anderer Spielertyp ist. Das Spiel ist, selbst wenn er auf dem Feld steht, nicht auf ihn zugeschnitten, der Mannschaft fällt es schwer, ihn gewinnbringend einzusetzen, und Matanovic selbst hat keinen Weg gefunden, sich gewinnbringend einzusetzen.

Kurios: In der kroatischen Nationalelf läuft es sehr viel besser, seit seinem Debüt im September stand er viermal in der Anfangsformation. Kleiner Trost für den wackeren Angreifer: Bei acht Spielen in 29 Tagen wird auch er seine Chance bekommen. Vielleicht schon am Samstag im Spiel gegen den Bruder von der Weser.

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