Eintracht Frankfurts emotionaler Anker
Respekt vor dem Adler: Trainer Dino Toppmöller darf mit sich und seiner Mannschaft zufrieden sein. © IMAGO/DeFodi
Wenn die These stimmt, dass es im Laufe einer Saison gewisse Knackpunkt-Spiele gibt, die den weiteren Verlauf kennzeichnen oder bestimmen, dann hat Eintracht Frankfurt ihr Hallo-Wach-Erlebnis schon hinter sich. Der bravourös erkämpfte 2:1-Erfolg im Pokal gegen Borussia Mönchengladbach trotz 80-minütiger Unterzahl könnte ein Energiespender und emotionaler Anker sein, eine Art Initialzündung an einem Abend der großen Gefühle, der die Mannschaft noch stärker hat zusammenwachsen lassen und für eine andere Festigkeit sorgt. In guten, aber gerade in schlechten Zeiten. Dieser Ansicht sind Sportchef Markus Krösche und Vorstandssprecher Axel Hellmann. Zu Recht.
Zumal nicht wenige Menschen aus dem Umfeld nach den wenig prickelnden Auftritten zuletzt unkten, dass die Stimmung kippen und die Atmosphäre im Eintracht-Kosmos zusehends frostiger werden könnte. 96 Minuten Pokalfight später ist so ziemlich das Gegenteil eingetreten. Insofern war der Kraftakt gegen die Elf vom Niederrhein eine Art Befreiungsschlag, der die innere Überzeugung und den tiefen Glauben in die eigene Kraft gestärkt haben dürfte.
Überhöhen sollte man das Husarenstück nicht, doch es ebenso nicht geringschätzen. Auch bei den vormaligen Trainern Adi Hütter und Oliver Glasner gab es diese Erweckungsmomente: Bei Hütter einen 2:1-Auswärtssieg im Geisterhaus von Marseille sowie ein 4:1 gegen Hannover 96. Am Ende stand die große Halbfinalschlacht bei Chelsea London, die im Elfmeterschießen zwar auf dramatische Art verloren ging, den Verein und seine Fangemeinde aber zusammenschweißte. Bei Oliver Glasner war es das 2:1 samt Wutausbruch bei Olympiakos Piräus sowie der folgende Rumpelsieg bei Greuther Fürth. Zu guter Letzt holte die Eintracht in der magischen Nacht von Sevilla den Europa-League-Titel. So weit ist sie heute noch lange nicht.
Toppmöllers Entwicklung
Aber sie ist gut aufgestellt, hat sich zum Ziel gesetzt, in allen Wettbewerben zu performen und keinen zu priorisieren. Das klappt bisher gut, Platz sechs in der Liga nach acht Spielen (nur drei davon zu Hause), sieben Punkte in der Europa League und ebenfalls Rang sechs, zudem die Qualifikation für das Achtelfinale des nationalen Pokals. Das kann sich sehen lassen.
Die Eintracht hat sich auf ein solides Fundament gesetzt mit stabilisierenden Pfeilern. Im Verein herrscht Ruhe und Kontinuität, alle maßgeblichen Positionen im Vorstand sind hervorragend besetzt. Und auch der Wechsel auf dem Finanzsektor (der junge Julien Zamberk beerbt den erfahrenen Oliver Frankenbach) wird daran nichts ändern. Zamberk kennt den Verein aus dem Effeff, arbeitet seit zehn Jahren für ihn und gilt als Kapazität. Die Mitarbeitenden vertrauen ihm.
Diese Stabilität auf Führungsebene und auch die Teilung der Gewalten gibt Sportchef Markus Krösche freie Hand; er hat einen guten Kader erstellt, der inzwischen einen Wert von 300 Millionen Euro hat, er Schwachstellen geschlossen, aber die Philosophie (Spieler holen, entwickeln, teuer verkaufen) beibehalten. Gut so.
Moderiert wird das Ganze von Trainer Dino Toppmöller, der sich entwickelt hat, zum einen in seinem Auftreten und seiner Außendarstellung. Aber auch als Fußballlehrer. Viele seiner Maßnahmen greifen, er ist flexibler geworden, hat den Spielstil den Fähigkeiten seines Teams angepasst. Er hat ein prima Gespür, wann er Spieler reinwerfen kann (Collins, Brown) und wann er sie auch mal härter anpacken muss (Ebimbe, Chaibi). Da hat einer seinen Weg gefunden.
Das alles heißt nicht, dass die Saison ein Selbstläufer oder die Eintracht vor Rückschlägen gefeit sein wird. Schon das Spiel am Samstag gegen das sich gewiss verbarrikadierende Schlusslicht VfL Bochum hat Stolperstein-Potenzial. Doch für das große Ganze kann das einschneidende Erlebnis vom Mittwoch Gold wert sein.