Eintracht-Zwischenzeugnis Note 2 plus
Musterschüler
Omar Marmoush (24 Pflichtspiele/18 Tore/12 Vorlagen): Lange schien es, als sei der pfeilschnelle Mann aus Kairo gar nicht von dieser Fußballwelt, entrückt, unfassbar gut, ein Himmelsstürmer eben, der trifft und trifft und trifft, dem alles gelingt, man meinte, er könne auch über Wasser laufen. Das kann er nicht. Stieg in den letzten Wochen hinab in den Rang eines Irdischen. Nicht falsch verstehen: Omar Marmoush, mindestens 60 Millionen Euro schwer, ist noch immer gut, verdammt gut, besser als fast alle in der Bundesliga, und wenn man sein Wirken über die gesamte Spielzeit betrachtet, vielleicht der beste Angreifer der Beletage. Aber zuletzt auch glücklos, schoss Bälle übers Tor, die sonst reingegangen wären, spielte nicht schlecht, aber eben nicht wie Omar Marmoush über Monate hinweg spielte. Mit dem gekappten Lauf der Mannschaft ging auch sein Lauf flöten – das eine bedingt das andere. Und doch: Stand nach zwölf Spieltagen bereits siebenmal in der Elf des Tages im „Kicker“, zerlegte die Bundesliga förmlich. Viel besser geht es nicht.
Arthur Theate (20/0/0): Was für ein Typ! Vielleicht die beste Verpflichtung der letzten Jahrzehnte, die kein Stürmer ist. Dieser Belgier, der verteidigt, als sei er fünf Jahre bei Atletico Madrid und fünf bei Juventus Turin in die Lehre gegangen, macht die Mannschaft besser, vor allem die Hintermannschaft: Tuta fühlt sich wohler, Robin Koch auch, und Nathaniel Brown kann nach Herzenslust marschieren, ohne dass hinten was anbrennt. Der 24-Jährige mit der mächtigen Lockenpracht, eigentlich eine Notlösung für den geplatzten Deal mit Konstantinos Koulierakis, räumt alles ab, am Boden, in der Luft, im Duell Mann gegen Mann, kaum zu überwinden, dazu ist er technisch stark am Ball, aggressiv, giftig. Führen kann er auch, und zu allem braucht er nicht mal gesunde Bänder. Zwei Abzüge in der B-Note: Zweimal vom Platz geflogen, ohne jede Torbeteiligung. Auch Musterschüler brauchen Ziele.
Hugo Ekitiké (23/11/6): Wer war noch mal dieser schmächtige, unaustrainierte Kerl, der im Winter kam, angeblich von Paris Saint-Germain, der wie ein Hobbykicker nicht mal Luft für zehn Minuten hatte und keinen Ball zum Mitspieler bekam? Und was hat der mit jenem Mann zu tun, der mit Omar Marmoush phasenweise das beste Stürmer-Duo der Liga bildete? Nichts, aber auch gar nicht, nicht zu glauben. Aber Ekitiké, 21, hat sich in Form gebracht. Und wie! Klasse Schusstechnik, mutig, dribbelstark, schnell, unkompliziert. Zuweilen übertreibt er die Show, neigt zu Gaukelei und (sinnfreiem) Hackentrick. Gehört halt auch zum Paket, mittlerweile 40 Millionen schwer. Feierte erst brav Weihnachten mit der Oma, dann ging’s nach Dubai - im BVB-Trikot, oje.
Zweite Reihe
Rasmus Kristensen (19/2/1): Feiert schon mal eine Grätsche ab, als habe sein Team die Champions League gewonnen, zuweilen wird auch das eigene Trikot zerrissen, das Mannsbild ist ein Haudegen, ein Däne vom Typ Wikinger. Staucht auch mal die Mitspieler zusammen, fürchtet weder Tod noch Teufel, hält den Kopf auch mit Platzwunde und Turban hin. Fußballerisch nicht der Stärkste, auch im Defensivzweikampf mit Luft nach oben. Trotzdem: Guter Typ, Mentalitätsspieler, wichtig fürs Team, ein echter Leader. Lässt sich nichts gefallen.
Tuta (21/1/0): Mit einer signifikanten Leistungssteigerung im Vergleich zu den vergangenen Jahren, weniger fehlerbehaftet, kam weitgehend ohne Bolzen aus. Und dieses Mal vor allem: konstant. Ruhiger, cooler Spieler, erwachsen geworden, seit kurzem Familienvater. Auf dem Feld inzwischen polyvalent einsetzbar. Fehlte zum Schluss verletzt, war nicht gut fürs Team. Die Eintracht würde gerne verlängern, was will Tuta? Vielleicht den Verein verlassen, ist ja schon lange da in Frankfurt, fast sechs Jahre, einer der Dienstältesten. Wie die Zeit vergeht.
Nathaniel Brown (11/3/3): Eine der ganz großen Überraschungen der Hinrunde. Ihn hatte vorher kaum einer auf der Rechnung, deswegen fehlte seine Name auf der Liste für die Europa League-Saison. Ein Fehler! Wirkte bei seinem Ligadebüt bei Union noch etwas verloren. Das legte sich gleich im nächsten Spiel, gegen den VfL Bochum. Erzielte sein erstes Tor, „ein Traum“ sei in Erfüllung gegangen, legte eine Woche später eines drauf. Mutig, furchtlos, schlau spielt er auf der linken Seite, feiner Fuß, lässt sich nicht zur Seite schubsen. Und als er in Leipzig fulminant das 1:1 erzielte, erinnerte er sehr stark an einen, dessen Weggang bis dato nie kompensiert werden konnte; an Filip Kostic. Nene Brown, 21, könnte diese Vakanz schließen.
Robin Koch (23/0/1): Lange Zeit eine Institution da hinten, immer Herr der Lage, sicher wie die Bank von England. Übernimmt als Vizekapitän viel mehr Verantwortung, macht er gut. Aber Blessuren und Krankheiten machten ihm das Leben schwer, auch ihm ging so ein bisschen die Luft aus, nicht mehr so souverän wie zu Beginn. Auch ihm tat die kurze Pause gut.
Kevin Trapp (18 Pflichtspiele/23 Gegentore/fünfmal zu Null): Rund um Weihnachten zeigte sich der Keeper mal wieder mit seinem Herzblatt Izabel Goulart bei akrobatischen Übungen auf der Karibikinsel St. Barth. Das hat schon Tradition, bleibt trotzdem gewöhnungsbedürftig. Eine gute Figur gab der Keeper auch oft genug in dieser Runde ab. Okay, nicht immer, ein paarmal wackelte der Kapitän schon, gegen Augsburg gar patzte er entscheidend. Doch alles in allem machte er einen zufriedenstellenden Job zwischen den Stangen. Leicht war das nicht für ihn, schließlich redeten viele schon die Wachablösung herbei, als Trapp verletzt fehlte und Vertreter Kaua Santos prächtig hielt. Doch zur Wahrheit gehört auch: So viele Böcke wie der brasilianische Herausforderer in seinen wenigen Spielen schoss, unterlaufen dem Ex-Nationaltorwart nicht in zwei, drei Spielzeiten. Wird sein Revier wohl noch ein, zwei Jahre verteidigen, sollte sich aber in der Rückrunde noch mal steigern, will die Eintracht ihre hohen Ziele erreichen.
Hugo Larsson (22/4/1): Hat nochmals eine Schippe draufgelegt, noch ruhiger, noch souveräner am Ball, dabei ist der junge Schwede erst 20 Jahre alt, wirkt unglaublich reif und klar im Kopf. Deutlich torgefährlicher als im ersten Jahr, verdoppelte seine Quote, drei seiner vier Treffer waren zudem das 1:0. Und man hat weiterhin das Gefühl: Der Kerl hat noch Luft nach oben, er kann noch besser agieren, das Spiel noch mehr prägen. Spricht inzwischen sehr manierlich Deutsch, hat zudem seinen kleinen Disput mit Schwedens Nationaltrainer ad acta gelegt. Man darf gespannt sein. 35 Millionen Euro ist er schwer. Noch.
Nnamdi Collins (12/0/1): Dieser eine Spurt die Linie lang – er wird so schnell nicht in Vergessenheit geraten. Weil da plötzlich alle im Stadion (und im DFB) Augen verblüfft rieben. Wer ist denn das? So frech, so mutig, so spektakulär hat seit Martin Fenin kaum ein Jungspund auf sich aufmerksam gemacht, und das als rechter Verteidiger. Das Pokalspiel gegen Gladbach war die Initialzündung für den 20 Jahre alten Ex-Dortmunder, seitdem ist er im Team. Zeitweise sprach keiner mehr von Platzhirsch Rasmus Kristensen. Sprinter Collins gehört, mit Brown, zu den positiven Überraschungen - lernen muss er dennoch einiges, das zeigten die Spiele gegen Leipzig (im Pokal) und Lyon. Ist aber zu schaffen.
Ansgar Knauff (23/3/5): Pendelt zwischen Bank und Startformation, dafür sind fünf Vorlagen (und ein Tor) in der Bundesliga nicht schlecht. Keine Stammkraft, aber immer dabei und vor allem: immer mit ganzem Herzen. Das ist schön. Weniger schön sind seine Ungenauigkeiten beim letzten Pass oder seine zuweilen holprige Technik. Sollte er sich da wirklich noch verbessern, führt an dem Flitzer kein Weg vorbei. Denn der Bursche ist noch jung, schnell und willig.
Hinterbänkler
Kaua Santos (7/13 Gegentore/einmal zu Null): Hat in seiner sehr jungen Torwartkarriere fast alles schon an Höhen und Tiefen erlebt: Spiele mit sensationellen Paraden (gegen Besiktas und Bayern), Spiele mit hanebüchenen Bolzen (Pilsen, Mainz), verschuldete in seinen nur sieben Spielen schon vier Gegentore. Zieht der 21 Jahre alte Brasilianer aus seinen Patzern die richtigen Schlüsse, wird er mal ein prima Torwart, die Anlagen dazu hat er definitiv. Muss dringend konstanter werden – und Vertrauen zurückgewinnen.
Ellyes Skhiri (22/0/3): Fing die Saison ganz manierlich an, fiel dann aber wieder ab. Nicht mehr unangefochten in der Schaltzentrale, sitzt auch mal draußen, in der Europa League bei sechs Partien sogar fünfmal. Aber kommt dennoch auf 22 Einsätze, in der Liga elfmal in der Anfangself. Insgesamt besser als in der vermurksten Rückrunde der Vorsaison, aber trotzdem noch weit weg von dem prägenden Spieler, den die Eintracht vor eineinhalb Jahren zu verpflichten hoffte. Mit tadelloser Einstellung und eisernem Willen. Vielleicht startet er ja doch noch mal durch.
Can Uzun (14/2/2): Für ihn kam die Pause, als einer der wenigen, ungelegen. Kam besser ins Rollen, drehte zum Schluss des alten Jahres auf. Machte ein erlösendes Tor gegen Augsburg, das er völlig losgelöst feierte. Plus: Vorlage in Lyon, Vorlage in Leipzig. Nicht schlecht. Aber: Vergab diese Riesenchance in bester Gekas-Manier im letzten Spiel gegen Mainz. Das war schon eine Kunst. Hatte es gerade zu Beginn der Saison schwer, selten berücksichtigt, weil defensiv mit zu vielen Nachlässigkeiten. Arbeitete an sich, blieb hartnäckig. Musste lernen, dass ihm nichts geschenkt wird und ihm nichts zufällt und Talent alleine (von dem er im Überschuss hat) nichts bedeutet. Besser, dass ihm der Wunsch nach der großen Nummer zehn nicht erfüllt wurde. Dennoch: Auf dem richtig Weg.
Mario Götze (16/2/1): Eine allenfalls durchwachsene Saison bisher. Mal auf dem Feld, mal auf der Bank, mit lichten Momenten, aber auch viel Leerlauf. In den letzten drei Bundesligaspielen nicht mal mehr eingewechselt – das ist zumindest mal ungewöhnlich. Trägt aber die Entscheidungen von Trainer Toppmöller mit, weiß um seine Rolle, akzeptiert sie. Müsste sich wieder mehr trauen, offensiver werden, seine Genialität ausspielen, denn nicht viele können, was er kann. Doch auch an dem 32-Jährigen nagt der Zahn der Zeit, das liegt in der Natur der Sache (außer man heißt Hasebe). Aber: Mit ein paar Glanzlichtern: Abstauber beim 1:1 in seinem 300. Bundesligaspiel bei Union Berlin, Siegtor gegen Werder Bremen, geniale Vorarbeit zum 3:1 gegen Hoffenheim. Er kann’s noch.
Mo Dahoud (14/1/1): Erschien anfangs wie Beifang, ein Spieler, den man halt noch dazu nahm, ohne ihn wirklich zu brauchen. Verwirrte anfangs mit einem schüchternen PK-Auftritt, der ihn und alle anderen sprachlos zurückließ. Taute zunehmend auf, feine Technik, gutes Spielverständnis, kam immer öfter zum Einsatz, ohne das Spiel zu prägen. Kaum Fehler, kaum Risiko, solide. Mehr war nicht zu erwarten.
Jean-Matteo Bahoya (12/0/1): Wirkt oft immer noch wie ein dünner A-Jugendspieler, ist ja auch erst 19. Schnell wie der Wind, dribbelt gut und mutig, aber noch nahezu ohne Wirkung. Müsste muskulär zulegen, müsste sich mehr durchsetzen, so wie gegen Mainz, das war gut. Wird er lernen, Toppmöller steht auf ihn.
Blauer Brief
Igor Matanovic (20/2/0): Was sehen seine Trainer (Toppmöller, Frankfurt; Dalic, Kroatien) nur in diesem Schlaks? Beide schwärmen vom Mittelstürmer, nur liefert er, zumindest in Frankfurt, nicht. Gut, er kann köpfen, ist aber zuweilen überfordert mit dem Frankfurter Kombinationsspiel, ist kein Sprinter, auch gedanklich zu langsam, seine Abschlüsse mit dem Fuß könnten besser sein. Ist bisher keine Option hinter Marmoush und Ekitiké. Man kann aber auch sagen: Ist sein erstes Jahr Bundesliga, hat Anlagen, braucht noch etwas Zeit. Sollte aber nicht ewig dauern.
Fares Chaibi (20/2/0): Wer weiß, wie sein Halbjahr verlaufen wäre, wenn er am ersten Spieltag in Dortmund den Ball völlig freistehend ins Tor und nicht drüber geschossen hätte. Es wäre das 1:0 kurz vor Schluss und vielleicht der Siegtreffer gewesen. So erzielte Gittens im Gegenzug die BVB-Führung, Endstand 0:2. Von diesem Fehlschuss hat sich der Algerier gefühlt nicht mehr erholt, okay, er schoss noch ein Tor in Heidenheim, brachte auch ein paar gescheite Flanken. Aber ansonsten: keine Torbeteiligung, viel zu oft neben den Schuhen, mit einer laxen Körpersprache, das wirkt immer ein bisschen lethargisch und phlegmatisch. Darf dennoch relativ häufig spielen, das ist schon verwunderlich. Wird sich signifikant steigern müssen.
Niels Nkounkou (15/0/0): Ob das noch mal was wird mit dem Filou? Weiß man nicht. Ist ja schon 24. Momentan deutet nicht viel darauf hin. Der Linksfuß steht zu oft neben sich, ist zu wackelig, keiner weiß, was er im nächsten Moment tut, er auch nicht. Wandelt zu häufig am Rande des Platzverweises, agiert zu oft unseriös, defensiv ein Sicherheitsrisiko. Hat seinen Platz längst und zu Recht an Nene Brown verloren, null Torbeteiligung als Außenbahnspieler – das sagt viel aus.
Eric Dina Ebimbe (11/2/2): Die Zahlen lesen sich gar nicht schlecht, in nur elf Partien zwei Tore und zwei Vorlagen. Zeigt, dass er Qualitäten hat. Spielt sie nur zu selten aus. War anfangs auf dem Abstellgleis, arbeitete sich zurück – nur um dann wieder in den alten Trott zu fallen, Disziplinlosigkeiten häufen sich. Das ist auf diesem Niveau nicht hinnehmbar und auch nicht entschuldbar. Stand in den letzten Partien nicht mehr im Kader. Daran dürfte sich nichts ändern. Die Eintracht sucht jetzt im Winter schon einen Abnehmer für den talentierten, aber nur schwerlich in die Spur zu bringenden Franzosen.
Zu viele Fehlstunden
Oscar Hojlund (7/0/0): War von den ganz Jungen eigentlich am weitesten, debütierte kurz im Pokal und in Dortmund, dann brach Ende August im Training der Mittelfuß, und raus war der Däne aus Kopenhagen. Kämpfte sich zurück, zuletzt wieder dabei, deutete sofort sein großes Talent an. Vermutlich der nächste Senkrechtstarter.
Jens Grahl (0/0/0): Künstlerpech für den dritten Tormann. Da hätte der 36-Jährige gegen Mainz nach langer, langer Zeit wieder im Kader stehen sollen, doch er musste krankheitshalber absagen. Ändert an seiner Rolle nichts: Da sein, den Torleuten Trapp und Santos Beine machen, für gute Atmosphäre sorgen, ein offenes Ohr haben. Füllt er gut aus, diese Rolle.
Timothy Chandler (1/0/0): Stimmungskanone, Mutter der Kompanie, guter Geist, Integrationsbeauftragter, Spaßvogel - und wenn es zum Scheibenschießen gegen den VfL Bochum geht - auch Spieler. Nach wie vor unverzichtbar fürs Team.
Krisztian Lisztes (0/0/0) : 4,5 Millionen Euro hat der ungarische U21-Nationalspieler gekostet, gespielt hat er im Profiteam null Minuten, bei der U21 immerhin 198. Der 19-Jährige hat Talent, aber dauernde Verletzungen sind nicht hilfreich beim Versuch, halbwegs Anschluss zu finden. Hat noch einen weiten Weg vor sich.
Fehlte entschuldigt
Aurelio Amenda (8/0/0): Baumlanger Abwehrschrank, kam vom Schweizer Meister Young Boys Bern (für 9,5 Millionen), allerdings angeschlagen, verpasste die Vorbereitung. Wirkte dann bei seinen wenigen Kurzeinsätzen verunsichert, teilweise schwergängig. Zog sich im Dezember einen Syndesmosebandanriss zu, wird lange fehlen – und dann einen neuen Anlauf nehmen.