Es geht wieder um die Wurst

08. August 2023, 13:45 Uhr

KN-Redakteur (rechts) Sascha Behnsen freut sich, dass die Saison Fahrt aufnimmt. Foto: Charlie Rolff

Nach der Sommerpause waren die alljährlichen Pokal- und Vorbereitungsspiele schön und gut, aber jetzt wird endlich wieder um Punkte gespielt. Wir freuen uns. Ein Tagebuch-Bericht von Redakteur Sascha Behnsen aus der Sportredaktion der Kinzigtal Nachrichten.

Donnerstag: Leider kriege ich die Kurve nicht und verpasse das Spiel, das in Radmühl den Ligabetrieb im Fußballkreis Schlüchtern eröffnet. Ich verpasse mutmaßlich historisches: Dass eine Saison mit zwei Eigentoren beginnt, kommt nicht alle Jahre vor. Der B-Liga-Kick gegen Bellings/Hohenzell II endet 2:2. Der Besuch in Radmühl wäre mir noch aus anderem Grund wichtig gewesen: Das über die Corona-Einschränkungen komplett unter den Tisch gefallene Thema Bratwurst harrt der Wiederbelebung. Es wäre zu überprüfen gewesen: Kann die Radmühler Wurst das hohe Niveau meines letzten Besuchs bestätigen und falls ja, ist sie womöglich ein ernsthafter Konkurrent für meinen Favoriten: die Grebenhainer Wurst vom Metzger aus Bermuthshain?

Freitag: Was gibt es Schöneres für einen Kickers-Fan, als die Saison an einem Freitagabend unter Flutlicht auf dem Bieberer Berg beginnen zu dürfen. Rund 13000 Zuschauer sind gekommen, so viel wie ewig nicht, der Aufsteiger und Namensvetter aus Stuttgart hat den Auswärtsblock vollgemacht, Bombenstimmung.

Seltener Zaungast ist Björn Gauges, ehemaliger Kulturredakteur dieser Zeitung, Dauerkartenbesitzer des Erstligisten von der anderen Mainseite und dem geneigten Sportleser noch als Autor der 1a-Eintracht-Heimspiel-Kolumne „Mit Adlerblick“ vertraut. In der zweiten Halbzeit statte ich dem Mann einen Besuch auf den Stehplatzstufen von Block 3 ab – und klage mein Leid, das das Leid so vieler in rot und weiß ist. Mit dem gönnerhaften Tonfall des Europapokalsiegers, der alle Schaltjahre mal am Bieberer Berg vorbeischaut, doziert der Mann, wie unsäglich das Offenbacher Publikum doch darin sei, den Fokus auf das Negative zu richten, ich muss mir im elften Viertligajahr von so einem erklären lassen, wie ich mich zu fühlen habe. Ich gehe mit den Worten „Wirsdesehn, mir verliern einsnull“ und ernte den spöttischmitleidigen Blick des Sevilla-Fahrers. Minuten später kommt Stuttgart mit seinem einzigen Torschuss in der zweiten Halbzeit zum Auswärtssieg. Ich sende eine Whats-App-Nachricht: „Noch Fragen?“ Schweigen im Riederwald...

Samstag: Hessenliga, Hanau 93, traditionsreichster Verein meiner Geburtsstadt, gegen Rückkehrer Hünfelder SV. Irritierenderweise trudeln immer mehr Fans des FSV Frankfurt an der Kastanienallee ein. „Sachma, spielt ihr net eigentlich grad gegen Schott Mainz?“ „Iss ausgefallen, keiner weiß, warum. Mainz hat sich schon warm gemacht. Der Schiri hat den Ball fallen lassen, und weil der nicht gesprungen, sondern liegengeblieben ist, hat er den Platz für unbespielbar erklärt.“

Auf dem Rasen brennt der HSV ein Feuerwerk ab. Am Ende darf Hanau sich glücklich schätzen, nur 1:3 verloren zu haben. Eine Augenweide ist Hünfelds eritreischer Offensivquirl und zweifacher Torschütze, Jemal Mohamedadem Kassa. Was für eine Ballbehandlung, was für eine Eleganz, was für ein Tempo! Und den hat Barockstadt ziehen lassen?

Schütze des dritten Hünfelder Tores ist, unter den Augen des zweiten Vorsitzenden der SG Bad Soden und Wahl-Hanauers Wladimir Römmich, Marcel Trägler, der sich in der vergangenen Saison an der Sodener Bornwiese als riesengroßes Missverständnis erwies. Der Ex-Fuldaer kann kicken, laufen, treffen und rackern, in Soden war davon ein Jahr lang nichts zu sehen.

Nach 70 Minuten Abreise zur zweiten Halbzeit in das 20 Minuten entfernte Alzenau, wo Aufsteiger Hanau 1960 erstmals in der Clubhistorie in der Hessenliga aufläuft. Gleich am Eingang werde ich vom ehemaligen Bernbacher Sportchef, dem Hardcore-SGE’ler Jörg Franz abgefangen. „Setz dich erstemol unn erklär uns, was gesdern in Offebach los war.“ Ich verweise auf den treuesten Begleiter meiner Kickers, das nicht enden wollende Pech (und Unvermögen) im Allgemeinen, sowie die befremdliche Personalpolitik im Besonderen: „Die Verantwortlichen, mit Sportgeschäftsführer Christian Hock und Trainer Christian Neidhart zwei Mann, die in Fußball-Deutschland den Nachweis erfolgreicher Arbeit bereits mehrfach erbracht haben, schicken meine Kickers mit einem Team ins Rennen, dessen EINZIGER Stürmer in der letzten Saison noch in der U19-Hessenliga für Biebrich gespielt hat.“ Das Publikum staunt, denkt aber wahrscheinlich: „Immer des Offebächer Gejammer ...“

Die zweite Halbzeit wird angepfiffen. Sodener sind überall. Stürmerlegende Daniele Fiorentino und Torwart Abdul Ersöz melden, dass die Kurden aus Hanau die Unterfranken aus Alzenau eine Halbzeit lang an die Wand gespielt, dabei aber das Toreschießen vergessen haben. Kurz wird der absehbare Spielausfall in Neuhof thematisiert, in Soden hat man offenbar nicht ernsthaft damit gerechnet, dass am Sonntag in der Glückaufkampfbahn gekickt wird. So kommt es dann ja auch.

Alzenau sieht immer noch kaum Land, kontert aber eiskalt und gewinnt einsnull. Aufreger des Spiels: Der Alzenauer Saher Bhatti verletzt sich, wird behandelt und bekommt anscheinend nicht mit, dass er ausgewechselt worden ist. Als Hanau die nächste wütende Attacke reitet, rennt er aufs Spielfeld, sorgt für unerlaubte Überzahl, behindert den Angriff, sieht Gelb und trollt sich.

Abpfiff am Rothen Strauch um 17.50 Uhr, Anpfiff an der Kinzigmühle in Roth um 18 Uhr. Mein Heimatverein, die Melitia, empfängt die einzige andere Melitia, die aus Aufenau. Das A-Liga-Duell zweier Vereine, in denen keiner eine Ahnung hat, was Melitia eigentlich bedeutet, was übrigens auch sonst niemand weiß, selbst Sprachwissenschaftler und Historiker nicht, gewinnen die Röther zwoeins. Der in Hanau und Alzenau bewusst geübte Wurstverzicht hat einen guten Grund: In Roth, wo man auf die Auswahl der Wurst beinahe mehr wert legt als auf die Zusammenstellung des Spielerkaders, wird ein schmackhaftes Spitzenprodukt angeboten. Dumm nur: Metzger Fröhlich hat seinen Urlaub nicht mit meinem Sportplatzbesuch abgestimmt. Ich nehme vorlieb mit der ersatzweise feilgebotenen Groben aus dem Globus, die, man glaubt es kaum, mundet.

Sonntag: Die Hühner sind gesattelt, die Schuhe schon gebunden. Der Plan: Eine Halbzeit Grimmstadt-Debüt, um mal zu gucken, was die von den KN frech zum KOL-Geheimfavoriten gekürte neue Dreier-SG so drauf hat (viel: Sie gewinnt 4:1 gegen Löschenrod), danach übern Kippel nach Eckardroth für 45 Minuten Dietz-Elf im urlaubs- und verletzungsbedingten Dietz-Notstand, wo es für den Vorjahres-Vize am Ende tatsächlich „nur“ zu einem 1:1 gegen den Vorjahresdritten FSG Vogelsberg reicht. Allein: Es hat gerade wieder fürchterlich angefangen zu regnen. Ich bleibe zuhause. Eine kluge Entscheidung.

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